Im Jahr 2023 wurden 223 deutsche Filme in den Kinos erstaufgeführt. Gut 100 davon wurden durch die Filmförderungsanstalt (FFA) finanziell unterstützt, viele andere durch die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) oder die Fördereinrichtungen der Länder. Einige hatten das Glück, aus allen drei Töpfen Geld zu erhalten und zusätzlich auch noch von einem TV-Sender. Insgesamt fließen knapp 600 Millionen Euro aus Bundes- und Ländermitteln in die Förderung der Filmproduktion, die Kinos, den Verleih, das Marketing und in die Drehbuchentwicklung. Zudem geben ARD und ZDF etwa 1,7 Milliarden Euro für die Herstellung von Auftrags-, Ko- und Mischproduktionen sowie für den Erwerb von Aufführungsrechten bereits hergestellter Sendungen aus. Dennoch ist die Bilanz in den Kinos und im Angebot der Sender durchwachsen: Der Kinomarktanteil deutscher Produktionen betrug 2023 magere 24,3 Prozent, weniger als im Jahr zuvor. Die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender sparen bei Eigenproduktionen, so dass die Einnahmen der Produzenten, aber auch der Kinobetreiber rückläufig sind.

Dienstleister wie Filmstudios und Technikverleiher trifft seit zwei Jahren, neben dem Ausbleiben ausländischer Produktionen in Deutschland, dass selbst die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Serien zunehmend im Ausland produzieren. In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Produktionen in anderen Ländern realisiert, obwohl alle von den technischen und optischen Bedingungen auch in Deutschland hätten gedreht werden können. Bei der »Barcelona«-Serie des ZDF heißt es im Abspann: »Produziert mit Unterstützung von Steueranreizen für ausländische audiovisuelle Serienproduktionen«. Die Produzenten, die diese Serien für die ARD realisieren, sagt Achim Rohnke, Geschäftsführer des Verbands Technischer Betriebe für Film und Fernsehen, profitieren unmittelbar von einer besseren Filmförderung in anderen Ländern. So bietet Spanien einen Steuervorteil von 40 Prozent, andere Länder von 30 Prozent. Einen solchen Spareffekt gibt es in Deutschland nicht. Als beispielsweise die Bavaria den Auftrag für die Sky-Serie »Das Boot« erhalten hatte, wurde die Serie zum größten Teil in Tschechien realisiert, da über die dortige Förderung Vorteile generiert wurden, die in Bayern nicht möglich waren. Eine Chance, für den Produktionsstandort Deutschland wieder mehr ausländische Produktionen zu akquirieren, sieht Rohnke dennoch durchaus. Aber nur, wenn die Förderbedingungen im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig ausgestattet werden, würden ausländische Produzenten wieder in Babelsberg und anderen Studios drehen.

 

Neuordnung der Filmförderung geplant

Um dieses Dilemma zu beheben, wird seit Jahren eine Neuordnung der Filmförderung angestrebt, die jedoch zweimal verschoben wurde. 2022 hat die Ampelkoalition einen neuen Anlauf genommen, das Filmförderungsgesetz (FFG), das vor allem Spiel- und Dokumentarfilme alimentiert, zu modernisieren und zudem zusätzliche finanzielle Anreize zu schaffen, damit wieder mehr in Deutschland produziert wird. Das könnte zum einen durch ein neues Steueranreizmodell geschehen, das die Länder mitfinanzieren sollen, und zum anderen durch zusätzliche Abgaben der Streamingplattformen, einschließlich der Mediatheken von ARD und ZDF.

Ein Referentenentwurf für eine Novelle des FFG liegt inzwischen vor. Für die beiden anderen Neuregelungen existieren bisher nur Diskussionsentwürfe. Im Juli hat sich die Ampelkoalition auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2025 verständigt, die auch eine Unterstützung für einen Systemwechsel zu einem Steueranreizmodell der Filmförderung in Aussicht stellen, dabei jedoch wesentliche Fragen der Finanzierung und Umsetzung offenlassen.

