In der Ausgabe 9/24 von Politik & Kultur wurde bereits über die Studie zur Künstlichen Intelligenz in der bildenden Kunst berichtet. Katharina Uppenbrink sprach mit Barbara Haack insbesondere über urheberrechtliche Fragen und über die Aktivitäten der Initiative Urheberrecht.

 

Barbara Haack: Die Studie zur Künstlichen Intelligenz in der bildenden Kunst wurde vom Kunstfonds in Kooperation mit der Initiative Urheberrecht in Auftrag gegeben. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Katharina Uppenbrink: Es gibt zwei Betrachtungsweisen. Das eine ist die juristische Einschätzung, insbesondere in Bezug auf das Urheber- und Persönlichkeitsrecht. Das andere ist der Blick auf die ganze Branche. Eine Erkenntnis aus der Studie: Das Medienmaterial im Bereich der bildenden Kunst ist sehr gering. Und: Es braucht Investition in Medienkompetenz. Beim Vergleich mit der Studie KI in der Musik zeigt sich aber, dass viele Ergebnisse bei der Umfrage nahezu identisch mit denen der Musikstudie waren, insbesondere die Forderung nach Transparenz und nach Vergütung. Das sind offensichtlich Bereiche, die nicht nur Teilbranchen, sondern die gesamte Kunst- und Kulturbranche interessieren. Ende Juli haben wir einen offenen Brief geschrieben, in dem über 100 Verbände gegenüber Ursula von der Leyen erklären, dass sie auf Transparenz und auf Vergütung bestehen. Wir haben es geschafft, die gesamte Branche zu vereinen, nicht nur die Verbände der Urheber und Künstlerinnen, sondern auch die Industrie.

 

Die Studie zeigt, dass es eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstlern gibt, die KI auch positiv bewerten, als Mittel des künstlerischen Ausdrucks, für neue Ideen. Sehen Sie diese positiven Aspekte – oder doch eher die Gefahren?

Ich sehe große Gefahren. Es wird uns häufig vorgeworfen, wir seien nicht technikaffin genug. Das Gegenteil ist der Fall. Unsere Künstlerinnen und Künstler sind vorneweg im Verwenden neuer Techniken, im Ausprobieren des Digitalen. Die Trends werden aufgegriffen und genutzt. Nur haben wir im Fall der Künstlichen Intelligenz eine neue Situation, denn es werden Werke der Künstlerinnen und Urheber ohne Genehmigung verwendet, um sie dann dem Nutzenden wieder anzubieten. Das ist eine singuläre Situation – und das in Kombination mit der unglaublichen Dynamik, mit dem Tempo, das vorgelegt wird.

 

Es gab auch vor der KI schon Urheberrechtsverletzungen, z. B. im Bereich der Fotografie. Es gab und gibt aber Mittel, diese Nutzungen aufzudecken. Wie sehen Sie die Chancen bei der KI, die ja nicht ein einziges Bild verwendet, sondern sehr viele Bilder und Daten, um sie neu zu kombinieren? Gibt es Möglichkeiten, die geforderte Transparenz herzustellen bzw. eine wirksame Kontrolle auszuüben?

Gerade in Bezug auf die Fotografie gibt es durch die Arbeit mit Metadaten sehr interessante technische Entwicklungen. Es ist technisch möglich, in der Fotodatei ein Verbot zu hinterlegen– das Opt-Out, das es jetzt dank der europäischen Regelung gibt. Mittlerweile werden Techniken entwickelt, die es ermöglichen, bereits beim Fotografieren Daten zu hinterlegen. Der Kamerakörper bietet also schon Möglichkeiten der Nachverfolgung.

 

Wenn solche Techniken entwickelt werden: Ist das eine Art Wettlauf zwischen KI-Anbietern und -Entwicklern und denjenigen, die die irreguläre Nutzung zu verhindern versuchen? Gibt es einen Gewinner?

Ja, es ist ein Wettlauf. Es heißt immer: Ihr könnt nur hinterherlaufen. Das ist richtig. Erst muss etwas passieren, dann gibt es einen Bedarf nach Regulierung. Das Bewusstsein wächst jetzt erst, damit wachsen aber auch die Möglichkeiten. Es ist allerdings so, dass in diesen Wochen immer klarer wird, dass die Möglichkeiten des Opt-Outs noch schwieriger als gedacht sind und vor allem, dass die Möglichkeiten, dieses zu umgehen, sich noch einfacher gestalten.

Die Initiative Urheberrecht ist beim Thema Künstliche Intelligenz sehr aktiv. Was konkret tun Sie?

Wir arbeiten vor allem politisch, sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Wir haben z. B. ein Gutachten in Auftrag gegeben und vor wenigen Tagen publiziert, in dem KI-Wissenschaftler und Rechtswissenschaftler die Input-Situation bei generativer KI betrachten.

 

Was sind die Ergebnisse?

Die interdisziplinäre Forschung der Professoren Dornis und Stober liefert dringend benötigte neue Erkenntnisse über die technisch notwendigen Zwischenschritte beim Training generativer Künstlicher Intelligenz. Es wurden viele offene Fragen fundiert, verlässlich und dem aktuellen Stand der Technologie entsprechend beantwortet. Ich möchte hier Tim W. Dornis zitieren: »Wie ein genauerer Blick auf die Technologie generativer KI-Modelle offenbart, ist das Training solcher Modelle kein Fall von Text- und Data-Mining. Es handelt sich um eine Urheberrechtsverletzung – dafür ist nach deutschem und europäischem Urheberrecht keine gültige Schranke in Sicht.«

Die Studie belegt nicht nur dies, sondern gibt zudem »weitere wichtige Hinweise und Anregungen für ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Schutz der menschlichen Kreativität und der Förderung von KI-Innovationen«, sagte Axel Voss, MEP, anlässlich der Vorstellung im Europäischen Parlament. Unsere Autorinnen und Autoren sprechen auch davon, dass endlich Belege für den »groß angelegten Diebstahl am geistigen Eigentum« vorliegen. Darüber hinaus haben wir jetzt den Beleg dafür, dass die Nachbildung von Werken durch ein KI-Modell eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung darstellt und dass zusätzlich die Bereitstellung auf dem Markt der Europäischen Union das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung verletzen kann. Und nun ist die Politik am Zug!

Wer hilft Ihnen in Ihrer politischen Arbeit im Bundestag oder in der Regierung?

Bei unseren Themen sind die Parteien gespalten. Wir haben überall Freunde und überall Gegner – letztere allerdings weniger als früher. Generative KI hat dazu geführt, dass man sich mehr auf Augenhöhe begegnet, weil das für alle Beteiligten etwas völlig Neues ist. Der Bundestagsausschuss Digitales z. B. hat uns früher kaum beachtet. Mittlerweile finden auch diese Politiker es wichtig, sich mit unseren Aspekten und Themen auseinanderzusetzen.

 

Auf europäischer Ebene gibt es ja bereits einen »ersten Akt«, nämlich den AI Act. Was sind die konkreten Forderungen auch in Bezug auf Gesetze in Deutschland?

Wir sind im Gespräch mit Ministerien und Politikern über Möglichkeiten auf nationaler Ebene. Aber wir müssen vor allem europäisch denken, denn es ist ein globales Problem. Der AI Act war nur der Anfang. Wir denken, dass weiteres politisches Handeln in Bezug auf die Rechtsrahmen geboten ist.

 

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2024.