Am 25. Juli 2024 soll die Filmadaption des Theaterstücks »Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen« von Peter Weiss in den Kinos starten. Regisseur RP Kahl hat sich des bedrückenden Stoffes über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse angenommen, weil das Stück für ihn viel mit heute zu tun hat: »Mit Opportunismus, mit totalitären Systemen, mit Humanismus, der verloren geht, und auch mit Menschlichkeit.«

60 Schauspielerinnen und Schauspieler erwecken den Text von Peter Weiss zu filmischem Leben, wobei jeder der elf Gesänge mit einem visuellen Konzept in nur einer Einstellung von insgesamt acht Kameras eingefangen wird. Das künstlerische Projekt will Kino, Theater und neueste Broadcast-Techniken verbinden, um einen zeitgemäßen Beitrag zur Erinnerungskultur zu leisten.

Einer der 60 Akteurinnen und Akteure ist der Schauspieler Axel Pape. Er sagt: »Die Konzentration und die Komposition dieser Zeugenaussagen und der Reaktionen der Angeklagten, sprich der Fakten, entfalten eine unglaubliche Wucht. Wir erfahren, was Menschen in einem Schreckensregime getan und wie sie sich danach verhalten haben. Das ist ein unschätzbarer Beitrag, heutige Verhältnisse zu verstehen.«

Ratlos ist Pape allerdings darüber, warum es dieser Film nicht ins Programm der diesjährigen Berlinale geschafft hat. »Von der filmischen Qualität und vom cineastischen Anspruch her erfüllt dieser Film wahrscheinlich dreimal die Kriterien, die zur Aufnahme ins Programm qualifizieren. Man hat eine historische Chance liegen lassen, diesen Film, diesen Blick auf das Thema auf diesem Festival in dieser Zeit an diesem Ort zu zeigen, wo zum Beispiel am 20. Januar 1942 die Wannseekonferenz stattfand – eine geheime Besprechung von Vertretern der Reichsregierung mit dem Ziel, die Deportation und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung zu koordinieren.«

Wie brisant und tagesaktuell die Themen Rechtsruck und Rechtsradikalismus sind, zeigt auch die Aufregung darüber, dass AfD-Abgeordnete zur Eröffnung geladen waren und die Berlinale-Leitung sich schwertat, hier Haltung zu zeigen. Erst die öffentliche Diskussion und die kritischen Stimmen vieler Berlinale-Künstlerinnen und -Künstler bewirkten, dass die Einladungen zurückgezogen wurden.

Aktuell gastiert Axel Pape an verschiedenen Bühnen bundesweit, unter anderem mit dem Schauspiel »Empfänger Unbekannt«, für das es zuletzt vor ausverkauften Häusern stehende Ovationen gab, sowie den inszenierten Lesungen »Brecht – Die Ausnahme und die Regel« und »Dostojewski – Verbrechen und Strafe«, Letzteres mit dem Schauspieler Niklas Kohrt, mit dem Pape am Schauspiel Köln spielte.

Papes Gesicht kennen jedoch vor allem diejenigen, die lineares Fernsehen schauen. Er spielte in zahlreichen TV-Formaten wie »Lutter«, »Die Chefin«, der SOKO-Reihe »Letzte Spur Berlin«, »Die Stunde der Offiziere«, dem Mehrteiler »Preis der Freiheit«, dem »Zürich-Krimi« und anderen. Der München-Tatort »Unklare Lage« war 2021 für den Grimme-Preis nominiert.

Es liegt auf der Hand, der Schauspieler Axel Pape ist interessiert an den großen Menschheitsfragen Gerechtigkeit, was ist gut, und was ist böse, richtig oder falsch? Und wie es dazu kommt, dass unsere Gesellschaft längst nicht mehr nur schleichend, sondern galoppierend vom Gift des Antisemitismus, der Fremdenfeindlichkeit, des Nationalismus und Faschismus infiziert wird. Jetzt könnte man, was den Schauspieler Pape angeht, die Schublade »politisch engagierter Künstler« aufziehen. Doch das wäre zu einfach. Schauen wir ein bisschen hinter die Kulissen: Pape, 1956 in Düsseldorf geboren, begann seine Karriere am Jugendtheater des Nationaltheaters Mannheim. Dort lernte er auch Rainer Appel kennen, mit dem er jetzt mit Kressmann Taylors Briefdrama »Empfänger Unbekannt« auf Tournee geht. Erst relativ spät, mit Ende Zwanzig, fand Pape zu TV und Film. Rückblickend sagt er: »Das war eine organische Entwicklung: Beim Theater fängt man in der Regel an. Nach einiger Zeit kam der Wunsch, einmal vor der Kamera zu arbeiten, zu sehen, ob das taugt, ob das vielleicht schrecklich aussieht oder sich furchtbar anhört. Das weiß man alles nicht.«

