Am 19. Dezember vergangenen Jahres, um 21.45 Uhr, hat der Deutsche Bundestag in seiner letzten Sitzung 2024 das novellierte Filmförderungsgesetz (FFG) mit den Stimmen der geplatzten Ampelkoalition beschlossen. Am 31. Dezember wäre es, nach zweimaliger Verlängerung, abgelaufen. Die CDU/CSU-Fraktion hat dem neuen FFG nicht ihr Plazet gegeben. Insbesondere die Interessen der Kinoverbände seien nicht ausreichend berücksichtigt und die kulturelle Filmförderung durch den fehlenden Bundeshaushalt 2025 sogar akut gefährdet, so die Union. Staatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) lobte dagegen die neue Regelung: »Wir sichern so dringend benötigte Kreativität für die Zukunftsfähigkeit der Filmproduktion in Deutschland, wovon auch viele weitere Kultur- und Wirtschaftsbranchen profitieren. Dass es dank der Unterstützung durch den Bundeskanzler und den Bundesfinanzminister gelungen ist, bereits jetzt die Förderquoten von DFFF (Deutscher Filmförderfonds) und GMPF (German Motion Picture Fund) auf die so dringend benötigten 30 Prozent anzuheben, ist ein starker Impuls für einen vitalen und erfolgreichen Filmstandort.«
Die deutsche Filmwirtschaft hat mit diesem Gesetz, das die Finanzierung von Spielfilmprojekten vor allem aus Abgaben der Sender, Streamer, Kinos und Verleiher regelt, zwar seit Januar wieder mehr Planungssicherheit und kann auf die Fortsetzung der Reform hoffen. Zur Zufriedenheit besteht angesichts der Hiobsbotschaften von Produktionsfirmen und Studios, der Hilferufe bekannter Regisseure, Produzenten und Schauspieler jedoch kein Anlass. Für die Zusage, die Bundesförderung ab 1. Februar auf 30 Prozent zu erhöhen, fehlt noch die Durchführungsverordnung. Bisher lag diese Förderung bei 20 Prozent bzw. 25 Prozent, wurde aber auf maximal 4 Millionen Euro gedeckelt. Und diese Begrenzung ist das Problem. Ob sie künftig wegfällt, ist nicht sicher. Der Entwurf hatte kurz vor der Verabschiedung auf Drängen der FDP noch einige Änderungen erfahren. So wurde unter anderem der Anteil der Anrechenbarkeit der Medialeistungen bei den Abgaben der Sender von 12,5 auf 15 Prozent erhöht. Ursprünglich sollten diese Leistungen ganz abgeschafft werden, was auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten finanziell zusätzlich belastet hätte. Zudem wurde der Diversitätsbeirat, der bei der Filmförderungsanstalt (FFA) angesiedelt werden sollte, gestrichen.
Das novellierte FFG vereinfacht die Vergabe der Förderungen, führt zu einem gewissen Automatismus, doch es beschert weder Produzenten noch Verleihern mehr Geld. Ohne neues Gesetz hätte nicht nur die Arbeit der FFA auf dem Spiel gestanden, sondern auch die Berechenbarkeit deutscher Kulturpolitik. Die FFA wird nun, was sehr vernünftig ist, als zentrale Förderinstitution gestärkt. Eine zeitweilige Arbeitspause wäre für diese wichtige Einrichtung wie auch für viele Dienstleister und Produktionsbetriebe fatal gewesen. Es ist gut, dass sich die Parteien in letzter Sekunde besonnen haben und die Interessen dieses Kulturbereiches für wichtiger erachtet haben als machtpolitische Spielchen.
Mit der Verabschiedung des novellierten Filmförderungsgesetzes erweitert sich das Förderportfolio der FFA. Seit Jahresbeginn integriert sie die bisherige kulturelle Filmförderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) in ihren Zuständigkeitsbereich und verantwortet damit alle Filmförderungsprogramme auf Bundesebene. Die abgabefinanzierte FFA-Film- und -Verleihförderung wird künftig weitgehend nach dem Referenzprinzip vergeben: Ein Film sammelt nach bestimmten Kriterien Referenzpunkte, für deren Wert Fördergelder zunächst zuerkannt und dann verwendet werden können. Als Neuerung des FFG 2025 werden künftig auch Drehbuchautoren und Regisseure an Referenzmitteln beteiligt. Zudem werden alle Filmförderprogramme der BKM künftig bei der FFA gebündelt. Damit führt sie die komplette jurybasierte kulturelle Filmförderung des Bundes von Antragstellung bis Verwendungsnachweis in eigener Verantwortung durch. Zur jurybasierten kulturellen Filmförderung des Bundes gehören Entwicklungsförderung, Produktionsförderung für Spiel-, Dokumentar-, Kinder- und Kurzfilme sowie Verleihförderung.
