Seit 2015 koordiniert Heike Raab in der Rundfunkkommission die Medienpolitik der Länder. Im Gespräch erläutert sie, welche Auswirkungen der Reformstaatsvertrag für die Kulturberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben wird und welche Bedeutung die Konferenz der Ministerpräsidenten im Dezember für den Rundfunkbeitrag hat.

 

Helmut Hartung: Frau Raab, wie bewerten Sie den vorliegenden Medienstaatsvertrag im Hinblick auf den Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?

Heike Raab: Mit dem Reformstaatsvertrag werden die Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf allen Verbreitungswegen qualitativ gestärkt. Dazu gehören Kultur, Information, Bildung und Dokumentation. Es geht also um Fernsehen, Hörfunk, Online und die neue gemeinsame digitale Plattform. Mit der qualitativen Schärfung des Auftrages sollen auch verschiedene Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel die Jüngeren, besser als bisher erreicht werden.

 

Es gibt Kritik am novellierten Medienstaatsvertrag, dass sich durch die Zusammenlegung von Programmen, die Pflicht zur Zusammenarbeit und mögliche Einsparungen der Anteil der Kulturberichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk reduzieren könnte. Leisten die Änderungen im Medienstaatsvertrag dem Vorschub?

Nein. Im Gegenteil soll der Stellenwert der Kultur gestärkt werden. Wir finden in den öffentlich-rechtlichen Programmen gegenwärtig sehr viel Masse und Redundanz. Die Reformen sollen dazu beitragen, den Anteil hochklassiger Produktionen zu erhöhen und Doppelangebote zu reduzieren. Die ARD mit ihren Dritten Programm, regionalen Hörfunkangeboten, Spartenprogrammen und digitalen Kanälen, verbreitet eine Unmenge von Inhalten, die aber nicht gleichermaßen intensiv genutzt werden. Auch bei der Kultur müssen wir den Blick auf alle Angebote in den verschiedenen Programmen sowie im Onlinebereich richten. Diese Sendungen werden teilweise zudem bestückt mit den Werken von 24 Klangkörpern, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch noch unterhält. Diese Klangkörper wurden beispielsweise bisher nie beauftragt, werden von der Beitragskommission KEF aber akzeptiert.

 

Wie sehen Sie die Zukunft von arte und 3sat?

Der deutsch-französische Kulturkanal arte soll zu einer europäischen Kulturplattform ausgebaut werden. Dafür unternehmen das Vorsitzland der Rundfunkkommission Rheinland-Pfalz und die Rundfunkkommission große Anstrengungen, denn bisher wird arte von den französischen und deutschen Bürgern bezahlt, sendet seine Kulturangebote aber bereits in sechs weiteren Sprachen. Deshalb haben wir eine Bitte an die neue EU-Kommission gerichtet, arte mit Mitteln aus dem EU-Haushalt zu unterstützen. Die Verbreitung in weiteren Sprachen und neue europäische Inhalte kosten Millionen von Euro, die nicht allein von Frankreich und Deutschland aufgebracht werden können. Während arte auf einem Staatsvertrag zwischen beiden Ländern fußt, geht 3sat auf eine Vereinbarung zwischen vier Sendern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zurück. Im novellierten Medienstaatsvertrag ist vorgesehen, dass geprüft werden soll, ob Inhalte dieses Angebotes künftig auch auf der europäischen Plattform arte verbreitet werden können. Die wichtigste Währung ist in der digitalen Welt nun mal die Auffindbarkeit.

 

Das heißt, wenn sich die vier Sender nicht auf Ihren Vorschlag verständigen können, bleibt 3sat in der bisherigen Form bestehen.

Ja. 3sat ist dann weiter beauftragt.

 

Im novellierten Medienstaatsvertrag heißt es: »Sie streben Partnerschaften insbesondere mit Bildungs- und Kultureinrichtungen an«. Welche Chancen ergeben sich daraus auch für Kultureinrichtungen?

Als das Jugendangebot funk beauftragt worden ist, wurden zwei Spartenkanäle, wozu auch ZDFkultur gehörte, eingestellt. Mit der Etablierung des Online-Angebotes ZDFkultur hat das ZDF die Gelegenheit zu Partnerschaften mit verschiedenen Kultureinrichtungen ergriffen. Man kann auf dieser Plattform nicht nur vielfältige mediale Inhalte nutzen, sondern beispielsweise auch einen virtuellen Rundgang durch ein Museum erleben. Die Zusammenarbeit mit Galerien, Musikhochschulen oder auch Theater bereichern die Angebote der Sender, aber erschließen auch den Kultureinrichtungen neue Interessenten.

 

Es wurde bisher kein Beschluss zur Umsetzung der KEF-Empfehlung gefasst. Damit wird der Rundfunkbeitrag definitiv nicht zum 1. Januar 2025 steigen. Inwieweit verstoßen die Länder gegen den verfassungsmäßigen Auftrag einer bedarfsgerechten Finanzierung?

Rheinland-Pfalz hätte sich gewünscht, dass bereits bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig eine Entscheidung zur Umsetzung der KEF-Empfehlung getroffen worden wäre. Durch das Einstimmigkeitsprinzip müssen wir aber weiterhin nach einem Konsens suchen. Wir diskutieren aktuell einen Systemwechsel, also eine vereinfachte Umsetzung der KEF-Empfehlung. 2020 hatten 15 Bundesländer den Finanzierungsstaatsvertrag ratifiziert, ein Land hatte das unterlassen. Daraufhin wurde vom Bundesverfassungsgericht die Beitragserhöhung per Vollstreckungsurteil festgesetzt. Das erfolgte im August 2021. Aufgrund der Beitragsmehreinnahmen gibt es eine Rücklage, die als Puffer eingesetzt werden könnte.

 

Wie könnte eine Lösung am 12. Dezember aussehen?

Die Länder streben ein vereinfachtes Festsetzungsverfahren an, das die Parlamente einbezieht und das bewährte KEF-Verfahren beibehält. Die letzte Stufe dieses dreistufigen Verfahrens, wenn es um die Umsetzung geht, die bisher durch einen Staatsvertrag erfolgte, wollen wir verändern. Dafür werden gegenwärtig in der Rundfunkkommission verschiedene Lösungen diskutiert und geprüft. Das aus unserer Sicht beste Modell wollen wir dann den Ministerpräsidenten vorschlagen.

 

Es gab 16.000 Stellungnahmen zum Entwurf des Vertrags. Inwieweit konnten diese für die Konferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten ausgewertet und teilweise berücksichtigt werden?

Die Zeit der Anhörung war sehr knapp, aber Zeitdruck macht auch fleißig. Wir haben bei einem Teil der Stellungnahmen maschinelle Tools genutzt, um bestimmte Schlagworte zu identifizieren. So zum Beispiel Veränderung bei Spartenkanälen, Presseähnlichkeit oder Spitzensport. Viele Vorschläge befassten sich mit arte und 3sat, aber auch mit den Programmvorlieben oder dem Mediennutzungsverhalten von Bürgern. Die Eingaben der Anstalten, Verbände und Organisationen wurden von den Juristinnen und Juristen jedoch »klassisch« ausgewertet und teilweise auch berücksichtigt.

 

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2024-1/2025