Das FFG läuft Ende dieses Jahres aus. Anfang 2025 soll die Novelle in Kraft treten. Ziel sei eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und eine Stärkung des deutschen Films, so der Entwurf. Mit der Bündelung der Filmförderung des Bundes unter dem Dach der FFA will Staatsministerin Claudia Roth eine »Förderung aus einer Hand« schaffen. Wesentliche Neuerung sind die Konzentration auf die Förderbereiche Produktion, Verleih und Kino sowie »eine weitgehende Automatisierung der Förderinstrumente«. Mit der Vereinfachung sowie Modernisierung der Förderungen, insbesondere der Umstellung auf eine vollautomatische Produktions- und Verleihförderung sowie eine teilautomatisierte Projektkinoförderung bei gleichzeitigem Wegfall der hierfür bisher eingesetzten Förderkommissionen und des für deren Bestellung aufwändigen Verfahrens sowie erweiterter Antragsberechtigungen in der Kinoförderung und niedrigschwelligerer Zugangsvoraussetzungen in der Produktions- und Verleihförderung sollen Bürokratiekosten in Höhe von ca. 800 Millionen Euro eingespart werden.

 

Weiterhin große Widersprüche zwischen Bund und Ländern

Bei den zwei anderen Gesetzen, einem Tax-Intensive-Modell und einer Abgabe der Streamingplattformen, bestehen weiterhin große Dissonanzen zwischen Bund und Ländern. Achim Rohnke stellte gegenüber der F.A.Z. fest: »Die BKM hat viele Monate verstreichen lassen, um jetzt endlich mit der gesamten Filmwirtschaft in den Dialog zu gehen.« Auf der Berlinale 2023 wurde eine seit Jahren überfällige Filmförderreform verkündet, aber erst ein Jahr und fünf Monaten später im Detail mit den Verbänden diskutiert. Anfang Juli hatte sich die Ampelkoalition grundsätzlich darauf verständigt, dass es eine von Bund und Ländern gemeinsam erbrachte Filmförderzulage für Produzenten von Filmen und High-End-Serien in Höhe von bis zu 30 Prozent der deutschen Herstellungskosten geben soll. Bisher erfolgt die nationale wirtschaftliche Förderung von Filmen und High-End-Serien durch Steuermittel, die jährlich durch den Bundestag festgesetzt werden. Für 2024 sind 133 Millionen Euro vorgesehen. Künftig sollen sich auch die Bundesländer an dieser Alimentierung beteiligen. Als Begründung des Paradigmenwechsels hört man aus dem BKM das Argument, dass auch die Länder von zusätzlichen Produktionen profitieren würden. Welche Länder davon in welcher Höhe und ab wann »profitieren«, gehört gegenwärtig zu den vielen Hochrechnungen, die unterschiedlich interpretiert werden.

Trotz aller Differenzen sollen die Referentenentwürfe für die Filmförderzulage sowie die Investitionsabgabe im zweiten Halbjahr 2024 im Kabinett bestätigt werden. Daran schließt sich das parlamentarische Verfahren an. »Im weiteren Prozedere muss der Finanzminister handeln und unter Einbeziehung der Länder auf Basis des Entwurfs der BKM zügig ein zustimmungsreifes Gesetz ausarbeiten. Es ist kurz vor zwölf, denn wenn auf den kommenden internationalen Filmmessen im Herbst kein Anreizsystem für Produktionen in Deutschland vorgestellt werden kann, geht ein weiteres Produktionsjahr verloren. Dann mit gravierenden Auswirkungen auf Firmenexistenzen, technische Ressourcen und Arbeitsplätze«, sagt Achim Rohnke der F.A.Z. Doch selbst die Kulturstaatsministerin glaubt nicht mehr an eine Verabschiedung noch in diesem Jahr. Nach Auskunft ihres Sprechers sollen alle Säulen der Reform der Filmförderung in dieser Legislaturperiode eingeführt werden. Die BKM werde sicherstellen, dass es zu keiner Förderlücke bis zur Einführung der Filmförderungszulage komme.

Ein Kompromiss ist weiterhin möglich, wenn der Bund Abstriche macht. Vor allem Bayern, NRW und Berlin-Brandenburg, die wahrscheinlich Nutznießer eines Steueranreizmodells wären, haben bisher auch steuerlich von ausgelasteten Studios und gutverdienenden Produzenten profitiert. Doch sie haben dieses Geld in ihre regionalen Filmförderinstitutionen investiert. Von den knapp 600 Millionen Euro stammen fast 40 Prozent aus den Ländern. Bei dem jetzt diskutierten Steueranreizmodell könnte der Bund 130 bis 150 Millionen Euro einbringen, doch die Länder müssten ihren Anteil zusätzlich aufwenden, wenn sie ihre eigenen Fördereinrichtungen nicht schwächen wollen. Eine solche Forderung sehen die meisten Bundesländer bisher sehr kritisch.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2024.