Buxtehude Museum am zentralen Platz der alten kleinen Hansestadt vor den Toren Hamburgs. Ein großes Schaufenster lenkt den Blick der Passanten und Touristen in das historische, modernisierte Gebäude. Im Foyer lädt ein Bistro zum Verweilen. Und lockt manche auch zum Besuch der Ausstellungen zur Stadtgeschichte. Dort warten auf sie neben den Exponaten, Ausgrabungen und Schrifttafeln Videoschirme, auf denen sie die unterschiedlichen Epochen antippen und dazu jeweils Karten, Bilder, Filme und Beschreibungen sehen können. Und Gegenstände und historische Dokumente, die sie selbst in die Hand nehmen dürfen: lokale Geschichte zum Anfassen. Das alles luftig, hell und nicht so überladen, wie man es früher in solchen Ausstellungen kannte.

Das Museum, hervorgegangen aus dem früheren Heimatmuseum nebenan, wurde erst vor einigen Jahren mit großem Aufwand komplett saniert, erweitert und neugestaltet. »Wir wollen nicht in erster Linie Wissen vermitteln, sondern neugierig machen«, beschreibt die Leiterin Susanne Keller das Konzept des zehnköpfigen Teams. Dazu gehört, das Haus nicht nur als »Wohlfühlort« zu formen, sondern es wie andere Museen auch für neue, vor allem jüngere Besuchergruppen zu öffnen, zum Beispiel für Schulklassen, die selbst Ausstellungen gestalten können, oder Kita-Gruppen unter dem Motto »Mein erster Museumsbesuch«. »Das funktioniert ganz gut«, sagt Keller, »viele der Kinder kommen wieder und bringen ihre Familien mit.«

Für solche Projekte müssen sie und ihr Team allerdings jeweils Sponsoren gewinnen. Die Gelder der Stadt, des Landkreises und des Heimatvereins geben es nicht her. Und gerade bei letzterem gibt es auch Vorbehalte gegen neue Vermittlungsformen. Die Besucherzahlen sprechen jedoch dafür: Sie haben sich deutlich erhöht, haben allerdings ebenso wie in anderen Museen noch nicht wieder ganz den Stand vor Corona erreicht. Auch bei den Eintrittspreisen machen die Museumsmacherinnen klare Erfahrungen: »Wenn wir bei besonderen Anlässen freien Eintritt geben, kommen deutlich mehr und andere Besucher, die sich sonst nicht trauen. Wenn wir unsere moderaten Preise erhöhen würden, wie es einige im Kulturausschuss wollen, kommen weniger.« Dabei machen die Eintrittsgelder ohnehin weniger als 20 Prozent der Einnahmen aus, der Rest kommt aus der Kulturförderung und aus Drittmitteln. Manche Museen etwa in der Schweiz verlangen deshalb überhaupt keinen Eintritt mehr, andere bieten freien Eintritt am Sonntag oder an bestimmten Abenden.

Den freien Sonntag will der Berliner Senat im Zuge der starken Sparmaßnahmen im Kulturbereich jedoch streichen. Sylvia Willkomm, Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes, hält solche Kürzungen für demokratiegefährdend. »Museen sind Orte, an denen Menschen die ganze Vielfalt erleben könnten, sie sind Bildungseinrichtungen.« Freier oder verbilligter Eintritt seien dafür zwar kein Allheilmittel, aber ein Türöffner. »Entscheidend ist ein verändertes, attraktives Angebot, damit die Besucher, die damit angelockt werden, wiederkommen.« Dafür müsse die Kulturförderung erhöht werden. Denn die Gelder reichten oft nur, um die Bestände zu erhalten und zu bewahren. Notwendig seien partizipativere Formen durch Befragungen und Monitoring, um Besucher besser anzusprechen und sie schon bei der Konzeption der Ausstellungen einzubeziehen. Noch zu oft seien diese zu komplex und zu akademisch. Viele schrecke das ab. Wünschenswert seien zudem vermehrt Audioführer in einfacher Sprache und Sitzgelegenheiten für ältere Besucher und solche mit körperlichem Handicap. »Wir wollen für alle das beste Besuchserlebnis ermöglichen«, sagt Willkomm.

Unter dem Slogan »Museum macht stark« gibt es auch das bundesweite Programm des Deutschen Museumsbundes, das sich speziell an Jugendliche aus benachteiligten Schichten richtet. Die Jugendliche sollen zu »Experten« gemacht werden, die anderen von ihrem Besuch erzählen und sie animieren, auch mal in ein Museum zu gehen – für viele von ihnen eine fremde Welt. »Das alles muss dauerhaft finanziert werden«, fordert Willkomm.

