Philipp Eckert im Gespräch mit Olaf Zimmermann.

 

Olaf Zimmermann: Philipp, du bist einer der großen Organisatoren des Demobereiches.

Philipp Eckert: Zumindest in Deutschland. Seit zehn Jahren organisieren wir die Deadline hier in Berlin.

 

Was ist die Deadline?

Die Deadline ist ein Computerkunstfestival oder auch Demoparty genannt. So eine Demoparty kann man sich ein bisschen vorstellen wie eine LAN-Party: viele Leute in einer dunklen Halle, die ihre Rechner mitbringen und zusammenschließen. Mit dem Unterschied, dass es bei der Demoparty nicht um Computerspielen geht, sondern um einen kreativen Umgang mit dem Computer. Die Leute machen Grafiken, sie machen Musik oder Animationen. Die werden dann direkt präsentiert in verschiedenen Wettbewerben, in verschiedenen Kategorien. Das ist ein bisschen wie bei einem Hackercamp, wo Leute hinkommen, vorher nichts vorbereitet haben, sich dort inspirieren lassen und das dann präsentieren. Aber viele Sachen werden auch lange im Vorfeld produziert. Demo steht für Demonstration, da geht es um ein ausführbares Programm, das in Echtzeit audiovisuelle Inhalte anzeigt, wie ein Musikvideo. Oft sind es nicht Einzelpersonen, die dann daran arbeiten, sondern Gruppen. Oft arbeiten sie schon monatelang daran. Der eine macht den Code, der andere die Grafik, ein weiterer die Musik. Die ganze Szene ist hauptsächlich in Europa aktiv, und teilweise arbeiten Leute aus verschiedenen Ländern in einer Gruppe zusammen. Auf der Demoparty treffen sie sich dann in Präsenz. Es gibt auch Seminare oder es geht einfach darum, Spaß zu haben, sich die Wettbewerbe anzuschauen oder auch abends zu tanzen.

 

Du bist kein Demo Künstler im engeren Sinne, sondern eher ein Kurator, der Sachen zusammenstellt, der die Plattformen organisiert. Wie würdest du deine Rolle beschreiben?

Richtig, ich bin selbst nicht sehr aktiv im Sinne eines kreativen Outputs in den Wettbewerben. Kleinere Sachen habe ich aber auch schon programmiert und in Wettbewerbe eingereicht. Aber ich bin nicht der beste Programmierer. Meine Rolle in der Demoszene ist hauptsächlich organisatorischer Natur. Ich bin auf die Szene um etwas 2002 aufmerksam geworden. Da war ich selbst noch ein Teenager. Die Szene ist ein wenig verschlossen, nicht im Mainstream. Es gibt Verbindungen zur Hacker- und Cracker-Szene. Darüber habe ich das entdeckt. Bei vielen Spielen, die man als Teenager auf dem Schulhof getauscht hat, gab es zum Start ein Intro oder ein sogenanntes Cracktro mit Musik und Grafiken. Das fand ich faszinierend, manchmal faszinierender als das Spiel an sich. Dann habe ich entdeckt, dass es eine ganze Szene gibt, eine ganze Subkultur, die sich nur damit beschäftigt, diese Computerkunst zu machen. 2005 war ich auf meine ersten Demoparty, das hat mich total umgehauen. Das war eine Riesenhalle mit 1.000 Leuten, vier Tage lang Nonstop Programm mit vielen Wettbewerben, auf vielen Plattformen, in verschiedenen Kategorien – ganz viele Nerds auf einem Haufen. So wie ich einer bin.

 

Wie und wann finden solche Partys statt?

Die Demoszene ist ein bisschen wie eine große Familie. Man kennt sich und trifft sich auf den Demopartys. Alle ein oder zwei Wochen findet irgendwo in Europa eine statt. In Deutschland gibt es vier oder fünf größere Demopartys, die jährlich stattfinden. Die größte ist Ostern in Saarbrücken, die Revision. Die zweitgrößte in Deutschland ist die Evoke in Köln. In Berlin ist dann die drittgrößte.

 

Wie ist da die Größenordnung?

Wir hatten im letzten Jahr ungefähr 250 Besucher auf der Deadline hier in Berlin. Auf der Evoke sind es ungefähr 500 bis 600 Leute und in Saarbrücken um die 1.000.

 

Ihr habt auch einen Verein gegründet, was ja bei so viel Individualisten, wie man sie in der Demoszene sieht, nicht unbedingt auf der Hand liegt. Für mich sind die Leute oft nur dadurch zu erkennen, dass trotz der ganzen Individualität alle ein T-Shirt anhaben, auf das irgendetwas drauf gedruckt ist. Dann gründet ihr den Computerkunst e. V. Warum?

Die Sache mit den T-Shirts ist eine gute Beobachtung, ebenso, dass die Leute sehr individualistisch sind. Den Computerkunst e. V. haben wir 2022 gegründet. Zum einen als rechtliches Vehikel, um die Deadline zu veranstalten: Der Verein kann als Veranstalter auftreten, was die Kommunikation um einiges vereinfacht, auch das Sponsoren Handling. Zum anderen ist unser Vereinsziel, die Demoszene zu fördern und mehr Leuten bekannt zu machen, weil sie auch ein bisschen unter Nachwuchsproblemen leidet. Es gibt zwar immer neue Leute, die dazukommen, aber es dürften gerne noch mehr sein.

 

Wie ist die Demoszene aus deiner Sicht in der Kulturwelt verortet? Oder ist sie gar nicht verortet?

Ich würde nicht sagen, dass sie großartig in der Kulturwelt verortet ist. Neben dem Computerkunst e. V. hier in Berlin gibt es noch zwei weitere Demoszene-Vereine in Deutschland, der Digitale Kultur e. V. in Köln, der Träger der Veranstaltung in Köln ist. Dann gibt es noch den Tastatur und Maus e. V., der hinter der Revision steht. Wir sind halt die Computernerds. Ab und zu kommt auf eine Party wie die Revision oder die Evoke dann auch mal so ein lokales Fernsehteam.

 

Wenn du einen Blick in die Zukunft werfen würdest: Wie wird sich die Demoszene entwickelt haben? Gibt es eine Öffnung? Wird dieser Sprung in neue Generationen gelingen? Und es ist ja ein sehr männerlastiger Bereich. Das heißt also, es müssen nicht nur die Jungen, sondern es müssen Frauen, am besten junge Frauen gefunden werden.

Ich erlebe in den letzten 20 Jahren, dass die Demoszene offener wird, auch diverser. Vor 20 Jahren hat man noch deutlich weniger Frauen auf Demopartys gesehen als heute. Und auch die Szene öffnet sich, ist weniger elitär, als sie früher mal war. Genau das würde ich mir auch für die nächsten zehn Jahre erhoffen: dass es noch offener und diverser wird.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2025.