Babylonische Sprachverwirrung? Nicht mit dieser Lektüre! Dafür garantieren schon der Herausgeber Michael P. Streck und fünf weitere Fachwissenschaftler. Die altorientalischen Völker sind uns mit ihren Sprachen auf unzähligen Keilschriften – waagrechten, senkrechten und schrägen Keilen, zumeist auf Tontafeln eingedrückt – gut bekannt: Akkader, Aramäer, Assyrer, Babylonier, Elamer, Hethiter, Hurriter, Sumerer und einige andere. Jede ihrer Sprachen wird mit ihrer Chronologie, Charakteristika, geografischen Verbreitung, Größe des Textkorpus in Wörtern und vor allem ihrer Grammatik bis in kleinste Details analysiert – auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes. Dabei nimmt das Sumerische eine besondere Bedeutung ein, handelt es sich doch um die älteste überlieferte Sprache der Menschheit. Chronologisch umfassen diese Sprachen den ungefähren Zeitraum vom Ende des 4. Jahrtausend v. Chr. bis zum Beginn hellenistischer Strukturen um Christi Geburt. Besonders interessant wird es, wenn die Bibel zitiert wird, etwa die Stadt Babel, vielen bekannt durch den legendären Turmbau zu Babel. Die Leserschaft erfährt so einiges zur Bedeutung biblischer Überlieferungen, etwa aus dem Buch Genesis. Hat doch der »Herr die Sprache der Menschen verwirrt und von dort aus die Menschen über die ganze Erde zerstreut« (11,9) – und dies in Babel (Babylon). Mit diesem bedeutenden Zitat beginnt zu Recht der erste Satz des Buches. Sieht doch die Bibel den Ursprung der Sprache in Babylon im heutigen Irak zwischen den Strömen Euphrat und Tigris, dem antiken Zweistromland. Diese Publikation, eine Orientierungshilfe für alle Altertumsforscher und vor allem Philologen und Sprachinteressierte, ist eine für unser heutiges Sprachverständnis nicht gerade leichte Kost. Deshalb sollten sie über eine linguistisch-philologische Vorbildung verfügen. Dann dürfte dieses Standardwerk keine bestehenden Fragen offenlassen. Ein Glossar mit den wichtigsten Fachtermini dieses weit gefächerten Forschungsgebietes hätte die anspruchsvolle Lektüre sicherlich noch etwas einfacher gemacht.

Michael P. Streck (Hg.). Sprachen des Alten Orients. Darmstadt 2021

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2024.