Eine aktuelle Studie, die der Museumsbund und andere Museumsverbände in Auftrag gegeben hatten, ergab, dass Museen immer noch ein hohes Ansehen genießen. Ein Drittel der Befragten gab an, mindestens einmal im Jahr in ein Museum zu gehen. Hauptmotiv: spannende Inhalte und Lust, etwas Neues, Schönes zu erleben. 75 Prozent halten Museen für einladende Orte, nur ein Viertel denkt, dass sie einer Elite vorbehalten seien. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegen die Werte allerdings zum Teil deutlich darunter. So sagten fast zwei Drittel der Befragten unter 35 Jahren, dass sie eine Liveaufführung oder ein Livekonzert einem Museumsbesuch vorziehen. Bei den 35- bis 49-Jährigen sind es knapp 60 Prozent. An sie und auch Ältere, die seit der Pandemie nicht mehr so gerne ausgehen, richten die Museen deshalb verstärkt digitale Angebote im Internet, mit denen sich Teile der Ausstellungen oder besondere Schauen virtuell besuchen lassen.

Alle Museen in Deutschland zusammen zählten 2024 mehr als 100 Millionen Besucher, 24 Prozent mehr als im Jahr zuvor und weit mehr als die meisten anderen Kultureinrichtungen, wenn auch noch knapp unter dem Rekord von 2019 vor der Pandemie. Allerdings gab es auch 20 Prozent weniger Ausstellungen – eine Folge der knappen Mittel. Und ein gutes Viertel der Befragten gab in der Studie an, nie oder fast nie in ein Museum zu gehen. Es gibt also noch eine Menge Menschen, die es zu erreichen gilt.

Birgit Mandel, Professorin für Kulturvermittlung und -management an der Uni Hildesheim, hält das für dringend notwendig. Sie beobachtet seit etwa 15 Jahren einen Paradigmenwechsel auch in den Museen: weg von einer wohlmeinenden Vermittlung von Hochkultur von oben nach unten hin zu einer kulturellen Demokratie, weil die Gesellschaft vielfältiger geworden sei. Von den Museumsleitungen werde das kaum noch infrage gestellt. »Es geht in die richtige Richtung, aber es ist noch viel zu tun«, sagt Mandel. In der Praxis gebe es immer noch viele Hindernisse, vor allem bei den Kuratorinnen und Kuratoren, meist Kunsthistorikerinnen oder Fachwissenschaftler mit entsprechender Perspektive. »Sie fürchten Qualitätseinbußen. Viele Ausstellungen schließen deshalb weiterhin Menschen aus, die nicht über einen bestimmten Bildungs- und Kulturfundus verfügen.« Daher sei hier die Kulturpolitik gefragt. »In einer Gesellschaft, die so divers ist und unter multiplen Krisen leidet, ist Kulturförderung auf Dauer nur zu legitimieren, wenn sie einen breiten Zugang ermöglicht«, sagt Mandel. Die Vermittlung dürfe nicht ans Ende gesetzt werden, wenn eine Ausstellung schon fertig sei, sondern müsse von Anfang an mitgedacht werden.

Mandel könnte sich feste Vorgaben für die Teilhabe unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen wie in England und anderen Ländern vorstellen, wo die Höhe der Kulturförderung davon abhängig gemacht wird. »Noch ist die Einstellung zu Museen trotz teils fehlender Teilhabe sehr positiv. Bei der nachfolgenden Generation ist das nicht mehr so.«

Auch die Kulturmittlerin Antje Lielich-Wolf vom Institut »kunstunddialog« in Berlin sieht aus ihren Erfahrungen in der Weiterbildung an Museen noch viele Widerstände, vor allem bei den Kuratoren. Ein Museumsbesuch müsse heute mit einem Erlebnis verbunden sein. Es gebe da eine starke Konsumhaltung. Statt klassischer Führungen müsse eigenes Denken und Fühlen gefördert werden. »Vermittlung läuft heute nicht mehr von oben nach unten, sondern umgekehrt.« Jede Zielgruppe benötige ihre eigene Ansprache. »VR-Brillen, mit denen einige Museen experimentieren, reichen dafür nicht. Es braucht einen richtigen Dialog«, sagt Lielich-Wolf. In der Ausbildung würden die Mitarbeitenden darin jedoch kaum geschult. »Ich sage ihnen deshalb immer: Lernen Sie von Ihren Besuchern! Sonst wandern die in private Ausstellungen ab, die heute schon solche multimedialen Erlebnisse bieten.«

Allerdings: 40 Prozent der Führungskräfte in den Museen geht in den nächsten drei Jahren in den Ruhestand. Dieser Generationswechsel, verbunden mit einer stärkeren Diversität in den Leitungen, dürfte wie in dem Museum in Buxtehude neue Ansätze befördern.

Ganz andere Probleme hat das Jüdische Museum in Frankfurt. Auch dort gibt es neben Audioguides und Führungen in leichter und Gebärdensprache eine Literaturhandlung, einen Deli und eine Bücherei im Eingangsbereich. Die Besucher müssen jedoch wie bei vielen jüdischen Einrichtungen durch eine Sicherheitsschleuse, für Veranstaltungen müssen sie sich anmelden. Nach dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 und den folgenden antisemitischen Ausschreitungen auch in Deutschland wurden die Sicherheitsmaßnahmen noch einmal verschärft. »Das setzt unserer Offenheit leider Grenzen«, sagt Sprecherin Rivka Kibel.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2025.