Über die Hälfte der deutschen Bevölkerung lebt in ländlichen Räumen und doch fristet die Bedeutung von Kulturinrichtungen jenseits urbaner Zentren in politischen Debatten und in der Wahrnehmung als bedeutende (Zukunfts-)Orte allzu oft ein Schattendasein. Gerade hier jedoch ist Kultur weit mehr als bloße Freizeitgestaltung. Sie ist identitätsstiftend, stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt, trägt maßgeblich zur Attraktivität ganzer Regionen bei und zahlt signifikant auf die Lebensqualität ein.

Von starken Kulturorten in ländlichen Räumen profitieren nicht nur diejenigen, die aktiv am Kulturgeschehen teilnehmen, sondern Gemeinden und Regionen in ihrer Gesamtheit und nicht zuletzt demokratische Strukturen. Trotz dieser vielfältigen Potenziale haften Kulturorten in ländlichen Räumen nach wie vor veraltete Stereotype an. Häufig werden sie als sekundäre Kulturstätten betrachtet, als Angebote der »Kategorie B« im Vergleich zur vermeintlich überlegenen urbanen Hochkultur. Und ja, natürlich gibt es Unterschiede im Hinblick auf Quantität, Strukturen und Ressourcen. Qualität jedoch sollte in ländlichen wie urbanen Räumen gleichermaßen Maßstab sein.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) mit seiner Kulturabteilung versteht sich hier als Impulsgeber, Netzwerker und Sprachrohr für die Kultur in der Fläche. Die folgenden Beispiele zeigen, welches Potenzial Museen im ländlichen Raum entfalten können, wenn sie konsequent als Orte der Begegnung, des Lernens und der Identifikation gedacht werden.

Das LWL-Landesmuseum Kloster Dalheim verbindet historischen Charme mit zeitgemäßer Vermittlung und gilt mit jährlich über 75.000 Besuchenden als kultureller Leuchtturm in der Region. Die kluge Verknüpfung von Ausstellung, reizvollem Außengelände und publikumswirksamen Formaten wie dem Musikfestival »Dalheimer Sommer« oder dem »Dalheimer Klostermarkt« fördert eine nachhaltige Besuchendenbindung und macht das Museum zum touristischen Ankerpunkt der Region. Diese positive Wirkung wird jedoch durch strukturelle Herausforderungen begrenzt. Mangelhafte ÖPNV-Anbindungen, eine unzureichende touristische Infrastruktur im näheren Umfeld, fehlendes Laufpublikum und die nach wie vor niedrigen Erwartungen an innovative Kulturangebote in ländlichen Räumen erschweren die Arbeit erheblich.

Ähnlich zukunftsweisend agiert das Center for Literature (CfL) auf Burg Hülshoff in Havixbeck. Als literarischer Think Tank mit starker überregionaler Strahlkraft zeigt das CfL, wie ländliche Orte durch kluge und innovative Kooperationen, thematische Profilierung, gezielten urbanen Input und strategische Bündnisse über die eigene Region hinauswirken können und zugleich kulturelle Anlaufstelle für diese sind.

Im LWL-Freilichtmuseum Detmold entsteht gerade mit zukunftsweisenden Technologien als Modellprojekt für nachhaltiges Bauen ein neues Eingangs- und Ausstellungsgebäude, das in der gesamten Musemslandschaft und somit auch in der Region spürbare Impulse setzen wird. Der Weg dorthin war lang und erforderte erhebliches kulturpolitisches Überzeugungsgeschick, da die Umsetzung eines innovativen Leuchtturmprojekts abseits urbaner Räume nicht immer auf ungeteilte Zustimmung traf. Auch in diesem Fall mussten viele Vorannahmen entkräftet werden. Der lange Atem hat sich aber gelohnt.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass es starker Netzwerke, mutiger Konzepte und eines klaren politischen Willens bedarf, um den ländlichen Raum als gleichwertigen Kulturraum zu begreifen. Der Blick in die vielfältige Museumslandschaft Westfalen-Lippes – mit etwa 650 Museen und Gedenkstätten – offenbart zugleich die multiplen Herausforderungen, denen insbesondere kleine und mittelgroße Häuser ausgesetzt sind. Die jüngste Museumsbefragung des LWL-Museumsamtes zeigt deutlich, dass im Tagesgeschäft, das zum Großteil durch ehrenamtliche Strukturen getragen wird, kaum Raum für strategische Entwicklung bleibt. Notwendige Themen wie Personal- und Organisationsentwicklung, Digitalisierung und die Auseinandersetzung mit demografischen Veränderungen finden aus Ressourcengründen wenig Beachtung. Wir müssen Kulturorte im ländlichen Raum viel stärker in den Blick nehmen und bei diesen Herausforderungen unterstützen. Kooperationen zwischen Stadt und Land, spartenübergreifende Netzwerke und interkommunale Allianzen sind dabei Schlüssel zum Erfolg. In diesem Kontext versteht sich das LWL-Museumsamt als Partner und Förderer, der gezielt neue Förder- und Entwicklungsmöglichkeiten für Museen in ländlichen und postindustriellen Räumen aufzeigt. Ein aktuell initiiertes Pilotprojekt soll vor allem in Krisenzeiten zur Stärkung der Relevanz dieser Museen beitragen und institutionenübergreifende Zusammenarbeit fördern. Kulturpolitik muss für solche Entwicklungen offen sein und die Weichen stellen: Kultur in ländlichen Räumen benötigt Sichtbarkeit, Verlässlichkeit und vor allem den politischen Willen, diese Kulturorte als Orte der Zukunft gleichwertig zu fördern. Mit unseren Museen und dem LWL-Museumsamt zeigen wir, dass es sich lohnt, innovative Konzepte auch jenseits urbaner Zentren zu realisieren, selbstbewusst auf Qualität und Leuchtkraft zu setzen und dies auch kulturpolitisch einzufordern.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2025.