Das Aufkommen der neuen Technologie der generativen künstlichen Intelligenz hat fundamentale Auswirkungen auf die Musikwirtschaft wie auch auf viele andere Branchen. KI-Tools sind zweifellos nützliche Hilfsmittel im Schöpfungsprozess. Allerdings birgt die Technologie auch das Potenzial, Teile des kreativen Schaffens, insbesondere im Bereich der Hintergrundmusik, zu substituieren. Eine Studie, die von der GEMA in Zusammenarbeit mit ihrer französischen Schwestergesellschaft SACEM in Auftrag gegeben wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die entsprechenden Systeme bis zum Jahr 2028 etwa 27 Prozent der Erträge von den Urheberinnen und Urhebern zu den Tech-Konzernen umleiten werden. Ironischerweise bedient sich die Industrie dabei gerade der Arbeiten der Kreativen, um konkurrierende Produkte auf den Markt zu bringen, die wiederum die Kreativen ihrer Lebensgrundlage berauben können.

Wie reagiert eine Verwertungsgesellschaft, die mehr als 95.000 Mitglieder vertritt, auf eine solch grundlegende Veränderung? Da die wirtschaftlichen Erfolge der KI-Industrie maßgeblich auf den von den Kreativen geschaffenen Inhalten beruhen – die im Jahr 2015 gegründete Firma Open AI erwirtschaftet mittlerweile einen Jahresumsatz von mehr als 2 Milliarden Dollar – ist es nur folgerichtig, für die Nutzung der vertretenen Rechte eine Vergütung zu verlangen, die geeignet ist, entstehende Schäden zu kompensieren. Die GEMA hat ein Lizenzmodell entwickelt, das eine Vergütung für das Training der KI-Modelle und Systeme, aber auch für die Generierung von Output und für die weitere Monetarisierung der generierten Inhalte vorsieht. Die Industrie reagiert zögerlich, da zahlreiche Rechtsfragen im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz ungeklärt sind. Dazu zählen die Erklärung des Rechtevorbehalts für das Text und Data Mining, der Umfang der Transparenzpflichten der Anbieter, die territoriale Anwendbarkeit des Urheberrechts und die Schutzfähigkeit der generierten Inhalte. Diese rechtliche Situation, die zugegebenermaßen äußerst undurchsichtig ist, verstellt offenbar den Blick für das Wesentliche: In den USA wird derzeit noch darüber diskutiert, ob durch das Training der Modelle und Systeme eine Vergütungspflicht entsteht bzw. dieses erlaubnis- und vergütungsfrei unter der sogenannten im US-amerikanischen Recht bestehenden Fair-Use-Doktrin möglich ist. Die Rechtslage in Kontinentaleuropa ist aber zumindest insofern eindeutig, als dass das Training von KI-Modellen und Systemen mit geschützten Werken und die daran anschließende weitere Verwertung zumindest dann zu vergüten sind, wenn sich die Rechteinhaber dies vorbehalten haben. Alle wesentlichen Rechteinhaber haben einen solchen Vorbehalt erklärt. Dennoch wird keine Vergütung gezahlt.

Es ist unbestritten, dass das bestehende Recht zunächst strapaziert werden muss, um für Klarheit zwischen allen Beteiligten, seien es die Rechteinhaber, die Urheberinnen und Urheber oder die nationale und internationale Politik, zu sorgen. Die GEMA hat als erste Verwertungsgesellschaft weltweit den bekanntesten Anbieter, OpenAI, wegen der Nutzung ihrer Rechte vor dem Landgericht München verklagt. Damit ist sie einen ersten Schritt gegangen, um ihre Interessen und vor allem die ihrer Mitglieder zu wahren. Konkret konnte der Chatbot ChatGPT die Originaltexte von zahlreichen Songs wiedergeben. Neben dem Umstand, dass es sich bei der Wiedergabe um lizenzpflichtige Vorgänge handelt, beweist dies eindeutig, dass das System beziehungsweise das zugrundeliegende Modell mit diesen Werken trainiert wurde und Vervielfältigungen in den trainierten Systemen vorgehalten werden. Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung, denn sie zeigt, dass die fehlende Transparenz beim Training die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber daran hindert, die ihnen zustehenden Rechte durchzusetzen. Nicht von ungefähr bilden die Transparenzpflichten der Anbieter den Schwerpunkt der aktuellen Debatte in Brüssel. Das neu gebildete AI-Office steht dort in der Pflicht, ein Template für die Angaben der Anbieter zu entwerfen, die diese mit dem AI Act auferlegt bekommen haben. Sie müssen gegenüber der Behörde einen »sufficiently detailed summary« über ihren Trainingsprozess abgeben. Die Tech Lobby versucht mit Nachdruck eine größere Transparenz zu verhindern, wobei sie in erster Linie auf den mit Berichtspflichten verbundenen Aufwand verweist. Es bleibt zu hoffen, dass diese vorgeschobene Position nicht politisch verfängt. Denn es ist offensichtlich, dass die Anbieter die genutzten Daten minutiös dokumentieren müssen. Hängt doch der Erfolg eines Systems unmittelbar mit der Qualität der genutzten Daten zusammen. Die Weigerung für Transparenz zu sorgen, dient dabei lediglich der Deckung von begangenen Urheberrechtsverletzungen.

Das Urheberrecht musste in der Vergangenheit stets vor den neuen technischen Herausforderungen bestehen. Oft war es ein langer und schmerzhafter Weg, der am Ende eine Balance zwischen den Rechteinhabern und den Verwertern geschaffen hat. Dies ist auch erforderlich, da beide Seiten voneinander abhängig sind. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Anreiz, Neues zu tun, nicht verloren geht. Die Klage der GEMA stellt einen wesentlichen Schritt dar, um diesen Prozess zu beschleunigen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2024-1/2025