Michael Heckert, geboren 1950, studierte nach einer Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Nach verschiedenen Stationen u. a. in Braunschweig, Köln, Berlin und Haiti lebt er heute in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern.
Barbara Haack: Sie haben nicht immer auf dem Land gelebt und gearbeitet, sondern auch in verschiedenen großen Städten – teilweise außerhalb Deutschlands. Sie sind darüber hinaus viel gereist. Jetzt leben Sie in einem kleinen Ort auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern. Ist das für Sie ein Rückzugsort? Was hat Sie dorthin verschlagen?
Michael Heckert: Ich bin tatsächlich herumgekommen in der Welt. Ich habe in größeren Städten gelebt, in Braunschweig, Berlin, Köln: dort, wo häufig die Kunst zu Hause ist. Der Grund, warum ich in dieses spärlich besiedelte Land gezogen bin: Ein Haus in Berlin war nicht zu realisieren. So haben sich die Suchkreise immer weiter vergrößert, bis wir dieses Haus in der Nähe von Greifswald gefunden haben. Das hat nichts mit der Kunst zu tun.
Jetzt arbeiten Sie auf dem Land. Sie haben dort ein Atelier?
Ja, ein Atelier am Rande der Welt. Gleich hinter meinem Zaun beginnt ein riesiger Acker mit Landwirtschaft. Es ist ein sehr kleines Dorf mit 150 Einwohnern.
Hat diese ländliche Umgebung Einfluss auf Ihr künstlerisches Schaffen?
Nein, das hat damit nichts zu tun. Was hier gut tut, ist die absolute Ruhe. Bis sie einen nervt und man sich nach der Kommunikation mit anderen Künstlern sehnt.
Gibt es Vorteile, als bildender Künstler auf dem Land zu arbeiten? Sie haben schon von der Ruhe gesprochen.
Es ist nicht unbedingt ein Vorteil gegenüber einer pulsierenden Großstadt. Ich lebe gerne in Städten. Von Bedeutung ist hier mein relativ großes Atelier, das ich früher nicht hatte. Man wird im Alter auch ruhiger. Aber die Motivation zu malen bleibt immer lebendig. Die wirkt an jedem Ort. Ich habe zum Beispiel in Haiti gelebt und dort gab es nur ganz kleine Atelierbereiche. Das ging auch. Dort hat mich die Umgebung allerdings inspiriert.
Mehr als der ländliche Raum in Mecklenburg-Vorpommern?
Ja, ganz recht. In Haiti gab es blauen Himmel, grüne Palmen – und das jeden Tag. Das war einfach wunderbar. Ich habe dort zehn Jahre gelebt, das war für meine Kunst sehr befruchtend. In Mecklenburg-Vorpommern ist es auch außerhalb von Rappenhagen, dem Ort, in dem ich lebe, sehr ruhig. Es gibt viele kleine Dörfer mit verlassenen Höfen oder Häusern. Die Besiedlung ist dünn. Was ich mir wünschte, wäre mehr Kommunikation mit kunstinteressierten Menschen.
Das klingt nach mehr Nach- als Vorteilen. Was fehlt Ihnen noch als Künstler auf dem Land?
Ich war nie ein Vereinsmensch oder ein Freund von Künstlercliquen. Aber ich merke, dass mir der Austausch intellektueller Art über Kunst fehlt. Das hat mich bewogen, hier in einen Kunstverein einzutreten. Da habe ich einen gewissen Austausch. In einen Verband wie den BBK (Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler) einzutreten, hat mir widerstrebt. Die künstlerische Auseinandersetzung nur im Kreis der Künstler war mir immer zu wenig. Das war auch immer mit persönlichem Streit verbunden.
Wie ist es mit der Möglichkeit, Bilder zu verkaufen, wenn Sie in der Einsamkeit leben und arbeiten?
Das ist ein heikles Thema. Ich lebe seit 2018 hier und hatte einige interessierte Menschen zu Besuch, die auch von weiter her gekommen sind, die Bilder kaufen wollten, dann aber doch nichts gekauft haben. Es ist eine merkwürdige Unverbindlichkeit im Verhalten dieser Menschen zu spüren. Generell ist hier der Käuferstamm extrem dünn.
Stellen Sie in der Gegend, in der Sie jetzt leben, auch aus?
Es gibt hier Aktionen in Mecklenburg-Vorpommern mit sogenannten offenen Ateliers. Da habe ich ein paar Mal mitgemacht. Es kommen immer viele Besucher, und man schaut sich meine Kunst an. Des Weiteren hat es hier Bemühungen gegeben, meine Kunst in der Marienkirche auszustellen. Da hat man mich dann aber doch nicht haben wollen. In einer sehr renommierten Galerie sagte man mir: Wir stellen Sie aus, Sie haben einen eigenen Stil, das ist ganz wunderbar.
Meinen Sie, dass Sie mit Ihrer Art zu malen in dieser ländlichen Region weniger Fuß fassen, als es Ihnen in größeren Städten gelungen ist? Sie waren in diesen Städten sehr erfolgreich.
Ich habe manchmal den Verdacht, dass mein Thema, das Weibliche und wie ich es darstelle, doch zu gewagt ist für manche Menschen hier. Gleichwohl gibt es hier durchaus Bewunderer meiner Kunst.
Sie leben in einem Ort mit 150 Einwohnern. Sind Sie dort integriert oder eher ein Exot?
Zu den offenen Ateliers kamen viele Nachbarn, man war freundlich und nett. Ich habe aber doch gespürt, dass dort eher Freundlichkeit herrscht und nicht unbedingt Wissen.
Wir haben hier in jedem Dorf einen Künstler. Es gibt verstreut auch kleinere Galerien. Aber da passieren die üblichen Ausstellungen. Was ich hier an Kunst sehe, das sind Landschaftsbilder und Seestücke.
Das hört sich so an, als wäre der ländliche Raum insgesamt kein besonders fruchtbares Pflaster für Sie als bildender Künstler.
Ja, das ist richtig. Meine Hochzeiten waren in den Städten, wo es eine Ansammlung von Kunstinteressierten und wo es auch Kapital gibt.
Sehen Sie trotzdem Möglichkeiten, dort zu leben und an anderen Orten auszustellen? Oder sind Sie durch den Umzug »ganz weg vom Fenster«?
Nein, da wird in diesem Jahr auch noch etwas passieren. Ich habe eine Galeristin in Süddeutschland. In den Zeiten der heutigen Medien ist es nicht mehr so, dass man hier einsam in seinem Atelier leben muss.
Vielen Dank.