Die Akzeptanz der Fotografie als Medium der Kunst wird heutzutage nicht mehr infrage gestellt. Die aktuelle nationale wie internationale Fotoszene ist lebendig und wohlvernetzt. Ihre Vielfältigkeit spiegelt sich im wissenschaftlichen Diskurs, in musealen Präsentationen neuer und historischer Positionen, einer aktiven privaten und institutionellen Sammlertätigkeit sowie der kreativen Brandbreite wider.
Längst ist die Fotografie als Sammelgebiet Bestandteil der großen Museen, die Fotografiekuratoren und -restauratoren beschäftigen, längst werden für Fotografien Höchstpreise auf internationalen Auktionen erzielt, und die große Anzahl an auf Fotografie spezialisierten Galerien und Galerien für moderne und zeitgenössische Kunst, die fotografische Positionen in ihr Programm integrieren, zeugt von der allgemein etablierten Präsenz der Fotografie im Kunstmarkt.
Zu diesem Panorama gehören weiterhin die vielen Fotofestivals, die alle Facetten der Kunst- und angewandten Fotografie kontextualisieren, ebenso wie die Ausbildungsstätten und zahlreichen Stipendien für Fotografinnen, Fotohistoriker und Kuratorinnen. Nicht zuletzt spielen die bedeutenden Fotobuch-Verlage und das große Interesse am Fotobuch eine bedeutende Rolle für das (Selbst-)Verständnis der Fotografie in allen ihren Ausdrucksformen.
Die Szene von heute lebt von engagierten Enthusiasten und deren Vernetzung. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Akzeptanz der Fotografie als Kunstform im Prinzip seit dem 19. Jahrhundert auf dem Dialog von Kunsthandel, kuratorischer Aufarbeitung und Forschung basierte: Die Initiativen der Pioniere Otto Steinert, Fritz Kempe, Leo Fritz Gruber, Ann und Jürgen Wilde, Rudolf Kicken, Konrad Fischer, Gottfried Jäger, Janos Frecot, Ute Eskildsen, Bodo von Dewitz, Herbert Molderings, Wilfried Wiegand, Bernd und Hilla Becher, F. C. Gundlach, Heinrich Riebesehl, Floris M. Neusüss und Klaus Honnef in den 1950er bis 1980er Jahren haben Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zu einem Zentrum der Vermittlung und Rezeption internationaler Fotografie gemacht, auf der im Prinzip die gesamte heutige Struktur beruht.
Es ist allgemein bekannt, dass dem umfassenden energetischen Aufeinandertreffen von kreativen Geistern, Künstlern, Theoretikern, Kuratoren, Sammlern, Verlegern und Fototechnikern im Deutschland der 1920er und frühen 1930er Jahren durch den Nationalsozialismus ein tiefer Einschnitt zugefügt wurde, von dem sich die deutsche Fotoszene erst wieder langsam in der Nachkriegszeit im Zuge des Zusammenspiels kultureller und politischer Faktoren mit den Aktivitäten einzelner Künstler und Persönlichkeiten etablieren konnte. Die großen Strömungen dieser Zeit waren das Bauhaus mit seinen Lehrern László Moholy-Nagy und Walter Peterhans, das Neue Sehen mit Persönlichkeiten wie Umbo, Aenne Biermann, Florence Henri oder Helmar Lerski, die Neue Sachlichkeit mit den heute unbestritten zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts zählenden August Sander, Albert Renger-Patzsch und Karl Blossfeldt, sowie die Pressefotografie eines Erich Salomon, die besonders durch die Entwicklung neuer, handlicher Kleinbildkameras seit der Mitte der 1920er Jahre in ihrer Blütezeit stand. Die Produktion von Fotobüchern, die heute vielgesuchte und höchstbezahlte Inkunabeln des Genres sind – herauszuheben sind August Sanders »Antlitz der Zeit« (1929), Albert Renger-Patzschs »Die Welt ist schön« (1928), Franz Roh und Jan Tschicholds »foto-auge« (1929) und Moholy-Nagys »Malerei, Fotografie, Film« (Bauhausbuch 08, 1925) –, und die die aktuelle internationale Fotografie repräsentierenden Ausstellungen »Film und Foto« (FiFo) in Stuttgart (1929) sowie eine Vielzahl von fotografisch bebilderten Illustrierten sind ebenfalls charakteristisch für das »Goldene Jahrzehnt« der Fotografie in Deutschland. In den 1930er Jahren entwickelte sich Paris zum Zentrum der fotografischen Avantgarde, dort hatten sich Künstler wie der Amerikaner Man Ray und Fotografen wie die Ungarn Robert Capa, André Kertész und Brassaï sowie viele aus Deutschland kommende Fotografinnen und Fotografen wie Germaine Krull oder Florence Henri niedergelassen. Auch hier traf die fotografisch-künstlerische, vom Neuen Sehen und dem Surrealismus geprägte internationale Ausdrucksweise auf eine vielfältige Kultur von Kritik, Ausstellungspraxis und Publikationsmöglichkeiten, die wie vorher in Berlin und anderen deutschen Städten mit den anderen Künsten parallel ging. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die museale Etablierung der Fotografie in der Nachkriegszeit waren die seit 1950 durch den Kurator und Publizisten Leo Fritz Gruber auf der Kölner Fachmesse »photokina« organisierten »Bilderschauen«. Hier wurden einem Massenpublikum deutsche und internationale Positionen gezeigt – Neu- und Wiederentdeckungen wie August Sander, Erich Salomon, Irving Penn, Man Ray. Zugleich brachte Edward Steichens monumentale Ausstellung »The Family of Man«, die ausgehend vom Museum of Modern Art in New York seit 1955 weltweit an über 150 Standorten gezeigt wurde, den Aspekt der sogenannten »humanistischen Fotografie« auf, der durch die Autorenfotografie der 1947 gegründeten Agentur Magnum – mit Henri Cartier-Bresson als einer ihrer Gründer – auf hohem dokumentarisch-künstlerischen Niveau fortgesetzt wurde.
