Vor-Ort-Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen, die uns alle betreffen, spielen eine zunehmend große Rolle. Das gilt auch und gerade dort, wo die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt: in Dörfern oder kleinen Städten. Vielerorts gibt es bereits gute Beispiele dafür, die Menschen wieder miteinander ins Gespräch bringen und Gelegenheiten schaffen, damit sie gemeinsam anpacken. Das Programm Aller.Land will deutschlandweit weitere Beispiele beisteuern.
In vielen Dörfern und kleinen Städten wird aktuell deutlich, dass es den Erfindergeist und das Engagement von Aktiven und Initiativen dringend und dauerhaft braucht. Regionale und konkrete Lösungen werden dort immer nötiger, wo bereits Leerstellen in den Strukturen entstanden sind. Durch schwindende Vereine: Wenn der Posaunenchor nicht mehr da ist, der es bislang geschafft hat, dass der Großvater und die Enkelin jede Woche zusammenkamen. Durch schwindende Orte: Wenn das Bürgerhaus, in dem sich die Jugend- und Seniorengruppen treffen, seine Angebote einstellt und damit im Alltag der Menschen an Bedeutung verliert. Durch schwindende Gemeinschaftsmomente: Wenn das Dorffest nicht mehr vom halben Dorf zusammen auf die Beine gestellt wird.
Was kann diese Lücken schließen? Für ein gelingendes und demokratisches Miteinander sind Orte zentral, damit sich Menschen begegnen, und Gelegenheiten, damit sie mitwirken können. Diese gilt es zu erhalten, zu entwickeln und für die Zukunft fit zu machen. Denn Demokratie braucht Begegnung und den Austausch im Alltag.
Hier setzt das Förderprogramm Aller.Land an. Es verbindet Kultur untrennbar mit Beteiligung. Denn Kultur kann Orte und Gelegenheiten schaffen, Menschen zum Selbermachen einladen und damit das Miteinander stärken. Genau das bleibt eine wichtige Zukunftsaufgabe von Kultur.
Und Aller.Land trägt diesen Ansatz in die Breite, genauer gesagt in ein Drittel der Landkreise in Deutschland. 97 Regionen sammeln seit einem Jahr Erfahrungen in Kulturprojekten, die Menschen zum Mitwirken und Selbermachen einladen. In der ersten Förderphase erhalten sie 40.000 Euro, um Vorschläge zu entwickeln und Ideen zu erproben. Ab 2025 geht Aller.Land in 30 Landkreisen in die Umsetzung der Projektideen, das ist jeder zehnte Landkreis in Deutschland. Insgesamt stellt der Bund für das Programm 70 Millionen Euro zur Verfügung.
Was entsteht dabei? Zwei Beispiele aus zwei Regionen: In einer Region in der Mitte Deutschlands sind Aktive aus Kulturvereinen gemeinsam mit Vertretenden der Gemeinde und einem Bildungsträger in ein leeres ehemaliges Kaufhaus mitten in der Fußgängerzone gegangen. Viele folgen der Einladung, die Räume mit ihren Ideen zu füllen. Mit Pizza und Graffiti, Ideenpartys, Workshops, Filmabenden sind die Läden wieder voll – und zwar mit Jungen und Älteren. Weiter östlich geht es in einer Region auch um das »Selbermachen«. Zuerst werden die Menschen in einem Dorf gefragt, welche Orte für das Dorfleben wichtig sind: der Spielplatz, der Dorfplatz, das Vereinsheim. Dann wird gemeinsam angepackt, ein Ort in Eigenregie wieder hergestellt, für die Gemeinschaft nutzbar gemacht und mit Leben gefüllt: mit Festen, Spielebanden, als Jugendwerkstatt oder Konzertfläche.
Solche Beispiele gibt es in ganz Deutschland. Einzelne Projekte – auch wenn es viele sind – werden aber nicht ausreichen, um in der Breite die beschriebenen Leerstellen wieder positiv zu füllen. Gerade weil sie vereinzelt und unverbunden sind. Und auch, weil viele nur projekthaft gefördert werden und oft nicht langfristig bestehen können. Aller.Land reagiert auf diese Situation und fördert daher nicht nur Projekte, sondern stärkt konkrete Strukturen – auch in Kommunen.
Eine Besonderheit des Programms ist die bereichsübergreifende Zusammenarbeit, wie sie schon länger gefordert wird. Im Bund sind drei Ministerien – die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Bundesministerium für Inneres und Heimat – sowie die Bundeszentrale für politische Bildung ein Bündnis eingegangen. In den 13 Flächenländern arbeiten auf Initiative von Aller.Land immer mindestens zwei Ministerien zusammen: Kultur und Landwirtschaft. Und in den Landkreisen bilden sich ungewöhnliche Allianzen aus Zivilgesellschaft, den Kommunen, Kulturaktiven, Institutionen und Initiativen. Ungewöhnlich deshalb, weil diese Zusammenarbeit an vielen Orten nicht eingeübt ist und es noch wenig Erfahrungen beim Thema Beteiligung gibt.
Beteiligung muss deshalb an vielen Orten anders und neu gedacht werden. Die Erfahrungen nach einem Jahr zeigen, dass es nicht nur einzelne Angebote braucht, die eine Mitwirkung verschiedener Menschen ermöglichen. Vielmehr braucht es länger laufende Mitwirkungsprozesse, in denen interessierte Menschen die Inhalte immer wieder aufs Neue aushandeln und die verlässliche Rahmenbedingungen benötigen.
Genau dafür bietet Aller.Land mehr Zeit und fördert bis 2030. Sechs Jahre sind unüblich, aber unbedingt notwendig, will man Strukturen wieder stark machen. So können vor Ort Kompetenzen für Beteiligung und bereichsübergreifende Zusammenarbeit entwickelt und verankert werden.
Bereits nach einem Jahr sind in vielen der 97 Regionen Allianzen aus Zivilgesellschaft und Kommunen entstanden, die sich zudem bereits deutschlandweit austauschen. Denn was es in Zukunft auch mehr braucht, um in der Breite zu wirken: Gute Ideen sollen besser von einer Region zur nächsten kopiert werden können. Auch dafür sind nun sechs Jahre Zeit in Aller.Land.