Robert Henke im Gespräch mit Barbara Haack.

 

Barbara Haack: Wir sprechen über das Projekt CBM 8032 AV, ein Kunstprojekt. Was verbirgt sich dahinter?

Robert Henke: Das Projekt nutzt Computer, Baujahr 1980, um Musik und bewegte Grafik in einem Konzertkontext zu spielen. Es ist scheinbar ein Widerspruch: dass man mit einer so beschränkten Technologie 45 Jahre später versucht, etwas zu machen, das zeitgenössisch ist. Genau darin liegt aber für mich der Reiz. Musikalisch künstlerische Ideen sind einerseits sehr an Instrumente gekoppelt, andererseits liegt die Stärke in der Überwindung und Transzendierung dieses Instruments. Wenn ich diesen Blick auf die alten Computer und die Limitierungen dieses Instruments habe – ich betrachte den Computer in diesem Kontext als Instrument – dann entsteht etwas, das extrem befreiend sein kann. Im Grunde steckt in dieser ganzen Beschränktheit, die diese alten Geräte aufweisen, eine wunderbare Einladung zur Kreativität.

 

Wie muss ich mir das Projekt konkret vorstellen?

Es sind fünf Computer auf einem L-förmigen Tisch aufgebaut. Die Computer sind ikonische Objekte. Die Computer zeigen Richtung Publikum. Drei Computer erzeugen Klänge. Ein Computer macht die Grafik, die auf einer großen Leinwand projiziert wird. Das ist ausschließlich Grün auf schwarz, eine extrem niedrige Auflösung und sehr langsam. Und es gibt einen Computer, der alle anderen steuert. Das ist der Computer, den ich bediene. Meine Rolle während des Konzerts ist die eines Dirigenten.

 

Gibt es dazu eine Art Partitur, gibt es viele Improvisationsanteile?

Es gibt ein einen festgelegten zeitlichen Ablauf. Die Reihenfolge der Stücke ist immer die gleiche. Innerhalb der Stücke gibt es verschiedene Teile, und die Teile kann ich in der Länge verändern. Es gibt Stellen, die sich wiederholen können, mit leichten Variationen, die automatisch entstehen. Und es obliegt mir spontan zu entscheiden, wann es reicht. Das ist jeden Abend anders. Diese Freiräume habe ich, und das ist wiederum das Interessante an Kunst generell. Vieles lässt sich nicht formalisieren. Ich mache minimale Änderungen, und es hat einen maximalen emotionalen Unterschied. Es ist faszinierend, dass in der Aufführung immer Dinge passieren, die nicht vorhersehbar sind. Das ist im besten Sinne des Wortes lebendige Kunst.

 

Zu deiner Person: Du kommst aus der Musik oder aus der Technik oder aus beidem?

Ich komme familientechnisch gesehen aus einem Ingenieursumfeld, habe mich aber schon als kleines Kind für Kunst interessiert, vor allen Dingen für das 20. Jahrhundert, und fand Fragen von Form, Farbe, Klang, Rhythmik, Struktur immer interessant. Als Teenager habe ich elektronische Musik für mich entdeckt und festgestellt, dass das eine sehr interessante Schnittstelle ist zwischen Technologie und künstlerischem Ausdruck. Ich hatte dann das Glück, dass ich Anfang der 1990er Jahre in Berlin gleichzeitig in zwei sehr unterschiedlichen Welten zu Hause war. Ich war Teil der sich entwickelnden Clubkultur, gleichzeitig auch Teil der Szene um das elektronische Studio der Technischen Universität. Aus dem Spannungsfeld dieser beiden Extreme zog ich meine eigene künstlerische Kraft. Das Schicksal wollte es, dass ich um das Jahr 2000 herum eine Firma mit auf die Beine gestellt habe, die ein kommerzielles Produkt herstellt, das viele Leute zum Musikmachen benutzen.

 

Das heißt, dein Geld verdienst du im Rahmen dieser Firma?

