Die Kuratorin María López-Fanjul im Gespräch mit Ludwig Greven über eine Ausstellung im Berliner Bode-Museum, die Kunstbetrachtung mit Meditation verbindet.

 

Ludwig Greven: Besuche von Kunstmuseen können Stress und Ängste reduzieren und die psychische Gesundheit verbessern, steht auf der Webseite des Bode-Museums. Wozu braucht es dann noch ein »Heilendes Museum«?

María López-Fanjul: Um das genau herauszufinden. Den meisten ist nicht bekannt, wie gut ein Museumsbesuch tun kann. In Kanada gibt es seit 2018 Kunst auf Rezept. Auch in Großbritannien, Belgien und der Schweiz werden Museumsbesuche von den Krankenkassen bezahlt.

 

Was bieten Sie konkret an?

In einem der Haupträume der Dauerausstellung haben wir Objekte aus unserem Bestand mit Exponaten aus anderen Kulturen zusammengebracht, die alle Personen darstellen, die meditieren, von Hercules, über die Heilige Magdalena bis Buddha, in den verschiedenen Traditionen, der christlichen, buddhistischen, stoizistischen oder islamischen.

So können die Besucher verstehen, dass Meditation ein Mittel ist, das schon immer benutzt wurde. Dazu gibt es die Möglichkeit, in dem Raum zu meditieren auf Kissen, die bereit liegen, oder einer Bank. Wir bieten sechs verschiedene Meditationen an über eine Handy-App oder den Audio-Guide.

 

Wie stark wird das genutzt?

Es ist unglaublich schön. Man trifft ständig Besucher an, die dasitzen und vor den Kunstobjekten meditieren. Andere machen das im Herumgehen. Wir bieten auch Meditationen für Kinder an. Man spürt, dass die Leute sich anders verhalten und sich die Objekte anders anschauen, in Ruhe und nicht nur im Vorbeilaufen wie andere Besucher.

Kommen die meisten gezielt, um dort zu meditieren? Oder entdecken sie es zufällig?

Es kommen Besucher, die noch nie in einem Museum waren, aber schon lange meditieren. Aber es gibt auch welche, die von dem Projekt gar nichts gewusst hatten.

 

Meditationen bieten auch andere Einrichtungen an. Was ist der spezielle Effekt, dies mit dem Betrachten von Kunstwerken zu verbinden?

Wir arbeiten mit traditionellen buddhistischen Meditationen der Achtsamkeit. Man lernt durch das Betrachten der Objekte, dies in sein normales Leben zu integrieren. Also nicht Augen zu, sondern Augen auf.

 

Eignen sich Skulpturen, die das Bode-Museum zeigt, besonders für Achtsamkeit und Einkehr?

Wir präsentieren auch Gemälde und Kunstgewerbe. Skulpturen ermöglichen jedoch einen unbegrenzten Blick. Man kann um sie herumgehen und sie von allen Seiten betrachten. Wir sind ein Naturlichtmuseum, was heißt, dass sich alle zwei Sekunden das Licht ändern kann. Auch das ist gut für Achtsamkeit.

 

Viele ältere Kunstwerke haben einen religiösen oder spirituellen Hintergrund. Würde es nicht reichen, den wieder deutlicher zu machen?

Ja und Nein. In Berlin haben 65 Prozent der Bevölkerung keinen Bezug zur christlichen Religion. Aber viele haben dennoch eine Verbindung zu christlichen Traditionen. Oder zu buddhistischen, etwa den Boden zu berühren. Wir zeigen auch Objekte aus der Klassik und sprechen über Philosophie, um deutlich zu machen, dass das alles verbunden ist.

 

Kunst diente früher häufig der Provokation, der Konfrontation der Betrachtenden mit ungewohnten Sehweisen. Wird sie heute zu einem Mittel des Wohlbefindens?

Dieses Projekt ist für mich eine totale Provokation! Auslöser war die Pandemie. Die körperliche, geistige und seelische Mentalität hat durch die Schließung der Museen und anderer Kultureinrichtungen sehr gelitten. Ich komme aus Spanien, wo die Museen in der Zeit absichtlich offen waren, als Orte der Meditation und Heilung. Das »Heilende Museum« ist ein Statement, wie wichtig Kultur für uns ist. Kunst hat Menschen schon früher geholfen, mit Krisen und Kriegen fertig zu werden. Das ist keine neue Erfindung. Kunst hat die Menschheit schon immer geheilt.

 

Haben Sie selbst eine Ausbildung in Meditationstechniken?

Ich meditiere seit langem jeden Tag eine Stunde und habe zwei Jahre recherchiert zu den verschiedenen Traditionen von Meditation. Aber es geht nicht um Bildung und Vermittlung. Es ist ein wissenschaftliches Projekt.

 

Es wird von einem Forschungszentrum der Charité und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin begleitet. Was erforschen die?

Das Institut der Charité schickt Patienten, die vor allem an Multiple Sklerose leiden, um zu untersuchen, inwieweit denen Meditationen mit Kunstwerken helfen.

 

Werden auch die anderen Besucher befragt, was es mit ihnen macht?

Bewusst nicht. Wir wollen sie nicht stören und sie fragen, warum sie Meditationen brauchen. Deshalb machen wir das nur mit den Patienten der Charité.

 

Stellen Sie bei sich selbst eine heilende Wirkung durch Kunstbetrachtung fest?

Absolut. Ich lebe seit 20 Jahren außerhalb von Spanien. Immer wenn ich Gesellschaft brauche, gehe ich in ein Museum, um mich wie unter alten Freunden zu fühlen. Ich brauche die Natur und Museen, um abzuschalten.

 

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2025.