In den vergangenen 50 Jahren hat die Welterbekonvention maßgeblich zur Stärkung des Bewusstseins für die Bedeutung des Kultur- und Naturerbes weltweit beigetragen. Sie hat dessen Schutz und Erhaltung gefördert, Akteurinnen und Akteure gestärkt und den Aufbau lokaler, nationaler und internationaler Netzwerke unterstützt. Zugleich gerät das UNESCO-Welterbe zunehmend unter Druck – angesichts wachsender globaler Herausforderungen wie ungleicher Repräsentation, Klimawandel, knapper finanzieller Ressourcen und veränderter gesellschaftlicher Erwartungen. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen auch, dass sich der Blick auf das Welterbe verändert hat. Heute rücken zunehmend gesellschaftliche Fragestellungen in den Vordergrund: Wie können Welterbestätten zur nachhaltigen Entwicklung beitragen? Wie werden lokale Gemeinschaften einbezogen? Und wie lässt sich kulturelles Erbe in Zeiten von Digitalisierung, Migration und Klimawandel bewahren? Ein Reformbedarf ist unübersehbar.

Seit 2022 haben zentrale Prozesse wichtige Impulse gesetzt: der dritte Zyklus der regelmäßigen Berichterstattung sowie die Einrichtung einer für alle Vertragsstaaten offenen Arbeitsgruppe (OEWG). Der 50. Jahrestag der Welterbekonvention im Jahr 2022 war eine gute Gelegenheit, um Bilanz zu ziehen und die Weichen für die Umsetzung der Welterbekonvention in den nächsten 50 Jahren zu stellen. Zentrale Themen wie Klimawandel, das Ungleichgewicht der Welterbeliste und Digitalisierung wurden in den Fokus gerückt. Dabei wurde erneut deutlich: Die geografische Verteilung auf der Welterbeliste ist und bleibt eine der größten Herausforderungen – rund 47 Prozent der Welterbestätten befinden sich in Europa und Nordamerika, während viele Regionen, u. a. Afrika und der Pazifik unterrepräsentiert sind. Gleichzeitig stellen der Klimawandel, Ressourcenmangel und institutionelle Defizite vielerorts den Schutz des Welterbes infrage.

Als zentrales Monitoring-Instrument der Welterbekonvention liefert die regelmäßige Berichterstattung wichtige Erkenntnisse zum Erhaltungszustand und Management der Welterbestätten. Sie erlaubt die Entwicklung strategischer Maßnahmen, die auf die jeweilige Region zugeschnitten sind. Aufgrund der hohen Anzahl von Welterbestätten gilt die Region Europa und Nordamerika als Trendsetter und Impulsgeber – etwa durch methodische Standards, Modellprojekte und gut etablierte Netzwerke. Die Region leistet somit einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung der Welterbekonvention und zur langfristigen Sicherung des außergewöhnlichen universellen Wertes der Welterbestätten – sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene. Die Ergebnisse der Berichterstattung flossen in einen neuen Aktionsplan für Europa und Nordamerika ein. Dieser legt klare Prioritäten für die kommenden Jahre fest, um die Umsetzung der Welterbekonvention zu stärken: Welterbe soll noch besser geschützt, stärker lokal eingebunden und als Hebel für nachhaltige Entwicklung genutzt werden. Besonders hervorgehoben wird auch die Rolle des Welterbes als Lernort – etwa in den Bereichen Bildung, Klimaschutz und kulturelle Vielfalt.

Ein weiterer zentraler Prozess war die Arbeit der sogenannten Open-ended Working Group (OEWG), die 2023 vom Welterbekomitee eingesetzt wurde und allen Vertragsstaaten der Welterbekonvention eine Teilnahme ermöglichte. Sie hat sich u. a. mit der kritischen Frage der geografischen Ungleichverteilung auf der Welterbeliste befasst. In den Sitzungen wurde insbesondere die Notwendigkeit betont, die Unterstützung für unterrepräsentierte Staaten und Regionen zu stärken, den Evaluierungsprozess zu vereinfachen und neue Finanzierungsmechanismen zu entwickeln. Das neu eingeführte Verfahren der Vorabeinschätzung (Preliminary Assessment) – eine vorgelagerte Bewertung im Rahmen des neuen zweistufigen Nominierungsprozesses – wurde als wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung und faireren Chancenverteilung hervorgehoben. Darüber hinaus hat die OEWG neue Finanzierungsmodelle und gezielte Programme zum Kapazitätsaufbau diskutiert, insbesondere für Länder mit bislang geringer Repräsentation, und entsprechende Empfehlungen formuliert.

Deutschland und die deutschen Welterbestätten haben sich aktiv in die Prozesse eingebracht. Die regelmäßige Berichterstattung war Ausgangspunkt für eine Reihe von Workshops zum Kapazitätsaufbau, die das Wissen der Welterbe-Akteurinnen und -Akteure unter anderem zu Welterbe-Attributen, Verträglichkeitsprüfungen (Heritage Impact Assessments) und effektivem Management im Sinne internationaler Standards und Richtlinien gestärkt haben. Zugleich hat die regelmäßige Berichterstattung eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Welterbestätte ermöglicht. Gemeinsam erfolgt jetzt die nationale Umsetzung des Aktionsplans. Auch im Bereich der Welterbe-Nominierungen hat Deutschland sein etabliertes Verfahren fortgeführt. In einem transparenten mehrstufigen Verfahren wurden neue Kandidaten für die deutsche Tentativliste ausgewählt, die bestehende Lücken schließen könnten. Die Auswahl basierte auf internationalen Standards, umfassenden Vergleichsstudien und der aktiven Einbindung eines unabhängigen, international besetzten Fachbeirats. Die begrenzte Anzahl neuer Kandidaten erlaubt es zugleich auch, auf künftige Entwicklungen im internationalen Kontext reagieren zu können.

Künftig gilt es – international und national –, den Fokus noch mehr auf den Schutz und die Erhaltung bereits bestehender Stätten zur richten, den Austausch mit unterrepräsentierten Ländern zu intensivieren und durch multilaterale Kooperationen zu einer gerechteren, glaubwürdigeren Welterbeliste beizutragen. Das übergeordnete Ziel bleibt: eine glaubwürdige, repräsentative und zukunftsfähige Welterbeliste, die alle Regionen und kulturellen Ausdrucksformen umfasst – und dabei ihren universellen Anspruch bewahrt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2025.