Seit zwei Jahren gibt es den Kulturpass für 18-jährige Jugendliche. Diese durften im ersten Jahr 200 Euro, im zweiten Jahr 100 Euro für Angebote im Kulturbereich ausgeben. Die bisherige Bilanz liest sich als Erfolgsgeschichte: Knapp drei Millionen individuelle Nutzungen, knapp 40 Millionen Umsatz. Im Pilotjahr beteiligten sich 40 Prozent aller 18-Jährigen, wobei der Buchhandel auf Platz Eins der Anbieter bei Umsatz und Absatz steht. Christiane Schulz-Rother spricht über die Erfahrungen des Buchhandels.

 

Barbara Haack: Wie sind Ihre Erfahrungen bzw. die Erfahrungen der Branche mit dem Kulturpass?

Christiane Schulz-Rother: Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Der Erfolg im Buchhandel verdankt sich auch dem Einsatz der Buchhändlerinnen und Buchhändler bei der Bewerbung und Vermittlung des Kulturpasses, dem Engagement vieler Verlage und Branchenakteure und dem sich parallel entwickelnden BookTok-Hype. Ungefähr 80 Prozent aller Buchhandlungen beteiligen sich. Wir haben richtig Spaß daran. Es kommen fast nur junge Leute, die wir noch nie vorher gesehen haben. Sie bestellen auch Bücher, von denen man das gar nicht gedacht hätte. Natürlich bestellen sie viel »new romance« und Manga; das war zu erwarten. Aber sie bestellen auch anderes.

Schul- und Fachbücher als Warengruppe sind nicht im Angebot für den Pass. Aber einige bestellen sich etwas für ihr Studium oder als Berufsbegleitung. Das finde ich völlig in Ordnung.

 

Haben Sie Ihr Sortiment angesichts der neuen Klientel verändert oder erweitert?

Wir verkaufen normalerweise kein »new adult« oder »new romance« und haben unser Sortiment auch nicht ausgeweitet. In Berlin gibt es die großen Buchhandlungen oder Buchhandelsketten, die in dem Bereich führend sind. Aber ich weiß von vielen Buchhandlungen in kleineren Orten, die dort Marktführer sind, dass sie ihre Abteilungen ausgebaut haben.

 

Ist der Kulturpass für die Jugendlichen ein Anreiz wiederzukommen und weitere Bücher zu kaufen?

Die Jugendlichen haben oft eine gewisse Schwellenangst vor dem Buchhandel. Zum Glück dürfen sie nicht online bestellen. Also kommen sie rein, und dann gibt es auch Folgeaufträge für die Buchhandlungen. Da es sehr viele Jugendliche sind, gehen wir davon aus, dass ein großer Prozentsatz dabeibleibt. Sie lesen danach dann auch etwas anderes als »new romance« oder Mangas; deshalb werden gerade die Klassiker wieder gefragt.

 

Gibt es Zahlen, die belegen, dass durch den Kulturpass tatsächlich mehr Umsatz im Buchbereich gemacht wurde?

Das ist ganz sicher. Und dieser zusätzliche Umsatz ist nicht nur bei den großen Buchhandlungen gelandet, sondern auch bei uns kleineren.

 

Sehen Sie beispielsweise Konzertveranstalter als Konkurrenz?

Ein bisschen schon. Unter 60 Euro bekommt man kaum noch eine Konzertkarte. In den größeren Städten wird mehr Geld auch für Konzerte oder Kinos ausgegeben. In den kleineren Städten ist der Kulturpass-Umsatz im Buchhandel eher noch höher.

 

Es ist also eine Win-Win-Situation: für die Jugendlichen Teilhabe, und für den Buchhandel auch ein wirtschaftlicher Anstoß.

Genau, wir haben ja sonst nicht viel. Wir haben die Buchpreisbindung und den verminderten Mehrwertsteuersatz. Aber sonst gibt es für uns keine Förderung. Wir sind Wirtschaftsunternehmen, aber wir betreiben auch Kulturarbeit – mit Leseförderung, Welttag des Buches, Lesungen in Schulen und so weiter. Das ist etwas, das wir nicht bezahlt bekommen, das aber gerade angesichts von Personalknappheit ein zusätzlicher Aufwand ist. Deshalb freuen wir uns, dass unser Engagement auf diesem Weg honoriert wird.

 

Gibt es aus Ihrer Sicht Wünsche oder Verbesserungsbedarf?

Ich wünsche mir mehr Werbung. Und wenn es ein Wunschkonzert wäre, würde ich bei 100 Euro für die 18-Jährigen bleiben und mit weiteren 100 Euro in die Gruppe der 17-Jährigen gehen. Dann kommt man an die Jugendlichen auch über die Schulen noch besser ran. Es wäre sicher sinnvoll, dass noch ein bisschen Geld in diese App investiert wird, damit sie reibungsloser funktioniert. Außerdem wünschen wir uns Planungssicherheit. Zu Anfang haben wir überall plakatiert und es auf unsere Homepage gesetzt. Aber das machen wir im Moment nicht, weil wir gar nicht wissen, wie es weitergeht.

 

Wie sehen Sie die Zukunft des Kulturpasses?

Es wäre sehr schade, wenn es plötzlich einen Stopp gäbe. So etwas braucht Zeit, es muss sich herumsprechen. Es wäre schade, wenn etwas abrupt gestoppt würde, was gerade im Aufbau ist und gut läuft.

Es gibt Vorbilder in Frankreich und Italien. Dort ist das Programm sehr erfolgreich und wird auch fortgeführt Ich finde, dass auch Deutschland das weiterführen muss. Wir sind immer noch eine Kulturnation. Und die Vermittlung von Kultur, der Anreiz zum Lesen trägt auch zur Demokratiebildung bei. So etwas wie den Kulturpass kann man nicht einfach fallenlassen, gerade in der heutigen Zeit nicht.

 

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2025.