Das Weltkulturen Museum wurde 1904 als »städtisches Völker-Museum« gegründet. Die Initiative zu seiner Gründung kam aus den Reihen der Frankfurter Bürgerschaft, die die Präsentation der eigenen Ethnographica auch als städtischen Bildungsauftrag ansah. Lange vor der Eröffnung gab es in Frankfurt bereits verschiedene ethnologische Sammlungsbestände. Einer der wichtigsten befand sich im Besitz der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, deren Mitglieder auf ihren Forschungsreisen nicht nur naturkundliche Objekte, sondern auch Ethnographica sammelten. Bereits 1878 wurden diese Objekte dem Historischen Museum übergeben, wo sie eine eigene völkerkundliche Abteilung bildeten. Dem Tropenmediziner Bernhard Hagen, der vorher auf dem damals zum niederländischen Kolonialgebiet gehörigen Sumatra und im ehemaligen Deutsch-Neuguinea tätig gewesen war, gelang es, die Sammlungen des Historischen Museums, der Colonial-Gesellschaft und der Anthropologischen Gesellschaft zusammenzuführen und schließlich im Palais Thurn und Taxis in der Frankfurter Innenstadt auszustellen. Das starke Interesse an der Völkerkunde stand damals im Zusammenhang mit der kolonialen Expansion Deutschlands, an der auch Frankfurt wirtschaftlich beteiligt war. Die Museumsbestände wuchsen stetig an, da als Beamte, Kaufleute oder Forscher in den Kolonien tätige Bürger und ihre Angehörigen dort angelegte Sammlungen dem Museum schenkten. Ebenso profitierte das Museum beim Erwerb von Museumsobjekten von einem regen, im kolonialen Kontext erstarkten Handel mit ethnologischen Objekten. 1935 übernahm der bekannte Afrikaforscher Leo Frobenius die Museumsdirektion. Er war zugleich Leiter des Forschungsinstituts für Kulturmorphologie, das er aus München nach Frankfurt mitbrachte. So begann die bis 1967 andauernde Einheit des städtischen Museums für Völkerkunde und dem Institut für Kulturmorphologie, dem späteren Frobenius-Institut. Da etwa ein Drittel der alten Sammlungen während der BombardierungFrankfurts 1944 zerstört wurde, bilden gerade von den Ethnologinnen und Ethnologen des Frobenius-Instituts auf ihren Forschungsreisen nach wissenschaftlichen Kriterien angelegte spätere Sammlungen einen bedeutenden Anteil des Museumsbestands. Heute besitzt das Weltkulturen Museum ca. 65.000 Objekte, von denen ungefähr noch ein Drittel aus unterschiedlichen Kolonialepochen in Afrika, Nord- und Südamerika, Südostasien und Ozeanien stammt.

Einen wichtigen Anteil macht die nicht westliche zeitgenössische Kunst aus, die in den 1980er Jahren als Sammlungsschwerpunkt in allen Regionalabteilungen etabliert wurde. Dies brachte einen intensiven Austausch mit Künstlerinnen und Künstlern indigener Kunstszenen mit sich und führte zu einer immer stärkeren Verknüpfung der historischen Bestände mit dem zeitgenössischen Kunstschaffen indigener Gemeinschaften. Gerade diesen sieht sich das Weltkulturen Museum als ethnologische Institution verpflichtet, stellen sie doch den Hauptanteil der Urhebergesellschaften seiner Sammlungen und müssen vielfach auch heute in den nachkolonialen Nationalstaaten unter repressiven Bedingungen leben. So handelte es sich auch bei den vom Museum bisher durchgeführten Repatriierungen jeweils um die Anliegen von indigenen Minderheiten in Staaten, die aus ehemaligen Siedlerkolonien hervorgingen: 2011 wurde ein Toi Moko (tatauierter und mumifizierter Kopf) an die Maori in Neuseeland und 2021 ein sogenanntes Hair-Shirt, Lederhemd eines Häuptlings, an die Teton Lakota in den USA übergeben. In keinem Fall konnte ein formalrechtlicher Unrechtskontext beim Erwerb der betroffenen Sammlungsstücke festgestellt werden, in beiden Fällen waren vielmehr ethisch-moralische Gründe ausschlaggebend. Im Fach Ethnologie geht es auch um immaterielle Kultur – Objekte haben weit mehr als nur materielle Bedeutung! In ihnen steckt Symbolkraft, sie stiften Identität und stehen für Beziehungen. Daher möchte das Weltkulturen Museum zu einer Ermächtigung Indigener beitragen, ihre kulturelle und religiöse Identität selbstbestimmt zu erhalten.

Grundsätzlich hat sich das Museum die kritische Aufarbeitung kolonialer Kontexte zum Ziel gesetzt. Bereits in der Ausstellung »Gesammelt. Gekauft. Geraubt? Fallbeispiele aus kolonialem und nationalsozialistischem Kontext« 2018/19 wies es anhand von Beispielen aus Namibia und Südafrika auf mögliche Gewalt- und Unrechtskontexte beim Objekterwerb hin. Zugleich zeigte diese Ausstellung auch an Beispielen aus Südostasien deutlich auf, dass Kolonialherrschaft auf weltweiten Verflechtungen beruhte und es bei der historischen Aufarbeitung nicht nur um deutsche Kolonialzeit gehen darf. Gerade die Debatte um Nigerias Rückforderungen der Kunstwerke aus dem alten Königreich Benin zeigen, wie wichtig es für ausgeglichene historische Narrative ist, den Weg der Dinge in die europäischen Museen im Detail transparent zu machen. Daher hat das Weltkulturen Museum seine Benin-Sammlung zusätzlich zur Erforschung ihrer Provenienz in das internationale Datenbankprojekt »Digital Benin« aufnehmen lassen und arbeitet im Haus selbst an einer Onlineversion seiner internen Sammlungsdatenbank, um Urhebergesellschaften den Einblick in die Museumsbestände zu erleichtern. Erwerbsgeschichte und kulturelle Bedeutung von Objekten, aber auch die hinter einer Rückforderung stehenden Beweggründe sind jeweils unterschiedlich. Aus einer intensiven Beschäftigung mit jedem Einzelfall ergeben sich Chancen, auch mit kleineren indigenen Gruppen in Austausch zu treten und nicht bei der Diskussion historischen Unrechts die Nachwirkungen kolonialer Strukturen aus dem Blick zu verlieren. Provenienzforschungen und Rückgabeverhandlungen sollten auch ein Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen, wie z. B. Fremdbestimmung, Klimawandel oder Landrechte, indigener Gesellschaften sein. Das Weltkulturen Museum hat mit seinen auf internationalem Austausch beruhenden Projekten diesen Weg beschritten und wird ihn auch in Zukunft konsequent weitergehen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2023.