Mecklenburg-Vorpommern (MV) ist durch seine ländlichen Räume gekennzeichnet. 60 Prozent der rund 1,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner leben auf dem Land. Gerade einmal fünf Städte haben mehr als 50.000 Einwohner. Das bedeutet, dass das kulturelle Leben zu einem großen Teil in dünn besiedelten Gebieten mit weiten Wegen stattfindet. Für diejenigen, die mit künstlerischer oder kultureller Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen, heißt das auch, dass zumeist keine großen Einnahmen erwirtschaftet werden können.
Gleichzeitig ist MV eines der beliebtesten Urlaubsgebiete in Deutschland. Allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres kamen mehr als 6,5 Millionen Gäste und buchten über 27 Millionen Übernachtungen. Wer die touristischen Hotspots an der Ostseeküste auf Rügen und Usedom oder an der mecklenburgischen Seenplatte besucht, findet ein umfangreiches Angebot an Galerien, kleinen Theatern, Konzerten, Kunstwerkstätten, Museen und Ausstellungen. Nicht nur die einzigartige Natur, sondern auch die vielen Gäste und damit ein größeres Publikum ziehen Künstlerinnen und Künstler in diese Orte.
Aber MV besteht eben nicht nur aus Ostsee und Seenplatte. Dort, wo während der Saison nicht der Tourismus für ein großes Publikum sorgt, haben es Kulturschaffende deutlich schwerer. Es ist die Aufgabe von Kulturpolitik in einem dünn besiedelten Flächenland mit einem im Bundesvergleich hohen Durchschnittsalter der Bevölkerung, Kultur in ländlichen Räumen zu erhalten und zu stärken. Eines muss dabei klar sein: Kultur ist keine große Spaßveranstaltung. Kultur ist ein essenzieller Bestandteil unserer Gesellschaft, der Demokratie und des menschlichen Zusammenlebens. Menschen leben gerne an Orten, die sich durch ein lebendiges Kulturleben auszeichnen. Sie engagieren sich für die Kultur vor der eigenen Haustür. Sie drohen dort zu vereinsamen, wo es keine Kultur gibt. Wo Kultur nicht die Räume für einen offenen Austausch und das Zusammentreffen von Menschen eröffnet, hat es auch die Demokratie schwer. In MV engagieren sich etwa 150.000 Menschen ehrenamtlich für die Kultur. Das ist ein Zehntel der Bevölkerung. Diese Zahl zeigt deutlich, wie sehr die Kultur auf bürgerschaftliches Engagement und das Ehrenamt angewiesen ist. Deshalb begingen wir einen dramatischen Fehler, wenn wir Kultur nur als großes Subventionsobjekt ansehen würden. Dieser kulturpolitische Ansatz würde zu kontraproduktivem Handeln führen. Natürlich ist die finanzielle Unterstützung für Kulturschaffende und ihre Projekte wichtig. Aber sie allein kann nicht für eine lebendige Kulturlandschaft sorgen. Vielmehr müssen Strukturen gestärkt, Netzwerke geschaffen und kulturelle Infrastrukturen gebildet werden.
In MV gibt es zahlreiche Beispiele dafür, was in den vergangenen Jahren geschaffen wurde. Sie alle zu nennen, würde den Rahmen sprengen, doch sind einige von so großem Erfolg geprägt, dass sie hier erwähnt werden müssen.
So sorgen neben dem schon vor einigen Jahren gegründeten ServiceCenter Kultur zur Fördermittelberatung inzwischen sieben Fachstellen, zum Beispiel für Bibliotheken oder Teilhabe, und die Vernetzungsstelle Kultur Land M-V für Vermittlung, Beratung und Fortbildung.
Neben den Fördermitteln und spezifischen Förderprogrammen sind die mit Landesmitteln geförderten Fach- und Beratungsstellen im Land ein bedeutender Unterstützungsfaktor. Und mit dem ServiceCenter Kultur gibt es eine kompetente Beratungsstelle, die über verschiedene Wege ansprechbar und landesweit aktiv ist. Regelmäßige Beratungstouren durch ganz Mecklenburg-Vorpommern führen dazu, dass das Angebot auch außerhalb der Zentren genutzt werden kann.
Das ServiceCenter Kultur hat auch den »digitalen Förderfinder« aufgebaut, der den Kunst- und Kulturschaffenden in Mecklenburg-Vorpommern Zugang zu mehr als 120 Förderprogrammen bietet, die von Fördermittelgebern aus dem Land, anderen Bundesländern und dem Bund bereitgestellt werden.