Otto Steinert, Fotograf, Gründer der Avantgarde-Fotografengruppe »fotoform«, der außerdem Peter Keetman, Ludwig Windstosser, Wolfgang Reisewitz, Toni Schneiders und Siegfried Lauterwasser sowie kurzzeitig als Doyen auch Heinz Hajek-Halke angehörten, und Organisator der wegweisenden Ausstellungen »subjektive fotografie I-III« (1951, 1954 und 1958) war der Motor einer Richtung der abstrakt-subjektiven Fotografie, welche sich in den 1950er und 1960er Jahren in Deutschland als Reaktion auf die Kriegserlebnisse entwickelte. Als langzeitiger Lehrer an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen und als Sammler von Fotografien ist er darüber hinaus für die Fotogeschichte in Deutschland von größter Bedeutung.
Die 1970er Jahre waren das Jahrzehnt des »ersten Foto-Booms« in Deutschland, Europa und den USA, und die Geburt des modernen Kunstmarktes für Fotografie. Einige Daten mögen dieses Aufblühen der Szene verdeutlichen: 1970 die Gründung der »Mutter aller Fotofestivals«, der »Rencontres de la Photographie« im südfranzösischen Arles; 1971 die erste Fotografie-Auktion bei Sotheby’s in London und damit der Beginn des ständig wachsenden Auktionsgeschäfts mit Fotografie; 1972 die Gründung der Galerie Album durch Ann und Jürgen Wilde in Köln und 1974 die der Galerie Lichttropfen durch Rudolf Kicken und Wilhelm Schürmann in Aachen; 1974 die Gründung des Schirmer/Mosel Verlags in München; 1975 die Zulassung einer Gruppe von Fotogalerien auf dem Kölner Kunstmarkt sowie die Ausstellung »Photogalerien in Europa« in der 1971 gegründeten Spectrum Photogalerie in Hannover; 1972 und 1977 die ersten Präsentationen von fotografischen Positionen auf der documenta 5 und 6 durch Harald Szeemann und Klaus Honnef; 1976 die Gründung der Fotografischen Sammlungen am Museum Ludwig in Köln, 1977 am Stadtmuseum München und 1978 am Museum Folkwang; 1976 die Berufung von Bernd Becher als Professor für Fotografie an die Düsseldorfer Kunstakademie; 1979 wurde die Fotografische Sammlung der Berlinischen Galerie in damals Ost-Berlin gegründet; ebenfalls in diesem Jahr rekonstruierte Ute Eskildsen, die Kuratorin für Fotografie am Museum Folkwang in Essen, die legendäre »FiFo«-Ausstellung von 1929 und bereitete damit der Renaissance der Fotokünstler der Weimarer Republik den Weg.
Der Kunstmarkt für Fotografie steckte natürlich noch in den Kinderschuhen, er wurde stark durch die Zusammenarbeit mit der weiter fortgeschrittenen US-amerikanischen Galerie- und Sammlerszene beeinflusst. In den USA hatten bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts vereinzelte Pioniere – Edward Steichen mit seiner 1905 gegründeten »Gallery 291«, Julien Levy mit seiner Galerietätigkeit in den 1930er Jahren sowie Helen Gee mit der »Limelight Gallery« in den 1950er Jahren und Lee Witkin mit seiner 1968 gegründeten Witkin Gallery (alle in New York) – amerikanische und europäische Fotografie gezeigt. Der Markt konnte sich jedoch erst durch das Netzwerk von (zeitgenössischen) Fotografen, Händlern wie Harry Lunn, Rudolf Kicken, dem Ehepaar Wilde, der Hamiltons Gallery in London, Anna Auer in Wien, Privatsammlern wie Sam Wagstaff, Marie-Thérèse und André Jammes, Manfred Heiting, Thomas Walther, Werner Bokelberg und Wilfried Wiegand, Ausstellungsmachern wie Ute Eskildsen und Klaus Honnef in Deutschland und Edward Steichen und John Szarkowski in den USA, Firmensammlungen wie die amerikanische Hallmark Collection und die Gilman Paper Company sowie Museumssammlungen etablieren. 1978 wurde dann in Washington D.C. die AIPAD gegründet – die Association of International Photography Art Dealers. Dieser Zusammenschluss von Fotohändlern entwickelte das Regel- und Definitionswerkzeug, das bis heute für den Fotokunstmarkt gilt: Der Begriff des Vintage-Print wurde ebenso geprägt wie die Kategorisierung in »later prints«, »modern prints« oder »posthumous prints« sowie »limited editions«. Die Praxis, den Markt eines Fotografen durch das Angebot von limitierten Auflagen in einem bestimmten Format zu regulieren und damit für die wachsende Sammlerschaft transparent und nachvollziehbar zu machen, stammt aus dieser Zeit und ist heute noch die Basis eines seriösen Kunstmarkts. 1979 organisierte die AIPAD die erste Fotografie-Messe – als sogenannte »table top«-Messe – überhaupt.
