Insgesamt 196 Vertragsstaaten und 1.223 Welterbestätten kennzeichnen das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt als erfolgreichste Konvention der UNESCO. Auch wenn die in einem rollierenden System aus dem Kreis der Vertragsstaaten gewählten 21 Mitglieder des Welterbekomitees nicht immer konsequent für die Grundsätze des Übereinkommens eintreten und allzu oft politisch statt fachlich entschieden wird, hat sich seine Jahrestagung zu einer international wahrgenommenen Plattform für den Schutz und Erhalt des von Kriegen, Konflikten, Krisen und dem Klimawandel bedrohten Erbes der Welt unabhängig von Staatsgrenzen entwickelt.

Nach Inkrafttreten des Übereinkommens stieg die Zahl der eingeschriebenen Stätten rasant von zunächst sieben Welterbestätten, die in der 2. Sitzung des Komitees im Jahr 1978 eingeschrieben wurden, auf 410 im Jahr 1993. Zu den ersten Welterbestätten gehören der Yellowstone-Nationalpark in den USA als ältestes Schutzgebiet der Welt und die Pyramiden von Gizeh in Ägypten, die schon in der Antike zu den sieben Weltwundern zählten. Die Analyse nach 15 Jahren Eintragungspraxis zeigte, dass die Welterbeliste nicht nur in Bezug auf die Art der eingetragenen Güter unausgewogen war, sondern auch in Hinblick auf die geografische Verteilung. 1993 gab es 304 Kulturerbestätten, aber nur 90 Naturerbestätten und 16 gemischte Güter, wobei die überwiegende Mehrheit in entwickelten Regionen der Welt, insbesondere in Europa, lag.

Zur Steuerung dieser Entwicklung verabschiedete das Welterbekomitee 1994 die »Globale Strategie für eine repräsentative, ausgewogene und glaubwürdige Welterbeliste«. Mit ihr wird auch das Welterbeprogramm kontinuierlich fortgeschrieben, dem ein dynamisches Konzept zugrunde liegt. Ereignisse und Verluste sowie politische und gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu, dass die Bedeutung des Erbes, das für die folgenden Generationen zu bewahren ist, immer wieder neu bewertet wird.

Zu den »5 C’s« genannten Zielen der Globalen Strategie gehören die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Welterbeliste (credibility), die Erhaltung der Welterbegüter (conservation), der Aufbau von Kapazitäten (capacity-building) sowie die Förderung des öffentlichen Bewusstseins (communication) und der Beteiligung der lokalen Gemeinschaft (community). Das Welterbezentrum und die Beratungsorganisationen IUCN, ICOMOS und ICCROM begleiteten den Strategieprozess mit zahlreichen Seminarangeboten und Handreichungen, darunter Studien zu den Lücken der Welterbeliste und zum Konzept des außergewöhnlichen universellen Wertes. Die Anforderungen an Welterbe-Anträge wurden entsprechend erhöht. Nur noch 35 Anträge pro Jahr werden vom Welterbekomitee beraten. Unterrepräsentierte Staaten und Kategorien haben Vorrang.

Wenn man die absoluten Zahlen und die geografische Ausgewogenheit der Welterbeliste als einzigen Maßstab anlegt, ist die »Globale Strategie« gescheitert. Nach wie vor führen Europa und Nordamerika als eine der fünf geografischen Regionen im UNESCO-System mit 573 (46,85 %) Welterbestätten die Liste der 1.223 Welterbegüter an. Das Naturerbe ist mit nur 231 Stätten weiterhin unterrepräsentiert.

Insbesondere die europäischen Vertragsstaaten profitierten von den Vorteilen eines etablierten, gesetzlich verankerten Denkmalschutz- und Naturschutzsystems, von personellen und finanziellen Ressourcen sowie von langen Zeiten des Friedens und des wirtschaftlichen Wohlstands. Sie haben das hinter der Konvention stehende Erbekonzept maßgeblich auch dadurch prägen können, dass die drei Beratungsorganisationen IUCN, ICOMOS und ICCROM ihren Sitz in Europa haben. Der Welterbetitel ist prestigeträchtig und mit positiven Erwartungen verknüpft. Kein Wunder also, dass die europäischen Staaten von dem in der Konvention verankerten jährlichen Nominierungsrecht umfassend Gebrauch machen und jede zusätzliche Nominierungsmöglichkeit beispielsweise über internationale serielle Nominierungen nutzen.

Mit 11 internationalen seriellen Welterbestätten führt Deutschland die Liste der Länder mit den meisten grenzüberschreitenden Stätten an; das erfordert eine enge Kooperation mit 24 anderen Vertragsstaaten in der unmittelbaren Nachbarschaft, aber auch mit Nationen in Ost- und Südeuropa, Amerika und Asien. Die internationale Kooperation ist zweifellos das Herzstück der Welterbekonvention. Mittel sind immer dann ausreichend vorhanden, wenn durch internationale Zusammenarbeit der Welterbetitel erreicht werden kann und danach der Bau eines angeblich zwingend vorgeschriebenen Besucherzentrums ansteht. Die finanzielle Unterstützung für die Konservierung, Erhaltung und gezielte Vermittlung authentisch erhaltener Räume fällt allzu oft hinten runter.

Der ganzheitliche Ansatz zum Schutz des Kultur- und Naturerbes brachte früh die Erkenntnis, dass die Auswirkungen des Klimawandels und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung nicht nur eine Frage des Umwelt- und Naturschutzes, sondern auch für die Erhaltung des kulturellen Erbes und der historischen Stadtlandschaft wesentlich sind. Entsprechende Richtliniendokumente, Empfehlungen und Programme werden seit 20 Jahren entwickelt und nicht nur für das Welterbe fortgeschrieben. Auch die Rechte und die Beteiligung der indigenen Völker am Schutz, an der Erhaltung und am Management von Welterbestätten wurde als strategisches Ziel festgelegt. Seit 2017 haben sie ein von den Vertragsstaaten unabhängiges Forum während der Sitzungen des Welterbekomitees, das vom UN Voluntary Fund finanziert wird.

Die größte Herausforderung aber ist die Bedrohung und Vernichtung des Welterbes durch Krieg und Terrorismus. Die Sprengung der auf der Tentativliste Afghanistans stehenden Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal im März 2001, die Zerstörung von drei zum Welterbe gehörenden Mausoleen der Oase Timbuktu in Mali während der laufenden Sitzung des Welterbekomitees im Juni 2012, die öffentliche Enthauptung des Kurators und Archäologen von Palmyra im Jahr 2015 und die russischen Angriffe auf die Welterbestätten in der Ukraine seit Februar 2022 markieren die Spur der Verbrechen in den letzten Jahrzehnten. Mit der Verurteilung des Täters von Mali als Kriegsverbrecher im Jahr 2016 durch den Internationalen Strafgerichtshof ist eines davon inzwischen geahndet worden.

Mit dem Auftrag, die Erhaltung einzigartiger Natur- und Kulturstätten zu gewährleisten und als gemeinsames Erbe der Welt für künftige Generationen zu schützen, trägt das Welterbeprogramm zum Verfassungsauftrag der UNESCO und ihrer Friedensmission bei. Der Erfolg der Welterbekonvention beruht nicht auf der Anzahl der Welterbestätten, sondern schlicht und einfach auf der Fähigkeit, auch in Kriegs- und Krisenzeiten konsequent die namensgebenden Aufgaben zu verfolgen, auch wenn die Angreifer – wie im Fall des akut bedrohten Welterbes in der Ukraine – in den eigenen Reihen sitzen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2025.