»Und dann kam der 19. Februar und meine Zukunft zerbrach wie ein Glas.« Said Etris Hashe mi überlebte nur knapp mit Schusswunden in Hals und Schulter, sein jüngerer Bruder und seine Freunde starben neben ihm. Hashemi erzählt sehr persönlich und klar, wie sein Leben durch den rassistischen und rechtsextremen Anschlag in Hanau 2020 aus den Fugen gerissen wurde, verwoben mit Kindheitserinnerungen sowie ernüchternden Sitzungen im Untersuchungsausschuss – sein Bruder Nesar immer gedanklich dabei. Rassismuserfahrungen ziehen sich wie ein roter Faden durch Hashemis Geschichte, die einem nahegehen muss. Schon im Kindergarten wurde er für Fehltritte verantwortlich gemacht, die er nie begangen hatte. Eine Schulleitung verweigerte ihm trotz bester Noten die Möglichkeit auf einen höheren Bildungsabschluss. Nachdem er aufgrund rassistischer Ideologien nur knapp mit dem Leben davongekommen war, folgte das Versagen der Behörden – Rechtsextremismus bei der Hanauer Polizei, das aktive Zurückhalten von Informationen sowie das Sich-aus-der-Verantwortung-Ziehen von Verantwortlichen. Auf der anderen Seite berichtet Ha shemi von dem starken Rückhalt und Zusammenhalt, den er nach dem Anschlag erfahren durfte: dem seiner Freunde, dem der betroffenen Familien und, in ihrem gemeinsamen Aktivismus, dem der Gesellschaft. Plötzlich fand sich Hashemi, aufgewachsen in Hanau-Kesselstadt, händeschüttelnd mit Politikerinnen und Politikern. Für Kinder aus sozialen Brennpunkten gibt es kaum Zugang zur Politik: »Ich denke an sie, wenn ich im Eintracht-Frankfurt-Trainingsanzug in den Bundestag steppe und mich dann dort auf der Toilette in meinen korrekten Anzug werfe und für unsere Rechte kämpfe.«

Said Etris Hashemi. Der Tag, an dem ich sterben sollte. Wie der Terror in Hanau mein Leben für immer verändert hat. Hamburg 2024

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2024.