Die Koalition aus CDU, CSU und SPD setzt bei der Medienpolitik in ihrem Regierungsvertrag sechs Schwerpunkte: Medienvielfalt stärken, Meinungsfreiheit schützen, Desinformation beschränken, Jugendschutz ertüchtigen, Medienkompetenz verbessern und gute Arbeitsbedingungen für Journalisten sichern. Diese Themen spielten bereits bei den Vorgängerregierungen eine Rolle. Die schwarz-rote Regierung will einzelne Aspekte aber stärker akzentuieren und Gefahren, die durch die digitale Verbreitung von Informationen entstehen, reduzieren.

Vor allem über eine Formulierung im Koalitionsvertrag gibt es seit Wochen unnötige Aufregung und Apelle nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch von Künstlern und Medienverbänden. So heißt es auf Seite 123 unter der Überschrift »Umgang mit Desinformation«: »Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können. Systematisch eingesetzte manipulative Verbreitungstechniken wie der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake Accounts müssen verboten werden.«

In Posts und Kommentaren ist in diesem Zusammenhang von der Gründung eines »Wahrheitsministeriums« die Rede. Der PEN Berlin schrieb: »Wer kein Wahrheitsministerium will, sollte auch kein Wahrheitsgesetz schaffen. CDU/CSU und SPD planen Gesetze, die das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in unzulässiger Weise einschränken würden. Dies gilt für die Passage des Koalitionspapiers, in der davon die Rede ist, man wolle ›Hass und Hetze noch intensiver bekämpfen‹ und den Straftatbestand der Volksverhetzung verschärfen. Und das gilt für die beabsichtigte Schaffung eines neuen Delikts der ›Informationsmanipulation‹.« Der Vorwurf, Lügen unter Strafe zu stellen, wurde schon einmal 2016 erhoben.

 

Kein Wahrheitsministerium, stattdessen Stärkung der Digitalkompetenz

Doch von der neuen Regierung ist weder eine Einschränkung der Meinungsfreiheit geplant noch die Schaffung eines »Wahrheitsministeriums«. Wenn im Text steht, »dass die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können« soll, dann sind damit unter anderem mehr Befugnisse für die bereits bestehenden, staatsfernen Landesmedienanstalten gemeint. Diese bemühen sich seit Jahren durch eine Stärkung der Medienkompetenz, Informationen über Fake News, Aufklärung über die Verbreitungswege, Analysen usw. die Mediennutzer dafür zu sensibilisieren, Desinformationen zu erkennen und zu ignorieren. Sie haben aber keine rechtliche Handhabe, Plattformen oder soziale Mediendienste zu veranlassen, eindeutige Falschinformationen zu löschen oder gar nicht erst zuzulassen. Im Gegensatz dazu können sie bei klassischen privaten Rundfunkmedien Angebote, die ungesetzlich sind, verbieten, mit einer Strafe belegen oder den Sendern sogar die Lizenz entziehen. Das ist mehrfach praktiziert worden. In den sozialen Medien werden seit Jahren zunehmend falsche Informationen veröffentlicht, die keiner Überprüfung standhalten. Bleiben solche Äußerungen unwidersprochen, können sie als Instrument zur gezielten Manipulation der öffentlichen Meinung eingesetzt werden. Facebook und andere soziale Medien verwenden bisher als »Selbstverpflichtung« Faktenchecks, um problematische Inhalte zu kennzeichnen. Doch im Januar dieses Jahres stellte der Internetkonzern Meta in den USA seine Faktenchecks ein. Auch in Europa ist damit zu rechnen. Zu Meta gehören die beiden derzeit größten Plattformen Facebook und Instagram, aber auch die »X«-Alternative Threads sowie WhatsApp. Bei einer Konferenz in Brüssel Mitte Mai hatten führende Vertreter aus europäischen Medienunternehmen, Medienaufsicht, Politik und Wissenschaft bei der Veranstaltung »Safeguarding Freedom – Securing Democracy« betont, dass Medienvielfalt und freie Meinungsbildung unter Druck stünden. Deshalb würde eine klare, wirksame Regulierung gegen gezielte Einflussnahme benötigt. Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Code of Conduct hat die EU erste Schritte unternommen: Illegale Inhalte sollen leichter entfernt, Algorithmen transparenter und Plattformen verantwortlicher werden. Doch das reicht anscheinend nicht.

