Gemäß der 1972 verabschiedeten »Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt« der UNESCO soll die sogenannte Welterbeliste sicherstellen, dass dieses Erbe der Menschheit erhalten bleibt. Alle Mitgliedsländer der UNESCO können geeignete Einzeldenkmale, Ensembles, Denkmalbereiche, ja ganze Landschaften als Kultur- oder Naturerbe zur Aufnahme in diese Liste nominieren, müssen dabei allerdings einige Verfahrensregeln beachten, die die UNESCO in ihren Operational Guidelines niederschreibt und auch regelmäßig umschreibt. Dazu gehört unter anderem, dass jeder Nationalstaat nur eine Nominierung pro Jahr einreichen darf, und dass diese Nominierung bereits mindestens ein Jahr im Voraus mit der nationalen Vorschlagsliste (Tentativliste) vorangemeldet wurde.

Um ein geografisch und politisch möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen den einzelnen Ländern zu gewährleisten, koordiniert in Deutschland die Kulturministerkonferenz die Vorschläge der Länder für die Anträge zur Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO. Die Vorschläge müssen in einem bestimmten Format vorgelegt werden, das bereits dem »Tentativ List Submission Format« der Operational Guidelines der UNESCO entspricht. Alle paar Jahre wird ein Expertengremium (Fachbeirat) seitens des Kulturausschusses eingesetzt, um die eingereichten Vorschläge zu evaluieren. Er hat zu überprüfen, ob die Vorschläge die Kriterien zur Anerkennung als UNESCO-Welterbestätte überhaupt erfüllen. Zu bewerten ist insbesondere das Potenzial zum Nachweis des außergewöhnlichen universellen Wertes (OUV) sowie die Berücksichtigung der sogenannten Globalen Strategie für eine repräsentative, ausgewogene und glaubwürdige Liste des Erbes der Menschheit. Der Fachbeirat besteht aus acht internationalen Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Kultur, Denkmal-, Kulturlandschafts- und Naturschutz zusätzlich zur Vertretung der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger und der Vereinigung der Landesarchäologen. Diese selbstverordnete Internationalität erklärt, warum ich Ende 2021 als Präsidentin des österreichischen Beratergremiums der UNESCO in Angelegenheiten des gebauten Kulturerbes ICOMOS Austria in diesen Fachbeirat berufen wurde und ihn durch interne, geheime Wahl zur Vorsitzenden auch leitete.

In Österreich gibt es einen derartigen Fachbeirat (noch) nicht. Das Nationalkomitee von ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) hat hierzulande das bisher exklusive Recht, alle eingereichten Vorschläge für die Welterbe-Koordinationsstelle im zuständigen Bundesministerium zu begutachten. Es darf auch selbst Vorschläge für weitere Stätten einbringen. Das Antragsformat war bisher (noch) nicht auf die Vorlage der UNESCO abgestimmt. Das erst 2021 verabschiedete, geänderte Nominierungsverfahren der UNESCO sieht nunmehr ein zweiteiliges Verfahren vor, in dem der verstärkte Dialog zwischen Vertragsstaat und Beratergremium schon in einem möglichst frühen Stadium des Nominierungsprozesses die wesentliche Rolle spielt. Aus den bisherigen Erfahrungen ist dies ein ganz wesentlicher Schritt, um die Ressourcen aller am Prozess beteiligten Personen und Institutionen zu schonen. Deutschland hat mit seiner jetzt schon geltenden Verpflichtung zum »Tentativ List Submission Format« der Operational Guidelines und zur befürwortenden Empfehlung des Fachbeirates nicht nur längst seine Hausaufgaben gemacht, sondern ein Vorbild geschaffen. Das bisher angewandte Prozedere entspricht genau dem jüngst abgeänderten Verfahren, das ein sogenanntes Preliminary Assessment (Vorab-Begutachtung) in Form einer Desk Review, sowie – bei einer positiven Empfehlung – im nächsten Schritt die Evaluierung des Nominierungsantrages und die Vorort-Begehung der Stätte durch eine Evaluierungskommission vorsieht. Der eingesetzte internationale Fachbeirat in Deutschland nimmt dieselbe Rolle ein, wie sie in Zukunft ICOMOS in diesem Preliminary Assessment einnehmen wird. In dieser Hinsicht war das intensive und zeitaufwändige Jahr im deutschen Fachbeirat für alle ICOMOS-Mitglieder eine ausgezeichnete Trainingsmöglichkeit für ihr zukünftiges Wirken. Allerdings haben sowohl die Bundesrepublik wie auch die UNESCO bisher keine finanzielle Auslöse dieser doch verantwortungsvollen und zeitintensiven Tätigkeit für die Gutachter angedacht oder gar in den Griff bekommen. Es müssten mindestens die keinesfalls überzogenen Tagessätze der als Gerichtsgutachter tätigen Sachverständigen ausbezahlt werden, zusätzlich zu einer kompletten und abwicklungstechnisch einfach handhabbaren Spesendeckung. Ansonsten wird das an und für sich äußerst sinnvolle System sehr schnell durch die Verweigerung der Teilnahme seiner besten Expertinnen und Experten zum Erliegen kommen oder im schlimmsten Falle durch Bestechung unterwandert werden.