Kinos und technische Dienstleister kritisieren mangelhafte Reform
Während vor allem die Filmproduzenten das Gesetz trotz vieler offener Fragen begrüßten, kommt von den Kinobetreibern Kritik. Christian Bräuer, Vorsitzender der AG Kino, sieht das neue FFG skeptisch: »Für die Kinos, besonders die Arthouse- und Landkinos, bleibt die Situation katastrophal. Während Filmproduktionen trotz nicht verabschiedetem Haushalt gefördert werden können, stehen diese Kinos nun gänzlich ohne Mittel da. Die weiteren Reformschritte dürfen nicht lange auf sich warten lassen (…), sonst gerät die Zukunft vieler Kinos in Gefahr.« Auch für die technischen Dienstleister besteht wenig Grund zum Jubeln. Mitte Dezember hat der Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) eine Studie veröffentlicht, in der die Stimmung unter den Studios, technischen Ausrüstern, Kostümverleihern, Visual Effects und Postproduzenten als »desaströs« eingeschätzt wird. Deutlich mehr als die Hälfte der Betriebe bezeichnet ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als »eher schlecht« oder gar als »sehr schlecht« (insgesamt 58 Prozent). Vom anstehenden Produktionsjahr 2025 erwarten die Dienstleister keine Besserung, im Gegenteil. »Die Umfragewerte des VTFF-Herbstbarometers zeigen Jahr für Jahr nach unten«, erklärt Verbandsgeschäftsführer Achim Rohnke. »Ein Ende der Talfahrt ist angesichts des Versagens der Politik nicht in Sicht.« Das anstehende Produktionsjahr 2025 stehe so für technisch-kreative Dienstleister nicht als Verheißung, sondern als Bedrohung vor der Tür. Innerhalb von zwei bis drei Jahren hatte sich die Lage der Studiobetriebe wie Studio Babelsberg und auch vieler Filmproduzenten dramatisch verschlechtert, weil andere Länder Dreharbeiten mit höheren Förderzusagen anlocken, darunter auch die von öffentlich-rechtlichen Sendern. Auf dem Produzententag 2023 hatte Claudia Roth deshalb vergleichbare Förderungen auch für Deutschland angekündigt. Dazu gehörten eine ungedeckelte Anreizförderung von bis zu 30 Prozent der Herstellungskosten als auch eine Abgabe von Streamingplattformen. Noch im Februar 2023 hatte Claudia Roth erklärt: »Mein Ziel ist es, Ende dieses Jahres die notwendigen Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen. Der Bundesfinanzminister, aber auch viele andere Kolleginnen und Kollegen im Kabinett, sind mehr als interessiert an unseren Fortschritten.« Doch diesem Versprechen folgten kaum Taten.
Über Monate monierten die Bundesländer, die für das Anreizmodell mit zur Kasse gebeten werden sollten, dass es keinen Vorschlag des Bundesfinanzministeriums gäbe, der die Kostenverteilung regele und auch festschreibe, dass der Bund seinen bisherigen Anteil an der Filmförderung beibehält. Für einen Erfolg hätte das BKM die Finanzministerinnen und Finanzminister der Bundesländer von Anfang an einbeziehen müssen, was jedoch nicht erfolgt ist. Die Förderung eines Kulturwirtschaftsbereichs neu organisieren zu wollen, ohne die Interessen der Bundesländer zu berücksichtigen, muss in einem Desaster enden, urteilen Beteiligte.
Claudia Roth musste zudem Ende vergangenen Jahres einräumen, dass »aufgrund der anstehenden Neuwahlen und der europarechtlichen Vorgaben, der Stillhaltefrist, ein Investitionsverpflichtungsgesetz nicht mehr in dieser Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht werden kann.« Diese Aussage hat viele Experten der Branche verwundert, existieren doch bereits in mehreren europäischen Ländern solche Investitionsverpflichtungen, zumeist jedoch deutlich geringer als die in Deutschland geplanten 20 Prozent des Umsatzes. Zu fragen ist auch, warum Claudia Roth ihren Vorschlag von 2023, das österreichische Modell der Filmförderung »genauer anzusehen« nicht umgesetzt hat. Hier hätte man nicht das finanzielle Notopfer der Länder benötigt. Eine Öffnung der bisherigen Bundesförderung ohne Deckelung hätte für ausreichend Anreiz gesorgt. Unser Nachbarland kann sich jedenfalls nicht über eine unzureichende Auslastung der Studios beklagen. Auch Dank deutscher Produzenten.
Nun ruht die Hoffnung der Branche auf der neuen Bundesregierung, dass es dieser möglichst bis Ende des Jahres gelingt, aus einer unvollendeten Reform eine konkurrenzfähige Neustrukturierung der deutschen Filmförderung zu organisieren.