112 Seiten umfassen die Vorschläge der 16 Bundesländer zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Medienstaatsvertrag sowie die Verträge für ARD, ZDF und Deutschlandradio sollen geändert werden. Eine weitere Vereinbarung über die Finanzierung der Anstalten liegt noch in der Schublade. Auf ihrer Sitzung am 26. September konnten sich die Ministerpräsidenten nicht darauf verständigen. Über 16.000 Stellungnahmen erreichten die Rundfunkkommission zu den veröffentlichten vier Säulen. Darunter mehr als 100 Kritiken und Veränderungsvorschläge von Verbänden, auch die des Deutschen Kulturrates. Bis Ende Oktober sollen der Konferenz der Regierungscheffinnen und -chefs auf Basis der Anhörung Entwürfe vorgelegt werden, die von ihnen paraphiert und über die dann die Landtage informiert werden. Es besteht die Hoffnung, dass dort auch der Finanzierungsstaatsvertrag gebilligt wird.

Nach dem fast zweijährigen Abstimmungs- und Verhandlungsmarathon könnten die Staatsverträge im Sommer nächsten Jahres in Kraft treten. Ausgangspunkt für diesen medienpolitischen Kraftakt waren Misswirtschaft und Machtmissbrauch beim Rundfunk Berlin-Brandenburg sowie die Entscheidung mehrerer Ministerpräsidenten, einer Beitragserhöhung nicht zuzustimmen.

Und die Änderungen haben es in sich. Der Auftrag wird modifiziert, die Strukturen der ARD sollen umgebaut werden, die Aufgaben der Kontrollgremien sind angepasst worden, die Angebote sollen realitätsnäher und digitaler werden. Das alles könnte dazu führen, dass die Anstalten schlanker werden, Kosten sparen und insgesamt wieder mehr Akzeptanz bei den Beitragszahlern finden. Zu den vorgesehenen Veränderungen gehört die Einsetzung eines Medienrates zur Qualitätskontrolle sowie das Federführungsprinzip bei zentralen Bereichen der ARD. Umstritten sind nach wie vor Festlegungen, die die künftige Finanzierung regeln sowie die Behinderung privater Unternehmen reduzieren sollen. Dazu zählen eine Verschärfung des Verbots der Presseähnlichkeit sowie eine Deckelung der Ausgaben für Sportrechte. So sieht der Entwurf vor, dass künftig nur noch sendungsbezogene Texte zulässig sind. Bei den Sportrechten fordern private Anbieter eine Deckelung der Ausgaben bei fünf Prozent des Gesamtbudgets. Der Entwurf des Medienstaatsvertrages hält dagegen als Variante eine »Angemessenheit« für ausreichend. NRW-Medienminister Nathanael Liminski lobte gegenüber der F.A.Z. die geplanten Reformen. »Wir haben sehr intensiv über alle wesentlichen Elemente der Reform beraten. In vielen Punkten sind wir uns einig, beispielsweise bei der Verschlankung von Strukturen und mehr Zusammenarbeit im System. In anderen besteht noch weiterhin Diskussionsbedarf, was angesichts des Tempos und der Tragweite nicht überrascht. Ich bin nach diesem Beratungsdurchgang zuversichtlich, dass wir auch hier im Lichte der Anhörung zu guten und geeinten Ergebnissen kommen werden.«

 

Finanzierungsstaatsvertrag soll geändert werden

Die Änderung des Finanzierungsstaatsvertrages soll künftig verfassungskonform eine Abweichung von der bisherigen Bedarfsermittlung der Beitragskommission KEF ermöglichen und das Regime der Festlegung des monatlichen Rundfunkbeitrages grundlegend verändern. Erstmals ist im Entwurf von einem »Basiswert« beim Rundfunkbeitrag die Rede, der der Empfehlung der KEF entspricht und der auch gesetzlich verankert werden soll. Künftig soll die KEF diesen Basiswert durch eine vergleichende Betrachtung für die darauffolgenden vier Jahre fortschreiben. Diese »Fortschreibung« erfolgt möglicherweise durch einen Abgleich mit dem Verbraucherindex. Zugleich soll das »Rationalisierungspotenzial« berücksichtigt werden. Das heißt, ist der laufende Rundfunkbeitrag deckungsgleich mit dem Vergleichsindex, gilt er so lange weiter, bis sich hier Abweichungen ergeben, ohne dass die Landesparlamente gefragt werden müssen. Die geplante Neupositionierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fasst Conrad Clemens, Chef der Staatskanzlei Sachsens, so zusammen: »Wir brauchen die Öffentlich-Rechtlichen, aber in neuer Form: Weniger Spartenkanäle, weniger Radiosender, geringere Gehälter, mehr Digitales und vor allem stabile Beiträge. Bei der Konferenz der Ministerpräsidenten in Leipzig haben wir die Chance, einen großen Wurf zu schaffen.«

