Auch im Kino wurde der Kulturpass durch die 18-Jährigen vielfach genutzt. Christine Berg spricht über die Erfahrungen in diesem Bereich.

 

Barbara Haack: Wie sind die Erfahrungen mit dem Kulturpass in der Kinobranche?

Christine Berg: Ich nenne Ihnen erst einmal die Fakten: Im Jahr 2023 wurden nach dem Start des Kulturpasses im Sommer bereits 250.000 Tickets eingelöst, was einen Umsatz von 2,9 Millionen Euro ausmachte. Im Jahr 2024 stieg dieser Betrag auf mehr als 7,8 Millionen Euro. Das waren circa 650.000 Tickets. Bis dato wurden seit Einführung des Kulturpasses rund 11 Millionen Euro an den Kinokassen umgesetzt. Diese Zahlen sprechen für sich und zeigen, dass es sich für das Kino gelohnt hat.

 

Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie viel mehr Jugendliche durch den Kulturpass ins Kino gegangen sind?

Das ist leider eine Schwachstelle: Wir haben keine Evaluation. Ich kann nicht sagen, ob das Jugendliche sind, die sowieso ins Kino gegangen wären. Für eine Evaluation müsste der Kulturpass länger laufen. Wir haben uns natürlich gefragt: Was wollen die Jugendlichen sehen? Im Jahr 2024 stand an erster Stelle »Alles steht Kopf 2«, ein Family Entertainment-Film. Danach kommt »Deadpool & Wolverine«. Danach kommt schon, und das hätte ich nie gedacht, ein Liebesfilm, »Wo die Lüge hinfällt«. 2023 hatten wir als allererstes »Die Tribute von Panem«, also Fantasy. An Platz zwei, auch erstaunlich, stand »Oppenheimer«, ein Film, der nicht einfach war. Erst an Platz drei kam dann »Barbie«.

 

Ist nicht das Kino ein Kulturangebot, das Jugendliche – im Gegensatz z. B. zum Theater oder vielleicht auch zum Bücherlesen – auch ohne einen Kulturpass nutzen?

Dadurch, dass wir Filme haben, die Jugendliche direkt ansprechen, haben es wir leichter als zum Beispiel Oper oder Theater. Trotzdem müssen auch wir sehen, dass wir die Jugendlichen für das Kino begeistern. Die erste Stufe ist, dass wir die Menschen locken, gerade Jugendliche, indem wir ein Angebot z. B. mit Blockbustern haben. Spannend wird dann die Frage, wie die Entwicklung des oder der Jugendlichen ist. Hat er oder sie irgendwann auch mal Lust, sich »Systemsprenger« anzugucken, also einen Film, der nicht so leicht anzuschauen ist? Je länger wir es schaffen, die Menschen an uns zu binden, umso eher haben wir die Möglichkeit, dass dann irgendwann jemand sagt: »Jetzt habe ich mal Lust auf einen ganz anderen Film.«

Wir können noch so sehr wollen, dass Jugendliche irgendetwas Besonderes sehen wollen, von dem wir glauben, dass es kulturell wertvoller ist als anderes. Aber wenn die Jugendlichen das nicht wollen, macht es keinen Sinn, sie dahin zu treiben. Dann treiben wir sie eher weg. Also ist es doch viel wichtiger, dass wir sie mit Filmen locken, die für sie interessant sind, und es dann schaffen, dass sie dranbleiben.

Wir sind Kultur für alle, deshalb hilft uns der Kulturpass. Bei uns im Kino spielt die soziale Herkunft keine Rolle. Ob in Hemd oder Jogginghose – für uns ist es wichtig, dass jeder die Möglichkeit hat, Film zu konsumieren.

 

Sie sehen den Kulturpass also auch als Anstoß für junge Menschen, ins Kino zu gehen und dann auch dranzubleiben – was sie vielleicht sonst nicht getan hätten?

Ja, absolut. Es ist ja erstaunlich, wie gut sich das Kino hält, obwohl es schon mehrmals totgesagt wurde. Aber wir haben natürlich eine starke Konkurrenz, weil die Jugendlichen heute so viele Freizeitangebote haben. Kino ist nur eins davon. Also müssen wir immer sehen, wie wir es schaffen, dass wir etwas anbieten, das uns hervorstechen lässt. Das ist uns mit dem Kulturpass ganz gut gelungen. Wir würden uns sehr wünschen, dass er weitergeführt wird.

 

Er ist bereits gekürzt worden. Es waren zunächst 200, jetzt sind es 100 Euro. Ist das für Sie so ein großer Unterschied?

Es spielt gar nicht so eine große Rolle. Auch 100 Euro sind viel Geld. Wir können damit leben.

Ist der Kulturpass aus Ihrer Sicht auch eine indirekte Strukturförderung für das Genre Kino?

Auf jeden Fall. Das ist eine neue Art der Förderung. Wir sind es eigentlich gewohnt, dass wir Geld für die Modernisierung oder für Programme bekommen, also Geld, das wir in die Hand nehmen und entscheiden, was wir damit tun. Jetzt gibt es den Umweg über den Konsumenten. Das finde ich spannend.

 

Wie einfach oder kompliziert ist das Verfahren – für die Anbieter und die Jugendlichen?

Die größte Schwierigkeit für die Jugendlichen ist tatsächlich die ID-Zertifizierung: ein ganz großer Stolperstein. Das haben ganz viele nicht hinbekommen. Selbst für Jugendliche – und das hätte ich nicht gedacht –war dieser Weg schwierig. Für die Kinos war es relativ einfach.

Was gefehlt hat: Es hätte mehr dafür geworben werden müssen. Man hätte sich noch mehr überlegen müssen, wie man an die Schulen herankommt und welche anderen Möglichkeiten der Werbung es gibt. Da müsste man, wenn es weitergeht, stärker ran.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2025.