Generative KI kann kein vollständiges Drehbuch schreiben. Noch nicht. KI-Modelle wie ChatGPT (OpenAI), Llama (Meta) und Gemini (Google) werden aber permanent optimiert; Prognosen für die nahe Zukunft sind also im Zweifel immer etwas hinter dem Stand des gerade technisch Möglichen zurück. Entsprechend kündigt sich mit SORA (Open AI) bereits ein KI-Modell an, das aus Text Bild macht. Drehbücher sollen direkt in hochqualitatives Bewegtbild umgesetzt werden können: Kurze Animationsfilme, Musikvideos oder Pitches sind erste Anwendungsgebiete.

Ohne professionelle Erzählkompetenz geht in der audiovisuellen Fiktionsproduktion noch nichts. Da KI aber darauf getrimmt ist, menschliche Sprachstrukturen zu simulieren, lassen sich bereits Dialoge und Plots von einer Qualität erzeugen, die von menschlich geschriebenen Versionen kaum zu unterscheiden ist.

Für die Generierung von Figuren, Plot oder Dialogen sowie beim Erstellen von Texten für den Szenenhintergrund wie etwa in Szenen mit Vortragssituationen, Nachrichten aus dem Radio oder ähnlichem kann generative KI prinzipiell jetzt schon eingesetzt werden. Ebenso auch für Übersetzungen, Unterstützung bei Recherche (wobei die KI hier nicht auf Sachverhalte zurückgreift, sondern nur Textstrukturen imitiert, weshalb Vorsicht bei der Recherche geboten ist) und Textkorrektur sowie schon seit Jahren in den USA als Tool zur Drehbuchanalyse bezüglich Marktfähigkeit. Erfolg? Umstritten.

Es wird geglaubt, auf diese Weise ließe sich die Entwicklungsphase aus Autorensicht stressfreier organisieren oder inhaltliche Qualität steigern. Aus Sicht der Auftraggeber soll die Drehbuchentwicklung durch KI-Einsatz schlicht zeitsparender und billiger werden. In einem Wirtschaftsbereich, der wie die Film- und Serienproduktion unter erheblichem Kostendruck steht, ist Letzteres wahrscheinlich. Gleichförmigkeit ist die Folge und insbesondere in stark formatierten und arbeitsteiligen Serienproduktionen, bei denen Produktionshäuser über riesige Rechtestocks an Episodendrehbüchern verfügen, ist der Umfang der Trainingsdaten groß. Hier liegt ein Einsatz von KI in den Bereichen Plotting und Story Editing nahe. Auch im Bereich der Short Animation ist dies früher zu erwarten als in anderen Bereichen komplexeren Storytellings.

Die neue Technologie wird von einer wachsenden Zahl von Drehbuchautorinnen und -autoren in Deutschland mit Interesse beobachtet oder schon als Instrument für Recherche und Inspiration genutzt. Es gibt derzeit ein wachsendes Angebot an drehbuchspezifischen Weiterbildungsmöglichkeiten zur Integration von KI in die Stoffentwicklung. Knowhow, nicht Inhalt, ist plötzlich King. So zumindest die Behauptung.

Für erhebliche ethische und urheberrechtliche Risiken gibt es spätestens seit dem Jahr 2023 ein weltweites Bewusstsein – insbesondere bei amerikanischen Drehbuchautorinnen und -autoren, die die Regulierung des Gebrauchs generativer KI in der Film- und TV-Industrie in ihrem Streik der Writers Guild of America West (WGA) zur existenziellsten Frage erklärten. Mit dem Ergebnis starker Regelung: KI erschafft keine Werke. Autor kann nur ein Mensch sein. Selbst beim Bearbeiten von Material, das durch KI erzeugt wurde, kann nur der Mensch den vergütungsrelevanten Autoren-Credit erhalten. Das Werk darf nicht ohne Zustimmung zu Trainingszwecken verwendet, der Autor darf nicht zur Verwendung von KI gezwungen werden. Im Fall der Verwendung von KI durch Produktion oder Autor gilt Transparenzpflicht – in beide Richtungen.

Die internationale Grundorientierung ist da, Branchen-Richtlinien für den Drehbuchbereich in Deutschland sind es nicht. Stattdessen der merkliche Versuch vonseiten der Produktionsfirmen, individualvertraglich die juristisch bedenkliche Übertragung von Rechten und einseitige Transparenzpflichten in asymmetrischer Verhandlungskonstellation zwischen Produktion und Autor durchzusetzen. Rechteketten sollen sich durch Zwang schließen. Vertragsparität und Vergütungsfragen werden ignoriert. Das erscheint kurzsichtig – zumal die Integration von generativer KI in die Filmproduktion kulturelle Gestaltungsmacht in die Server-Räume der US-Tech-Konzerne verlagert. Branchenintern tut eine transparente Verständigung über Notwendigkeit und Ziele des Einsatzes von KI dringend not.

Unterdessen beteuern Vertreter der KI-Branche: Niemand habe die Absicht, einen Menschen zu ersetzen. Allein, der Glaube fällt schwer: Ein Monopol-System eignet sich millionenfach ohne Zustimmung der Urheberinnen und Urheber und ohne staatlich-juristisch fundierten Rahmen Werke und die Möglichkeit ihrer Reproduktion an. Das Versprechen: Die Menschheit von überflüssiger Arbeit zu befreien – und von demokratischen Organen gleich mit? Die Vehemenz der uneingelösten Effizienzversprechen legt nah, dass eigentlich das Schreiben als solches, Sprachempfinden und seismographische Fähigkeiten für gesellschaftliche Veränderung schon jetzt als redundant gelten können, bald ersetzbar durch den bloßen Algorithmus. Folgen für die bedeutsame menschliche Kulturtechnik des Erzählens: Auflösung. Folgen für die Demokratie: Aushöhlung.

Autor: Ich liebe das Schreiben. Antwort des Chat-Bots: Ich liebe euch alle.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2024.