 

Reformen greifen erst in vielen Jahren

Vieles von dem, was in den Staatskanzleien und dem Zukunftsrat erdacht, rechtlich geprüft, unter den 16 Ländern abgestimmt und schließlich in Entwürfen für neue Gesetze formuliert worden ist, wird erst nach Jahren greifen. Oder glaubt wirklich jemand, die Reduzierung der Hälfte der Spartenkanäle nach einem inhaltlichen Korbprinzip verläuft ohne Interessenskonflikte zwischen Kulturinstitutionen, ARD und ZDF? Die ARD soll ein Federführungsprinzip für wichtige Aufgaben der Technik und Verwaltung einführen. Wer verfolgt hat, wie aufwendig dieser Prozess bei den Service-Sendungen war, wie jede Anstalt um ihre Pfründe kämpfte und einzelne Sender am liebsten weiterhin alles selbst produzieren wollen, weiß, wie schwer es sein wird, die »Federführung« durch eine Anstalt in den Bereichen zu erreichen, wo bisher neun Intendanten hoheitlich entschieden. Das zeigen auch die Stellungnahmen von ARD und ZDF. Oder nehmen wir die Pflicht zur Zusammenarbeit: Wie wird diese konkret umgesetzt? Wer überprüft es? Die Online-Angebote sollen künftig weniger presseähnlich werden, so sieht es der Entwurf des Medienstaatsvertrages vor. »Die eigenen Portale dürfen jeweils nicht presseähnlich sein. Sie sind im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton zu gestalten«, heißt es hier. Aber was bedeutet »im Schwerpunkt«? Vor allem: Gibt es hier möglicherweise noch medienrechtliche Bedenken?

 

Reduzierung »beitragsferner Leistungen« würde sofort Einsparungen ermöglichen

Die ursprüngliche Hoffnung, dass die KEF die Reduzierung der Aufwendungen und Kosten berechnen kann, die sich möglicherweise aus den Reformen ergäben, war mehr Wunschdenken als realistische Erwartung, das hat der Sonderbericht der Beitragskommission gezeigt. Nach Einschätzung der KEF erbringen die geplanten Reformansätze und Auftragsanpassungen für die Zeit von 2025 bis 2028 keine nennenswerten Einsparungen. Jedoch könnte eine Reduzierung »beitragsferner Leistungen« kurzfristig zu spürbaren Entlastungen der Beitragszahler um 1,87 Cent führen. Zu diesen Kosten werden die Befreiung vom Beitrag aus sozialen Gründen, die Finanzierung der Landesmedienanstalten sowie der Unterhalt der 21 Klangkörper gezählt. Diese Ausgaben, so das Sondergutachten, dienten nicht der »verfassungsmäßigen und gesetzlichen« Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages. Allerdings spielen diese Punkte im Entwurf des novellierten Medienstaatsvertrages keine Rolle. Mit der Reduzierung von Hörfunkwellen und auch der Spartenkanäle lässt sich der Beitrag nicht stabil halten, das wissen alle Verantwortlichen in den Sendern. Die Pflicht zur Zusammenarbeit, eine Reduzierung der Ausgaben für Sportrechte, ein Eindampfen der Gehälter und ein Abbau von Doppelstrukturen sind schon eine andere Größenordnung, hier könnte ohne Substanzverlust gespart werden. Solange aber noch das Argument zu hören ist, das Verfassungsgericht habe den Anstalten neue Aufgaben gestellt und diese erforderten einen höheren Aufwand, ist Zweifel angesagt. Diese Aussage der Karlsruher Richter ist jedoch eine qualitative Wertung und keine quantitative. Und auch die digitale Transformation, die die Länder vorsehen, muss ohne zusätzliche Mittel erfolgen, sagt das Bundesverfassungsgericht.

Die Stellungnahmen machen deutlich, wie weit die Vorstellungen über Aufgaben, Perspektive und Akzeptanzsicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in unserer Gesellschaft auseinanderliegen. Während ARD und ZDF die Reformen im Kern ablehnen, und den privaten Medien diese nicht weit genug gehen, gibt es viele mahnende Worte, die die Kernaufgaben durch die Neuorganisation gefährdet sehen. Dazu gehört sowohl die Rolle der Anstalten als Kulturvermittler wie auch deren Beitrag zu sachlicher, wahrhafter Information und der Auftrag, eine Plattform für Diskussionen und gegen Hass und Hetze zu sein. Hier spielen die Eindeutigkeit der Regeln in den Staatsverträgen eine wichtige Rolle, aber auch, wie sie in den Anstalten umgesetzt werden. Denn das wird ihnen in den meisten Fällen, auch bei der Neuordnung der Spartenkanäle, nicht vorgeschrieben.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2024.