Die 1980er Jahre sahen weitgehend eine Konsolidierung dieses Markts. Das Jahr 1989, das 150. Geburtsjahr der Fotografie, war ein weiterer Meilenstein in der Rezeptionsgeschichte des Mediums. Alle Museen weltweit, die eine substanzielle Fotografiesammlung beherbergten, zeigten ihre meist historischen Schätze und begleiteten sie mit ausführlichen Ausstellungskatalogen.
In den späten 1970er und 1980er Jahren wurde die Fotografie dann zur Fotokunst. Zeitgenössische Künstler aus verschiedenen Bereichen wie der Performance- oder der Konzeptkunst wählten die Fotografie als Ausdrucksmittel – Dieter Appelt, Klaus Rinke, Anna und Bernhard Blume, Sigmar Polke, Hans-Peter Feldmann, Katharina Sieverding, Astrid Klein, Thomas Florschuetz, Cindy Sherman und nicht zuletzt Bernd und Hilla Becher sollen hier genannt werden. Aber auch die Modefotografie, bisher für die Magazinseiten produziert, fand den Weg an die Wand der Sammler und Museen, allen voran Richard Avedon, Irving Penn und Helmut Newton. 1989 wurde ebenfalls die erste Fotografie-Auktion in Deutschland abgehalten – im Kunsthaus Lempertz in Köln kamen unter dem Titel »Photographie und Photoarbeiten« 198 Lose zum Aufruf, unter denen sich neben klassischen Fotografien von Berenice Abbott, Harry Callahan, Lee Friedlander, Herbert List, Albert Renger-Patzsch und Werner Rohde auch fotografische Arbeiten von Arnulf Rainer, Katharina Sieverding, Andy Warhol, Jürgen Klauke, Anselm Kiefer, Walter Dahn und Lothar Baumgarten befanden. Die Präsenz und der rasante Aufstieg der berühmten »Becher-Schule«, also der ersten Studenten-Generationen von Bernd und Hilla Becher an der Kunstakademie in Düsseldorf mit Candida Höfer, Andreas Gursky, Axel Hütte, Thomas Ruff und Thomas Struth, erfolgte Mitte der 1990er Jahre.
Die 1990er Jahre waren die Jahre des »zweiten Foto-Booms«. Durch die Gründung der Fachmesse Paris Photo – heute der mit Abstand wichtigste Marktplatz für Fotografie und Fotobücher – 1997, eine Vielzahl von Auktionen –allein in Deutschland waren mit Lempertz in Köln, der Villa Grisebach und der Galerie Bassenge in Berlin und Schneider-Henn in München vier Auktionshäuser mit zwei jährlichen Fotografie-Auktionen präsent – sowie Galeriegründungen in den großen Kunstzentren der Welt und natürlich durch die Galeriepräsenz der Becher-Klasse und dem Aufkommen der neuen Ausdrucksmöglichkeiten durch die digitale Fotografie stieg das Sammlerinteresse an diesem Medium enorm an. Die internationalen Auktionshäuser veranstalteten neben ihren regulären Fotografie-Auktion auch sogenannte »Single Owner Sales« – Provenienz und Marktfrische waren in der Fotografiesammlerschaft ebenso bedeutsam und wertsteigernd wie in der modernen und zeitgenössischen Kunst. Im Angesicht des wachsenden Marktes für zeitgenössische Kunst und der zunehmenden Ikonisierung bestimmter Motive und Künstler hat sich seit dieser Zeit in der Fotografie die Praxis der möglichst kleinen Limitierung auf wenige Exemplare oder sogar Unikate – siehe Wolfgang Tillmans – gefestigt. Fotografie kann großformatig und farbig sein und damit der Malerei Konkurrenz machen, aber auch die historische und die klassische Fotografie des 19. und 20. Jahrhunderts hat ihre Meister etabliert und in den Kanon der »Blue Chip Artists« erhoben – Diane Arbus, Ansel Adams, August Sander, Robert Mapplethorpe, William Eggleston. Der Foto-Geschichtsschreibung und -kritik sowie der Arbeit der bedeutenden Kuratorinnen und Kuratoren ist zu verdanken, dass die Rezeption der Fotografie als Kunstform internationaler und diverser geworden ist und in letzter Zeit auch besonders weibliche Positionen (wieder-)entdeckt werden.