Was ist denn noch gleich ein Pflichtenheft? Ein vom Auftragnehmer erstellter Projektplan, mit dem er das Lastenheft des Auftraggebers erfüllen möchte; so etwa in den Handwerksberufen. Und nun legt Olaf Zimmermann, umtriebiger Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, in 52 Beiträgen sein ganz persönliches Pflichtenheft vor. Aus seiner Praxis heraus werden aktuelle gesellschaftliche Themen wie Kunst, Werte, Medien, Handel, Bildung, bürgerschaftliches Engagement, Inklusion, Karneval, Religion, Erinnerung, Digitales, Natur und Nachhaltigkeit analysiert; alles wesentliche Felder seiner »Baustelle Kultur«, für die zahlreiche fleißige Handwerker nötig sind. Und ohne ein sorgfältig geführtes Pflichtenheft kann aus einer Baustelle kein kulturelles Haus errichtet werden. Notwendig ist ferner ein langer Atem. Der aufmerksame Leser merkt rasch, dass er eine lebendige Expertise aus der Praxis erhält; viel Pflicht und weniger Kür.

Zimmermann setzt sich neben seiner Analyse ausführlich mit den erforderlichen Rahmenbedingungen auseinander, damit Kultur mit ihren zahllosen Akteuren klappen kann. Für den wohl einflussreichsten deutschen Kulturlobbyisten eine persönliche »Dienstleistung«. Und dazu gehört es auch, Geld zu besorgen, das ausreichend sein muss, um damit über die Runden zu kommen. Dass kulturpolitisches Handeln aktuell und anregend sein kann, zeigen Themen, an die einige bei Kultur nicht gleich denken würden, etwa Anthropozän, Computerspiele, Digitalisierung, Geschlechtergerechtigkeit, Krieg, Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung oder Synodaler Weg. Und besonders erfrischend: Zimmermann unterscheidet nicht zwischen sogenannter E- und U-Kultur. Übrigens findet sich auf der Rückseite des Taschenbuchs ein Braille-Code, der zu einer digitalen Version des Buches führt. Hervorragend! Fazit: Eine lehrreiche und erfrischende Pflichtlektüre mit Niveau für alle, die sich mit Kultur(-politik) und ihrem Mehrwert beschäftigen möchten.

Olaf Zimmermann. Mein kulturpolitisches Pflichtenheft. Deutscher Kulturrat Berlin 2023

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2023.