Künstliche Intelligenz spielt – wie in anderen künstlerischen Sparten – auch im Bereich der bildenden Kunst längst eine große Rolle. Bisher gab es keine fundierte Datenlage zu den Fragen, wie sich KI auf das Ökosystem bildende Kunst auswirkt, auf den Schaffensprozess, die Rezeption, auf Kunstmarkt und Kunstvermittlung. Im Auftrag der Stiftung Kunstfonds in Kooperation mit der Initiative Urheberrecht hat nun die Goldmedia GmbH eine umfangreiche Studie durchgeführt und nach Chancen und Risiken der neuen Technologie für das gesamte System gefragt. Dabei wurden 3.072 bildende Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei/Skulptur, Videokunst/Digitale Kunst/Zeitbasierte Kunst, Zeichnung/Grafik, künstlerische Fotografie, Performance-Kunst und Klangkunst befragt, ebenso 1.104 Rezipienten von bildender Kunst. Ergänzend zu den Online-Befragungen wurden 20 Expertinneninterviews geführt – mit Künstlern, Kuratoren, Vertretern von Kunst-Institutionen und Verbänden sowie weiteren Akteuren des Kunstsektors.
Zunächst gibt die Studie Auskunft über die aktuelle Marktdimension von Künstlicher Intelligenz sowie die prognostizierte Entwicklung. Im Jahr 2023 lag das gesamte Marktvolumen für generative KI bereits bei 1,8 Milliarden Euro; bis zum Jahr 2030 soll es auf 7,6 Milliarden Euro angewachsen sein. Der Anteil von KI-Bildgeneratoren soll dabei 2 Milliarden Euro betragen; er liegt damit bei 26 Prozent des Gesamtvolumens.
Befragt wurden die Künstler und Rezipienten danach, welche Chancen und welche Risiken sie im Hinblick auf KI in der bildenden Kunst sehen. Die größte Chance, so ist das Ergebnis, sehen die Künstler ebenso wie Rezipienten in der Anwendung von KI als neuem kreativen Medium. Sie erwarten sich neue Kunstarten, neue Stile und Techniken. Daneben wird KI auch jetzt bereits als »Werkzeug« eingesetzt, welches den kreativen Prozess erleichtert, sowie als Inspirationsquelle und als Unterstützung bei Bildbearbeitung, Dokumentation oder Archivierung. 42 Prozent der befragten Künstler haben bereits Erfahrungen mit KI bei der Erstellung von Arbeiten gemacht, 65 Prozent von diesen würden auch zukünftig KI einsetzen. Auch 55 Prozent der Künstler, die bisher nicht mit KI gearbeitet haben, können sich das vorstellen.
Die Einschätzung der Risiken ist wenig überraschend: Die Gefahr einer Überschwemmung des Marktes mit KI-generierten Produkten wird ebenso gesehen wie die, dass sich durch die Nutzung von generativer KI Stereotype weiter verbreiten. Risiken werden außerdem für die kulturelle Vielfalt gesehen; es gibt die Befürchtung, dass der Wettbewerbsdruck in der Branche steigt. 65 Prozent der Befragten fürchten im Übrigen, dass der Einsatz von KI die Demokratie gefährden könnte. Etwas mehr als die Hälfte befürchtet den Wegfall von Einnahmemöglichkeiten bis hin zur Gefährdung ihrer Lebensgrundlage.
Die Studie prognostiziert einen Einnahmenverlust von zehn Prozent, das wären 237 Millionen Euro. Angesichts der Tatsache, dass viele bildende Künstler schon heute in prekären Verhältnissen leben oder sich mit berufsfremden Arbeiten über Wasser halten, ist das eine erschreckende Zahl.
Nicht nur Arbeitsaufträge gehen zurück. Wie in anderen Kunstsparten auch werden in der bildenden Kunst urheberrechtlich geschützte Werke als Trainingsdaten für die KI genutzt, ohne dass die Urheber dafür vergütet werden – und ohne, dass sie eine praxistaugliche Möglichkeit haben, die Nutzung ihrer Werke zu untersagen.
Die sich aus den Erkenntnissen und Befürchtungen ergebenden Forderungen sind in etwa die gleichen, die auch Künstler anderer Branchen aufstellen: finanzielle Kompensation, eine Zustimmungspflicht für die Nutzung von Daten, ebenso eine Kennzeichnungspflicht der mit oder durch KI erzeugten Produkte sowie eine Verpflichtung, die Verwendung von Bildern und Daten transparent zu machen. 65 Prozent der Befragten halten gesetzliche Regelungen für den Einsatz von KI in der bildenden Kunst für notwendig. Zu ähnlichen Forderungen kommen auch die befragten Experten. Hier kommt noch die Forderung nach besserer Aufklärung und Sensibilisierung hinzu.
Dies ist auch Thema in den die Zusammenfassung der Studie abschließenden Handlungsempfehlungen: Genannt werden hier Aufklärung und Medienkompetenz, gesetzliche Regulierung sowie die Erhebung weiterer Daten, um einen besseren Gesamtblick zu erhalten.
Die detaillierte Beschäftigung mit den Ergebnissen der Befragungen lohnt sich. Begleitet werden diese durch Zitate der befragten Experten, die ebenfalls neue Erkenntnisse bringen. Hier gibt es Stimmen, die die Chancen der KI benennen; die skeptischen und/oder fordernden überwiegen allerdings. Aus dem Meinungs-Kaleidoskop sei hier der bildende Künstler Christoph Girardet zitiert: »Wichtig ist, dass Kunst berührt. Die Frage ist, ob KI-Kunst auch berühren kann.«