Axel Pape hatte das Glück, zu einem Casting für eine Polizeiserie eingeladen zu werden. Dort gehörte ihm erneut das Glück: Pape hatte am entscheidenden Tag Grippe und wollte es daher möglichst schnell hinter sich bringen. Jeder der Bewerber sollte in eine Polizeiuniform schlüpfen, doch die Jacke war zu groß, die Mütze zu klein. »Ich dachte, als Clown kann ich da nicht rausgehen, und ließ das dann weg. Und weil ich – wie gesagt – schnell fertig werden wollte, habe ich das wohl sehr zackig gemacht, jedenfalls irgendwie anders. Unter den Entscheidungsträgern waren auch ein paar Polizeiberater, vom SEK, die das ganze Projekt später begleitet haben, und einer von denen sagte, ›So wie der das gespielt hat, genauso sind die Kripo-Leute.‹«

So bekam Pape seine erste Fernsehhauptrolle, die Rolle des Kripokommissars Theo Severing in der legendären Fernsehserie »Die Wache«. Inzwischen hat Pape bei über 50 Film- und Fernsehproduktion mitgewirkt. Ob Serie oder Spielfilm, wie ein roter Faden zieht sich der politische und kulturelle Bezug durch seine Arbeiten. »Bei dem, was um uns herum momentan vorgeht, ist es ja geradezu ein Glück, wenn man mit seiner Arbeit etwas Sinnvolles im kulturellen Kontext dazu beitragen kann.«

Hier wäre insbesondere die Kinoproduktion »Wir sind jung. Wir sind stark.« von Burhan Qurbani zu erwähnen, die 2015 für den Deutschen Filmpreis nominiert war. Pape spielt hier einen lokalen Politiker, der mitverantwortlich war für die Entscheidungen rund um die rassistischen Ausschreitungen um eine Unterkunft vietnamesischer Vertragsarbeiter in Rostock-Lichtenhagen.

Von 2014 bis 2018 war Axel Pape Gast am Schauspiel Köln und arbeitete mit den Regisseuren Rafael Sanchez, designierter Leiter des Schauspielhauses Zürich, und Stefan Bachmann, zukünftiger Intendant des Wiener Burgtheaters. In der Spielzeit 2020/21 übernahm er die Rolle des Kapitän Gustav Schröder in »Die Reise der Verlorenen« von Daniel Kehlmann. Von 2021 bis 2022 war er in der deutschen Uraufführung »Die Liebe Geld« von Daniel Glattauer im Theater im Bayerischen Hof München zu sehen. Neben seiner Tätigkeit als Film- und Theaterschauspieler realisiert Axel Pape unter dem Namen „axel pape gastspiele“ auch eigene Produktionen für die Bühne (siehe oben). Im Vordergrund steht dabei die Umsetzung gesellschaftlich relevanter Themen, ohne Hoffnung und Humor aus den Augen zu verlieren.

»Baer und Pape lesen Fassbinders Lola« war auf dem Literaturfest Niedersachsen und zum Jubiläum der Biberacher Filmfestspiele eingeladen. 2022 drehte Pape für die NDR-Serie »Retoure«, 2023 fanden die Dreharbeiten für die bereits erwähnte Kinoproduktion »Die Ermittlung« statt, Kinostart ist im Juli dieses Jahres.

Ein ausgefüllter Terminkalender eines gefragten Darstellers. Doch wie hatte alles begonnen mit der Schauspielerei? Wann hatte Axel Pape sich dafür entschieden, diesen Beruf zu ergreifen? »Was soll ich sagen?« Axel Pape ist unschlüssig. »Wahrscheinlich ist es schlicht eine Liebe zur Materie. Mir fiel erst später auf, dass ich im Kindergarten zwei Sachen sehr gerne gespielt habe: Das war einmal Bauen mit zusammensteckbaren Bausteinen, da baut man als Kind die Welt nach oder Wunschvorstellungen davon. Das Zweite waren Rollenspiele wie Vater, Mutter, Kind. Ich spielte am liebsten den Vater, denn das war die männliche Hauptrolle. Vielleicht waren das frühe Vorzeichen? (lacht) Wenn man ein Stück oder einen Film baut, ist das letztendlich nichts anderes: Geht man mit offenen Augen durch die Welt, entdeckt man zwangsläufig das eine oder andere, es begegnet einem ein Stoff, und man beginnt, daran zu arbeiten. Irgendwann starten die Proben oder die Dreharbeiten, und man baut seinen Teil dafür, dann setzen sich die Teile zusammen – wenn es dann funktioniert, zusammen mit dem Publikum, dann ist das ein großes Glück.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.