Auf das Bundesprogramm »TRAFO«, für das von 2015 bis 2024 insgesamt Fördermittel in Höhe von 26,6 Millionen Euro zur Verfügung standen, folgt nun das Programm »Aller.Land«, das von 2025 bis 2030 rund 30 Regionen in den Flächenländern Deutschlands unterstützen soll. Auch aus MV haben sich fünf Regionen beworben. Im Juli 2025 soll das Programm starten. Pro Region stehen über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt bis zu 1,5 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung. Es ist ein gutes und wichtiges Signal, dass sich SPD und CDU/CSU in ihren Koalitionsverhandlungen in Berlin eindeutig und unmissverständlich für die Fortführung von »Aller.Land« ausgesprochen haben.
Wer sich die Zeit nimmt und die Region Uecker-Randow besucht, wird feststellen, dass es schon einer kreativen Explosion gleicht, was dort in den vergangenen Jahren entstanden ist. Die Arbeit des über »TRAFO« ins Leben gerufenen Kulturlandbüros ist ein Beispiel dafür, wie es sowohl durch kulturelle Angebote als auch durch Vernetzung und Beratung unterschiedlicher Akteure gelingen kann, die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu steigern und die Verbundenheit mit der Heimat zu stärken. Wenn die Freiwillige Feuerwehr, der Bauernverband und die Künstlerinnen und Künstler zusammen etwas auf die Beine stellen, blüht das Dorfleben. Nach Ende des Förderprogramms sind nun die Akteure vor Ort – das heißt der beteiligten Kommunen und des Landkreises – dabei, finanzielle Möglichkeiten zu schaffen, um die wichtige Arbeit des Kulturlandbüros auch zukünftig zu ermöglichen. Denn der gesellschaftliche Nutzen für die Region ist unschätzbar.
Die Landesregierung in MV wird auch in den kommenden Jahren diese Netzwerkstrukturen weiter stärken. Es ist weiter unser Ziel, Strukturen in den ländlichen Räumen untereinander und mit den Zentren zu vernetzen, die kulturellen Akteure entsprechend dem Bedarf vor Ort professionell zu beraten, Kooperationen und kulturelle Angebote flexibel zu unterstützen.
Wir fördern unsere Kulturvermittlerinnen und -vermittler, die über unseren Netzwerkpartner Kulturland in die ländlichen Räume gehen, dort beraten und bei Projekten zur kulturellen Bildung unterstützen können. Darüber hinaus hat das Land ein niedrigschwelliges und unbürokratisches Förderinstrument geschaffen: den Bürgerfonds Kultur. Lokale Projekte und kleine Initiativen können hier Fördermittel für Kulturaktivitäten beantragen – zwischen 3.000 und 15.000 Euro. Damit werden zahlreiche Kulturerlebnisse vor Ort ermöglicht – vom Folktanz-Fest im südlichen Vorpommern bis zur besseren Ausstattung der Hanse-Bibliothek in Demmin.
Wenn wir Kultur in ländlichen Räumen stärken und damit auch für ein breiteres kulturelles Angebot abseits der Metropolen sorgen, hat das mehrere positive Effekte: Die Region wird gerade für junge Menschen attraktiver. Der Überalterung ganzer Landstriche wird so entgegengewirkt. Demokratische Teilhabe und damit auch die Demokratie werden gestärkt. Kulturelle »Raumpioniere« verbessern durch viel Engagement und Partizipation nicht nur die eigene Lebensqualität, sondern tragen zu einem sozialen Mehrwert für das Gemeinwohl bei. In funktionierenden Gemeinschaften mit einem hohen ehrenamtlichen Engagement sind die Menschen weniger gefährdet, extremistischen Vorstellungen zu folgen.
Die Landesregierung von MV wird weiterhin die Kultur in ländlichen Räumen stärken. Kultur ist dabei nicht in erster Linie Vermarktungsgegenstand, sondern zuvorderst ein Entwicklungsmotor. Wir setzen dabei auf ein integriertes Entwicklungskonzept für ländliche Räume, das sowohl gemeinnützige als auch gewerbliche Kultur als zu förderndes – und dann zu nutzendes – Potenzial erkennt. Die Umsetzung eines solchen Konzeptes erfordert ressortübergreifendes Handeln bei Kommunen, Land und Bund. Nur gemeinsam können Institutionen geschaffen werden, die ein verlässlicher Partner und Berater vor Ort sind. Einem flexiblen Ehrenamt müssen der entsprechende Raum und die notwendige Förderung gegeben werden. Und nicht zuletzt muss eine Willkommenskultur vorhanden sein, mit Ansiedlungsmöglichkeiten und wirtschaftlichen Chancen für impulsgebende Künstler und Künstlerinnen, Kulturakteure und Kreative.