Es ist fifty fifty. Ich halte es für sinnvoll, nicht von der Kunst leben zu müssen. Das gibt mir die Chance, Risiken einzugehen. Das Projekt mit diesen alten Computern hat einen immensen Vorlauf. Ich habe 2016 angefangen, bis 2020 intensiv daran gearbeitet, ein Jahr lang auch mit mehreren Mitarbeiterinnen. Es war nicht abzusehen, ob das sowohl inhaltlich als auch kommerziell erfolgreich sein würde. Den Luxus, so etwas machen zu können, halte ich bei einer künstlerischen Arbeit für extrem wichtig.

 

Es war dann inhaltlich ein Erfolg – war es auch ein kommerzieller?

Ich glaube, es ist inhaltlich das Beste, was ich jemals gemacht habe. Es ist sehr schlüssig, sehr wenig beliebig, sehr speziell. Es erfüllt alle Kriterien, die ich persönlich anwenden würde, wenn ich die Arbeit von anderen Leuten beurteilen sollte. Kommerziell trägt es sich. Es hat, glaube ich, meine Kosten wieder eingespielt.

 

Es gibt dieses Klischee eines Computernerds, der sich nur in seinem eigenen Technik-Universum bewegt. Wenn man als Computerkünstler erfolgreich sein will, muss man sich wahrscheinlich auch nach außen orientieren, seine Nase in andere Bereiche und künstlerische Sparten stecken. Oder gilt das Klischee vom Computernerd auch für Computerkünstler?

Ich glaube, es herrscht ein fundamentales Missverständnis in der westlichen Kultur über das Thema Kunst und über das Thema Engineering. Im Laufe meiner Karriere ist mir klar geworden, dass es, um ein gutes Produkt zu machen, egal welches, unglaublich viel Intuition und Begeisterung braucht. Und es braucht den Willen, Dinge anders zu machen, als sie vorher gemacht worden sind. Diese Attribute, die ich einem guten Ingenieur zuschreiben würde, sind exakt die gleichen Attribute, die ich auch einem guten Künstler, einer guten Künstlerin zuschreiben würde. Keine gute Kunst entsteht ohne Arbeit an Details, ohne Logik, ohne eine Exzellenz von Ausführung, ohne Planung, ohne Detailwissen, ohne Fachwissen. All diese Dinge, die man Ingenieuren und Ingenieurinnen zuschreiben würde, treffen auch auf jede einzelne erfolgreiche Künstlerin zu. Insofern sind die Parallelen viel stärker als die Widersprüche.

 

Du hast schon über die Limitierung gesprochen, die mit diesen alten Computern einhergeht. Was macht genau den Reiz aus, mit 8-Bit zu arbeiten statt mit den Möglichkeiten, die es heute gibt?

Ich bin groß geworden in einer Zeit, in der die Erzeugung von elektronischen Klängen eine Herausforderung war, in der der Kampf gegen Begrenzungen das tägliche Brot war. Mittlerweile ist das überwunden. Es gibt keine Begrenzung mehr. Und das ist so wie in manchen Märchen: Das ist ein Fluch. Was soll man denn machen, wenn alles geht! Das Schöne an diesen alten Computern ist, dass in dieser Begrenzung das Instrument dem Künstler schon Dinge nahelegt. Oder dass er sich umgekehrt genau daran reiben kann. Ich kann sagen, ich will etwas anderes. Wie kriege ich dieses andere, das eigentlich nicht geht, dann hin? Das führt zwangsläufig zu einer Abstraktion. Ich liebe Abstraktion, weil in Abstraktion Freiräume geschaffen werden für Interpretation.

 

Belohnt wurde das Ganze unter anderem dadurch, dass das Werk 2023 als beste Produktion des Internationalen Festivals für zeitgenössische Musik – Biennale Musica in Venedig ausgezeichnet wurde. Das war ein toller Erfolg.

Absolut. Ich glaube, als Künstler arbeitet man in erster Linie für sich selbst. Aber natürlich lebt man auch sehr davon, dass es eine Resonanz gibt. Wenn man so einen Preis von einer angesehenen Institution bekommt, dann fühlt sich das wie eine Bestätigung der eigenen Arbeit an, und das hilft auch in den gar nicht so seltenen Momenten von großen Zweifeln.

 

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2025.