Trotz der obligaten Einforderung des »Tentativ List Submission Format« der Operational Guidelines überraschte letztendlich die Inhomogenität der Qualität der eingereichten 21 Anträge. Ich hätte erwartet, dass durch die zu Recht und notwendigerweise eingeforderte, strikt limitierte Antragslänge mit der Kürzung und Komprimierung die Qualität der Anträge gesteigert wird. Die essenziellen Aussagen zum OUV, den zuzuordnenden Kriterien, über Integrität und Authentizität der Stätte, ihren Schutzstatus und Erhaltungsplan sowie das vorgeschlagene Managementsystem müssten dadurch auf den Punkt gebracht werden. Es war im Gegenteil sichtbar, dass gerade durch die Überarbeitung zurückgewiesener Anträge aus vorherigen Antragsrunden und trotz konkreter Empfehlungen des zurückweisenden Fachbeirates sich die Qualität des erneuten Antrages nicht deutlich verbessert hat. Zumeist gingen gerade dann mit Streichungen und Einfügungen die Klarheit und der kausale inhaltliche Zusammenhang verloren. Dies kann sowohl auf einen gewissen Zeit- wie Finanzierungsdruck zurückzuführen sein, mag aber ebenso an der Auswahl der Expertinnen und Experten durch die Antragsteller liegen. Hier wird in Zukunft jedenfalls eine vermehrte Schulung durch spezielle Module in facheinschlägigen Studien und zusätzliche Workshops seitens ICOMOS und der UNESCO notwendig sein, nach dem Modell der 2024 durch ICOMOS gestarteten und zentral gesteuerten Heritage Impact Assessment (HIA) Workshops beispielsweise.

Die Begehung der Stätten vor Ort muss jedenfalls beibehalten werden. Es hat sich als äußerst hilfreich erweisen, dass diese Begehungen vor Ort und die anschließenden Fachgespräche mit den Einreichenden auf Grundlage eines formal und zeitlich festgelegten einheitlichen Ablaufes für alle zu begutachtenden Stätten abgelaufen sind. Dieser hat sicherzustellen, dass die Evaluierungskommission ausreichend Zeit und Ruhe bekommt, um ein objektives und sich erst durch den Ort abklärendes Bild zu erlangen. Hier Zeit und Geld einzusparen würde nur späten Kummer bei allen Beteiligten verursachen. Die bereits bei der Desk Review und deren Nachbesprechung im Team als Vorbereitung der Begehungen festgestellten, noch nicht konkret beschreibbaren »Unbehagen« haben sich vor Ort immer als vollkommen begründet herausgestellt. Zusätzlich stellt nur die Begehung vor Ort zweifelsfrei sicher, dass die Einreichung eine wahrheitsgemäße Darstellung geliefert hat.

Überrascht hat mich letztendlich schon am Beginn meiner Tätigkeit, dass Deutschland als eindeutig mit Technik und Industrie konnotiertes Land erst in dieser jüngsten Runde zur Fortschreibung seiner nationalen Tentativliste mehrheitlich Stätten der Industrie und Technik in den Fokus rückte, obwohl es mit der 1994 zum Welterbe erklärten Völklinger Hütte ein sehr frühes Beispiel dieser Kategorie vorzuweisen hat. Mit dieser Vorschlagsrunde sind nun endlich einige der innovativsten Technikbeispiele eingebracht worden.

Abschließend möchte ich meinen persönlichen Dank an alle Mitglieder und assoziierten Mitglieder »meines« Fachbeirates für den Mut aussprechen, im offiziellen Abschlussbericht niederzuschreiben, dass es an der Zeit ist, »eigene Nominierungen zurückzustellen und andere Länder bei Schutz und Erhalt sowie der Nominierung von Stätten direkt zu unterstützen (…). Damit würde die internationale Unterstützung als eines der wesentlichen Ziele der Welterbekonvention gestärkt.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2025.