»RTL Deutschland übernimmt Gruner + Jahr – konkret die deutschen Magazine und Marken wie ›Stern‹, ›Brigitte‹, ›Geo‹, ›Capital‹, ›Schöner Wohnen‹, ›Eltern‹ oder ›Art‹ für einen Kaufpreis von 230 Millionen Euro. Für Bertelsmann ist es der konsequente nächste Schritt, nachdem die beiden Töchter in den vergangenen Jahren ihre Zusammenarbeit in immer mehr Bereichen in der Ad Alliance, der Content Alliance und der Data Alliance ausgebaut hatten.« »Bei RTL lief das TV-Werbegeschäft im zweiten Quartal prächtig, die Umsätze stiegen rasant, der Gewinn lag im ersten Halbjahr auf Rekordniveau. Für das gesamte erste Halbjahr gibt die RTL Group einen Umsatzanstieg um 13,7 Prozent auf 3,0 Milliarden Euro an. Der Umsatz lag bei den fortgeführten Geschäften über dem, was im Vor-Corona-Jahr 2019 erwirtschaftet worden ist.« Beide Pressemeldungen stammen vom gleichen Tag, vom 6. August 2021. Sie illustrieren den Wandel in der Medienbranche, der 2021 weiter an Fahrt gewann.

Noch ein anderer Fakt aus diesem Jahr verdeutlicht die Dynamik der digitalen Revolution: In Deutschland nutzen 2021 fast 67 Millionen Menschen das Internet – 100 Prozent der unter 50-Jährigen, 95 Prozent der Gruppe zwischen 50 und 69 Jahren und 77 Prozent der ab 70-Jährigen. Vor 25 Jahren haben gerade einmal 6,5 Prozent der Erwachsenen Zugang zum Internet gehabt. 2021 konsumierte die Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland Medien im Internet im Mittel 136 Minuten pro Tag (plus 16 Minuten).

Die Internetverbreitung war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die massenhafte Nutzung der Streamingdienste, die in diesem Jahr weiter an Boden gewannen. Die Streaming-Explosion, die während des Covid-bedingten Lockdowns im 2. Quartal 2020 ihren Höhepunkt erreichte, hält weiter an: Im 2. Quartal 2021 ist die weltweite Streaming-Nutzung um 13 Prozent im Vergleich zu 2020 gestiegen.

Nach den Analysen von PwC ist für das Jahr 2021 ein Anstieg des Branchenumsatzes auf 59 Milliarden Euro zu erwarten. Bereits 2022 wird die Entertainment- und Medienbranche das Niveau von 2019 erreichen. Bis 2025 sollen die Umsätze bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 4,5 Prozent auf 69 Milliarden Euro steigen.

Der deutschen Medienwirtschaft geht es also wieder gut, die negativen Folgen des Corona-Lockdowns sind überwunden? Ja und nein, muss die Antwort lauten: Die Zweige, die die Digitalisierung ihrer Angebote und Vertriebswege schneller vorangetrieben haben, wie die Musikwirtschaft, die Games-Branche, die Audio-Anbieter und Teile der Film- und Fernsehwirtschaft, haben profitiert und konnten in diesem Jahr einen Zuwachs verbuchen. Die weiterhin überwiegend »klassisch« orientierten Medien, wie die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage oder die Kinos müssen auch in diesem Jahr mit deutlichen Einbußen kämpfen und sind mehr denn je auf eine staatliche Förderung und bessere Rahmenbedingungen angewiesen.

Auf diese divergierende Entwicklung muss die Medienpolitik schneller und konsequenter reagieren, sollen Medien- und Meinungsvielfalt sowie die kulturelle Vielfalt weiter gesichert werden. Dazu gehört eine Medienförderung für die Branchen, die die digitale Transformation nicht aus eigener Kraft erfolgreich umsetzen können, wie Kinos, Filmproduktionen, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage und lokale Medien.

Hier die wichtigsten medienpolitischen Ereignisse und Entscheidungen 2021:

Medien- und Kommunikations-bericht der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat im Juli ihren Medien- und Kommunikationsbericht veröffentlicht. Den Schwerpunkt bildet die Rolle von Medien- und Kommunikationsplattformen. Mit Blick auf die zukünftige Medienordnung müsse es darum gehen, so heißt es im Bericht, dass diejenigen Medienplattformen, die eine wesentliche Rolle für die öffentliche Meinungsbildung spielen, gemeinwohlverträglich agieren. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum DSA darauf hingewiesen, dass große Plattformen in der Lage sind, zunehmend wichtige Plattformökosysteme in der digitalen Wirtschaft zu kontrollieren. Der gegenwärtige europäische Rechtsrahmen (einschließlich des Wettbewerbsrechts) stelle auf Märkten, die von großen Plattformen mit erheblichen Netzwerkeffekten geprägt sind und die als »Torwächter« (sogenannte Gatekeeper) fungieren, faire Wettbewerbsmöglichkeiten für alle Marktteilnehmerinnen und Markteilnehmer, insbesondere für private und gewerbliche Nutzerinnen und Nutzer und Unternehmen, nicht ausreichend sicher. Kooperative Medienplattformen stellen eine Möglichkeit dar, um publizistische und an den Werten der Demokratie orientierte Leistungen im digitalen Zeitalter erbringen zu können.

