Kunst und Kirche auf dem Land: Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Denn in jeder noch so kleinen Dorfkirche, und sei sie noch so schlicht, gibt es künstlerische Gestaltungen: Kirchenfenster, Altarbilder, Orgelprospekte, Brüstungsmalereien, Taufengel, Vasa Sacra, Totenkronen, um nur einige zu nennen.

Zeitgenössische Kunst ist dagegen seltener anzutreffen – und ist doch auf dem Vormarsch: Nicht nur, weil es kunstsinnige Pfarrerinnen und Pfarrer gibt, die in Künstlerinnen und Künstlern gleichgesinnte Partner und kritische Gegenüber sehen. Angesichts sinkender Kirchenmitgliederzahlen wird auch über alternative Nutzungen von Kirchengebäuden nachgedacht – und dabei werden Kirchen als Kunsträume in den Blick genommen. Darüber hinaus werden landauf landab Dorfkirchen saniert und mit fast jeder staatlich geförderten Sanierungsmaßnahme verbindet sich die Frage nach »Kunst am Bau«.

 

Kunst am Bau

Hier entsteht Bleibendes: Zeitgenössische Interpretationen des Kirchenraums, die – in der Regel nach von der Landeskirche begleiteten Wettbewerbsverfahren – der Raumausstattung etwas hinzufügen. Im vergangenen Jahr z. B. in Pritzwalk in der Prignitz, wo die Leipziger Künstlerin Dana Meyer ein neues Südfenster gestaltete. Die Gemeinde hatte sich dafür entschieden, ein nach Kriegszerstörung zugemauertes Fenster zum Markt der Stadt hin wieder zu öffnen – und dabei künstlerisch an die Zerstörungsgeschichte der Kirche und der Stadt zu erinnern. Ebenfalls in der Prignitz, in Bad Wilsnack, hatte schon vor einigen Jahren die Berliner Künstlerin Leiko Ikemura die Fenster der Sakristei und der »Wunderblutkapelle« der ehemaligen Wallfahrtskirche gestaltet und damit dem vorreformatorischen Hostienwunder von Bad Wilsnack ein künstlerisches Denkmal gesetzt. Auch Altäre entstehen neu: Etwa in Altkünkendorf am Rande des Weltnaturerbes Grumsiner Buchenwald, wo die Münchner Künstlerin Sabine Straub unter dem Leitwort »Die Schöpfung bewahren« einen die eiszeitliche Schichtung der Gegend aufnehmenden Altar aus Stampflehm schuf.

 

Kunst auf Zeit

Zugleich werden Kirchen temporär als Kunsträume genutzt. Bereits wenige Jahre nach dem Mauerfall begann der Kunstverein »Kirche am Weg e. V.« unter dem ehemaligen Leiter des Berliner Kunstdienstes der Evangelischen Kirche Heinz Hoffmann im Brandenburgischen Dannenwalde zwischen Gransee und Fürstenberg seine Arbeit: Wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler im Kirchenraum – seit einem Jahr unter der Leitung von Albrecht Henkys, ehemaliger Kurator des Berliner Stadtmuseums. Nicht weit entfernt in Wandlitz veranstaltet der Restaurator Thomas Schubert alle drei Jahre eine Skulpturenausstellung rund um die Dorfkirche von Wandlitz – im Sommer beginnt die neue Saison. Die Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Landeskirche, veranstaltet alle zwei Jahre an wechselnden Orten in Brandenburg Kunst-Residenzen: Über zwei Monate leben, forschen und arbeiten junge Künstlerinnen und Künstler in einer Kirchengemeinde und präsentieren ein künstlerisches Projekt im Rahmen von Themenjahren: »Diesseits von Eden. Künstlerische Erkundungen in Brandenburger Pfarrgärten« in Altfriedland, Saxdorf und Grüntal oder »Wanderer zwischen den Welten. Künstlerische Erkundungen im Einwanderungsland Brandenburg« in Dissen, Groß Ziethen und Kloster Lehnin – künstlerische Forschungsprojekte, die nicht als Fremdkörper einfliegen, sondern im Dialog mit den lokalen Verhältnissen entstehen.

 

Kunst auf Dauer

Wie nachhaltig sich künstlerische Projekte auf dem Land mit der kirchlichen Arbeit verbinden, hängt wie überall an engagierten Personen, denen der Dialog von zeitgenössischer Kunst und Kirche etwas bedeutet. Wenn Kunst auf Dauer eine Rolle spielen soll, braucht es über die Personen hinaus Strukturen: Meist sind es Vereine, die parallel zu den kirchlichen Organisationsformen existieren, was die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern vereinfachen, aber auch zu Konflikten mit den kirchlichen Strukturen führen kann.

Unlängst hat der Berliner Superintendent Johannes Krug im Berliner Tagesspiegel eine kooperativere Kirche vorgeschlagen, eine, die sich stärker als bisher in ihren Leitungsstrukturen mit anderen Bereichen kirchlicher Arbeit – etwa Diakonie und Schule – verzahnt: Gemeinde, Diakonie und Schule müssen im Sinne des einen »Leib Christi« zusammengedacht und auch in den Leitungsstrukturen abgebildet werden. Dieser Impuls ließe sich mit Blick auf ein gelingendes Verhältnis von Kunst und Kirche weiterdenken, indem auch Künstlerinnen und Künstler in kirchlichen Leitungsgremien mitgedacht werden.

Das entspräche auch der Stoßrichtung des sogenannten »Kirchenmanifestes« – jene vor allem von Denkmalschützerinnen und Denkmalschützern ausgehende Initiative, Kirchengebäude in zivilgesellschaftlicher Verantwortung zu denken, um sie – angesichts sinkender Kirchenmitgliederzahlen – als identitätsstiftende Orte mithilfe einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz zu erhalten und zu beleben. Eine solche Allianz würde als künstlerisch-kirchliche Allianz auch der Kunst in Kirchen zugutekommen. Kirchen auf dem Land könnten in dieser Hinsicht Vorreiterinnen werden.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2025.