Auf dem Online-Rechtsmagazin Legal Tribune Online haben die Medienrechtler Tobias Gostomzyk und Victor Meckenstock von der TU Dortmund resümiert: »Ein allgemeines Lügenverbot lässt sich der genannten Passage des Koalitionsvertrags kaum entnehmen. Auch wäre es rechtlich nicht durchsetzbar, auch nicht bei der Regulierung sozialer Netzwerke. Deswegen ist Resilienz gegen Desinformation weitaus komplexer, worauf der Koalitionsvertrag im Übrigen an anderen Stellen mit Stichworten wie Stärkung von Digitalkompetenz und Ausbau von Forschung eingeht.«

 

Förderung der Presse ist nicht vorgesehen

Andere Passagen in der Regierungsvereinbarung zum Bereich Medien sorgen für weniger öffentliche Resonanz. Dazu zählen der Einsatz »sowohl für einen pluralen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als auch für faire Regulierungs- und Refinanzierungsbedingungen für private Medien«. Zusätzliche Werbebeschränkungen sind nicht geplant. Die Regierung will die Einführung einer Abgabe für Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen, prüfen. Die Erlöse sollen dem Medienstandort zugutekommen. Journalistische Angebote sollen künftig »gemeinnützig« sein. Zudem wird der Aufbau einer europäischen Medienplattform unter Einbeziehung von ARTE unterstützt, und die Deutsche Welle soll gestärkt werden.

Zwei wichtige Punkte, auf die sich die Koalitionäre in der entsprechenden Arbeitsgruppe bereits verständigt hatten, finden sich jedoch im 144-seitigen Koalitionsvertrag nicht wieder: Die Nutzung des UHF (Ultrahochfrequenz)-Bandes und die Förderung der Presse. Beim UHF-Band gab es einen Dissens mit der Arbeitsgruppe Innenpolitik. Diese wollte die Frequenzen, auf denen lineares Fernsehen verbreitet wird und die auch für Veranstaltungsmikrophone verwendet werden, künftig den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zur Nutzung überlassen. »Das UHF-Band steht primär Medien und Kultur zur Verfügung«, steht im Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe 14. Daraus wurde im Koalitionsvertrag: »Das UHF-Band steht auch Medien und Kultur zur Verfügung, die Abwägung mit Sicherheitsbedarfen wird derzeit evaluiert.« Diesen linearen Übertragungsbereich für eine valide Information bei Katastrophen und neuen Standards wie 5G Broadcast, das Antennenfernsehen DVB-T2, die Produktionstechnik zu nutzen und gleichzeitig auch Platz für Bundeswehr und Bundespolizei zu schaffen, funktioniert nach Auskunft von Experten nicht. Zudem muss ein solcher Bedarf mit den Nachbarstaaten koordiniert werden, was, wie die letzte Weltfunkkonferenz gezeigt hat, schwierig ist.

Schwerwiegender ist aber das einkassierte Versprechen, dass die »Mehrwertsteuer auf gedruckte und digitale periodische Presseprodukte auf null Prozent gemäß der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gesenkt« werden soll. Dafür findet sich die mehr als schwammige Formulierung im Text: »Die Herausforderungen der Zustellung der Zeitungen werden wir mit den Verlagen erläutern.« Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre mit »Erörterungen« bedeutet dieser nebulöse Satz, dass es für die Zeitungen und Zeitschriften, digital und gedruckt, keine Unterstützung geben wird. Die Umsatzsteuermindereinnahmen durch Senkung der Mehrwertsteuer auf gedruckte und digitale periodische Presseprodukte auf null Prozent wurden jährlich mit 700 Millionen Euro berechnet. Zugleich wurden die Ausgaben aber auch mit »Resilienz der Demokratie durch Erhalt der Meinungsvielfalt und Meinungsbildung, Vermeidung von Informationswüsten, Erhalt von Lokalmedien« begründet. Meint man dieses Postulat ernst, würde dazu auch – wie für andere Bereiche der Kulturwirtschaft – eine angemessene Förderung der Presse gehören.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2025.