Der Wunsch, Neues zu entdecken, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und gemeinsam etwas zu erleben, bleibt ein Leben lang bestehen. Im Alter gewinnt gerade die kulturelle Teilhabe an Bedeutung, da sie nicht nur die persönliche Entwicklung fördert, sondern auch Einsamkeit vorbeugen kann. In einer alternden Gesellschaft müssen daher neue Wege gefunden werden, um Seniorinnen und Senioren den Zugang zu Kunst und Kultur zu erleichtern. Dabei geht es nicht nur um den Besuch von kulturellen Angeboten. Es geht auch darum, sich selbst künstlerisch und kulturell zu betätigen, sei es in Bastel- und Handarbeitskreisen, in Chören, Orchester- und Tanzgruppen, in Malateliers oder in Schreibwerkstätten.
Kulturelle Angebote ermöglichen es, das Gewohnte zu verlassen und mit anderen ins Gespräch zu kommen. Sie stärken die Gemeinschaft und bringen Impulse in die lokale Bildungs- und Kulturlandschaft. Initiativen funktionieren besonders gut, wenn sie in Zusammenarbeit mit Kommunen, Kultureinrichtungen und sozialen Trägern organisiert werden.
Ein Beispiel ist das Käte-Tresenreuter-Haus in Berlin. In diesem Stadtteilzentrum, einem Begegnungsort für täglich rund 70 ältere Menschen, finden zahlreiche kulturelle Aktivitäten statt, die oft von den älteren Menschen selbst organisiert werden. Mehr als die Hälfte der dortigen Interessensgruppen widmet sich künstlerischen und kulturellen Mitmachangeboten. Für viele Menschen im Kiez sind diese niedrigschwelligen Angebote ein wichtiges strukturgebendes Element in der Woche. Nicht selten sind sie auch der Beginn einer längerfristigen ehrenamtlichen Tätigkeit im Haus.
Viele innovative Projekte zeigen, wie Kultur zur Brücke zwischen den Generationen werden kann. Das Hamburger Projekt »KULTURISTENHOCH2« bringt ältere Menschen mit Schülern zusammen, die gemeinsam Theateraufführungen oder Konzerte besuchen. Ähnliche Initiativen gibt es auch in anderen Städten.
Für Menschen mit Demenz kann Kunst ein wichtiger Türöffner sein. Im Bundesprogramm »Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz« gibt es zahlreiche kreative Ansätze: von Museumsführungen bis hin zu VR-Erlebnissen, die Erinnerungen wachrufen. Chöre wie die »Möllner Goldkehlen« integrieren Menschen mit und ohne Demenz und zeigen, wie Kultur soziale Teilhabe ermöglicht.
Auch Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner profitieren davon, wenn es kulturelle Angebote gibt. Das »Theater Demenzionen« beispielsweise bringt frühere Lebenswelten durch Inszenierungen zurück. Museen, Musikschulen und Theater kooperieren zunehmend mit Pflegeeinrichtungen, um kulturelle Aktivitäten zugänglich zu machen. Sinnliches Erleben und Spaß am kreativen Gestalten fördern innerhalb der Einrichtungen nicht nur Kommunikation und soziale Kontakte, sondern fördern Lebensfreude und ermöglichen neue Ausdruckswege. 2019 zeichnete die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) mit dem GERAS-Preis Institutionen aus, die durch solche Kooperationen herausragende Arbeit leisten.
Viele Kulturangebote für ältere Menschen wären ohne ehrenamtliches Engagement nicht möglich. Von den rund 20.500 Kulturfördervereinen in Deutschland sind 90 Prozent ehrenamtlich organisiert, und 40 Prozent der Engagierten sind über 65 Jahre alt. Sie arbeiten in Bibliotheken, organisieren Lesungen oder leiten Kulturprojekte. Untersuchungen zeigen, dass gerade ältere Menschen ein großes Interesse daran haben, sich in diesem Bereich zu engagieren.
In der BAGSO haben sich rund 120 Organisationen zusammengeschlossen, um die Interessen der älteren Generationen zu vertreten und sich gemeinsam für ein aktives, selbstbestimmtes und möglichst gesundes Älterwerden in sozialer Sicherheit einzusetzen. Eines der Ziele ist die Förderung von Teilhabe und Inklusion in allen Lebensbereichen. Bereits 2009 forderten BAGSO und der Deutsche Kulturrat in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass der Zugang zu Kultur für alle Generationen gewährleistet sein muss. Doch vielerorts wird gerade in diesem Bereich gespart. Besonders für ältere Menschen mit geringem Einkommen, Migrationsgeschichte oder Mobilitätseinschränkungen bedarf es neuer Konzepte, um sie einzubeziehen. Darauf hat zuletzt auch der im Januar veröffentlichte Neunte Altersbericht hingewiesen.
Das Alter und das Älterwerden verändern sich. Kaum ein Bereich eignet sich so hervorragend wie Kunst und Kultur, um ein differenziertes Bild vom Altern zu schaffen und neue Wege der Teilhabe auszuprobieren. Barrierefreiheit, diverse Angebote und alternative Mobilitätskonzepte sind entscheidend, um kulturelle Teilhabe für alle zu ermöglichen.
Vor allem aber braucht es Mut, neue Wege zu beschreiten. Das Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im Alter und inklusive Kultur (kubia) in NRW bietet beispielsweise Beratung, Weiterbildung und Forschung in diesem Feld an. Auch die Kulturgeragogik liefert als Fachdisziplin viele wertvolle Impulse für die Seniorenarbeit.
Die Zusammenarbeit zwischen Kulturinstitutionen, Seniorenorganisationen, Schulen und Begegnungszentren kann dabei helfen, innovative Lösungen zu entwickeln. Denn Kultur im Alter ist mehr als nur Unterhaltung – sie ist ein wesentlicher Bestandteil eines guten Lebens.