Digital Services Act und Digital Markets Act der EU-Kommission

Die EU arbeitet aktuell an zwei Gesetzesvorhaben, um die Macht der globalen Plattformen zu begrenzen – die wirtschaftliche mit dem Digital Markets Act (DMA) und die Auswirkungen auf die Gesellschaft mit dem Digital Services Act (DAS). Sie sollen zum ersten Mal seit 20 Jahren Regeln für digitale Unternehmen und insbesondere für die großen Plattformen aufstellen. Der Ministerrat hat im Oktober einen Vorschlag der EU-Kommission für den DMA weitgehend gebilligt, der von den Wirtschaftsministern der EU-Länder noch gebilligt und anschließend im Parlament debattiert werden muss. Die Vision bei dem Regulierungsvorhaben: mehr Transparenz und Interoperabilität von Software und Services. Dabei unterscheidet der Entwurf der Kommission zwischen kleinen Dienste-Anbietern und sogenannten »Gatekeepern«. Damit sind auch Unternehmen wie die Hotel-Plattform Booking oder auch Musikstreamingdienste wie Spotify und Deezer oder Abrufdienste wie Netflix, Hulu und Disney+ betroffen. Kritik am Entwurf kommt von zahlreichen Medienverbänden, die monieren, dass der bisherige Entwurf »Selbstbegünstigungen und Diskriminierungen« durch globale Plattformen sanktionieren würde. Die EU-Kommission hat zwar angekündigt, schnell über die Gesetze entscheiden zu wollen, doch zuvor müssen die Entwürfe durch das EU-Parlament, und das kann dauern.

Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Nach dem Scheitern der Erhöhung des Rundfunkbeitrages im Dezember 2020 haben die Länder eine schnelle Novellierung des Auftrages angekündigt. Im März wurde ein Zeitplan mit einer Trennung der Diskussion von Auftrag und Finanzierung beschlossen und im Juni ein Entwurf vorgelegt, der im Kern die Flexibilisierung bei der Programmbeauftragung vorsieht. Der Entwurf enthielt aber noch zahlreiche offene Punkte. Die Rundfunkkommission hatte sich im Oktober weitgehend auf einen gemeinsamen Beschluss verständigt. Bis Frühjahr 2022 wollen die Länder einen novellierten Auftrag beschließen, der noch durch die Landesparlamente bestätigt werden muss. Kernpunkt des neuen Auftrages ist eine verringerte Beauftragung von TV-Programmen und damit die Möglichkeit für die Anstalten, in Abstimmung mit den Gremien, zu entscheiden, ob und ab wann bisherige lineare Angebote weitergeführt, in ein Online-Format umgewandelt oder sogar ganz eingestellt werden. Neben der Reduzierung der Beauftragung sieht der Entwurf des neuen Medienstaatsvertrages folgende wichtige Änderungen und Ergänzungen vor: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben die Aufgabe, ein Gesamtangebot für alle zu unterbreiten. Die Sender werden unter anderem zur Gewährleistung einer unabhängigen, sachlichen, wahrheitsgemäßen und umfassenden Information und Berichterstattung sowie zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet. Die Empfehlungssysteme in den Telemedienangeboten sollen, laut Entwurf, »einen offenen Meinungsbildungsprozess und breiten inhaltlichen Diskurs« ermöglichen. Die Berichte von ARD, ZDF und Deutschlandradio über die Erfüllung ihres Auftrages sind künftig den Landtagen vorzulegen. Zur besseren Überprüfbarkeit sollen die Rundfunkgremien den Anstalten Zielvorgaben setzen, die die Qualität messbar und Leistung nachvollziehbar machen.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Erhöhung des Rundfunkbeitrages

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 5. August mit seinem Urteil Klarheit über die Höhe des Rundfunkbeitrages geschaffen. Bis ein neuer Staatsvertrag verabschiedet ist, sind, wie von der KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, empfohlen, seit August 18,36 Euro monatlich zu entrichten. Die Karlsruher Richter haben – was sehr selten ist – auf Antrag der Beschwerdeführer zur Durchsetzung ihrer Entscheidung eine Vollstreckungsanordnung erlassen und auf dieser Grundlage die übergangsweise Geltung des nicht in Kraft getretenen Staatsvertrages angeordnet. Zusätzlich hat das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass bei dem von allen Ländern zu schließenden neuen Staatsvertrag eine mögliche Kompensation wegen der vom 1. Januar bis 19. Juli 2021 unterbliebenen Beitragsanpassung von der KEF und anschließend von den Ländern zu berücksichtigen ist.

Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in deutsches Recht

Nach einer monatelangen kontroversen Debatte zwischen Urhebern, Verwertern und Upload-Plattformen hat der Deutsche Bundestag am 20. Mai das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Urheberrechtsreform beschlossen. Neben Regelungen zur urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Online-Plattformen und zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage enthält der Entwurf weitere wichtige Anpassungen, insbesondere zur Verlegerbeteiligung an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften, zum Urhebervertragsrecht, zum Erhalt des kulturellen Erbes, zur digitalen Nutzung im Bildungsbereich sowie zur Verfügbarkeit vergriffener Werke. Laut Gesetzentwurf müssen Upload-Plattformen wie beispielsweise YouTube künftig aktiv Lizenzen von Rechteinhabern erwerben, wenn sie ihre Umsätze zu einem erheblichen Teil mit deren geistigen Eigentum erzielen. Gleichzeitig erhalten die Urheber einen Direktvergütungsanspruch gegenüber den Plattformen.

Presseförderung von 220 Millionen Euro gescheitert

Das Bundeswirtschaftsministerium ist mit seinem Entwurf für eine staatliche Presseförderung gescheitert. Nach Angaben des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) bestanden zuletzt beim Bundeswirtschaftsministerium verfassungsrechtliche Bedenken, das Paket freizugeben, ohne dass der Bundestag ein detailliertes Gesetz dazu beschlossen hätte. Sie wäre ein Novum in der Geschichte der deutschen Presse gewesen: die Presseförderung des Bundes. Es ging um 220 Millionen Euro. Mit diesem Geld sollten die Verlage zum ersten Mal direkte finanzielle Unterstützung für den Vertrieb erhalten. Bisher gab es in Deutschland nur indirekte Förderungen, z. B. über die verminderte Umsatzsteuer.

Filmförderungsgesetz-Novelle beschlossen

Anstelle einer großen Reform des Filmförderungsgesetzes (FFG) wurde vor dem Hintergrund der Pandemieentwicklung nur eine kleine Novelle als Übergangsgesetz mit einer verkürzten Laufzeit von zwei Jahren beschlossen. Sie ermöglicht der Filmförderungsanstalt (FFA) unter anderem eine flexiblere Handhabung der Fördervoraussetzungen, der Mittelverwendung und der Sperrfristen. Zudem enthält die Novelle die Verpflichtung zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit bei Filmproduktionen und zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in den FFA-Gremien. Für eine große Novelle fehlte aufgrund der massiven Auswirkungen der Coronakrise eine belastbare Datengrundlage. Mit der Neuregelung im Bereich Sperrfristen kann die Filmbranche nun allerdings durch Richtlinie des FFA-Verwaltungsrats abweichende Vereinbarungen zu den Sperrfristen treffen. Hinzu gekommen sind zudem eine Erweiterung der Mittelverwendung bei der Kinoreferenzförderung sowie eine Flexibilisierung der Vorschrift zur Erstellung des Evaluierungsberichts. Das Gesetz soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten.

Weitere Coronahilfen für Medien und Filmwirtschaft

Auch 2021 wurden weitere Coronahilfen für Medienunternehmen beschlossen. So erhielten private Hörfunksender sowie Bürgermedien weitere Hilfe durch die Länder. Die Bundesregierung beschloss einen Sonderfonds in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, um die Wiederaufnahme und finanzielle Planbarkeit von Konzerten, Theateraufführungen, Kinovorstellungen und anderen kulturellen Veranstaltungen in den kommenden Monaten zu unterstützen.

Die ursprünglich für die Verleih- und Vertriebsförderung vorgesehenen Mittel konnten durch die zweite Kulturmilliarde verdoppelt werden. Für die wirtschaftliche Verleihförderung stehen so insgesamt bis zu 20 Millionen Euro zur Verfügung. Der Filmvertrieb wird mit bis 2 Millionen Euro gefördert.

Der Ausfallfonds zur Abfederung pandemiebedingter finanzieller Risiken bei der Kinofilm- und High-End-Serienproduktion wurde bis zu 69 Millionen Euro aufgestockt und verlängert.

Das Zukunftsprogramm Kino I wird auch im Jahr 2022 fortgesetzt und erweitert. Dafür sind im Kultur- und Medienetat der Bundesregierung 15 Millionen Euro vorgesehen. Aufgrund der großen Nachfrage hatte die Bundesregierung das Zukunftsprogramm für Arthouse-Kinos und Kinos im ländlichen Raum bereits im Jahr 2021 um 15 Millionen Euro auf insgesamt 30 Millionen Euro erhöht. Für das Zukunftsprogramm Kino II stehen Mittel in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro bereit. Insgesamt fördert die Bundesregierung pandemiebedingte Maßnahmen zur Unterstützung der Kinobranche somit mit bis zu 55 Millionen Euro. Zusammen mit der Stärkung der FFA-Verleih- und Vertriebsförderung unterstützt das Programm NEUSTART KULTUR die Förderung der FFA mit insgesamt 30 Millionen Euro. Die Ausfallfonds I und II sollen bis Juli 2022 verlängert werden.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2021-01/2022.