Krieg, Naturkatastrophen, keiner beschäftigt sich damit gerne. Gerade jetzt, wo uns diese Geißeln der Menschheit so nahe kommen. Aber wir müssen diesen Widerwillen überwinden und uns endlich mit dem Schutz unserer Kulturbauten und Kunstwerke vor Bomben und Hochwasser, vor Feuer und Plünderung auseinandersetzen.
Noch vor wenigen Monaten hätte ich mir in meinen kühnsten Albträumen nicht vorstellen können, dass Krieg in der Mitte von Europa ausbricht. Neben dem unbegreiflichen menschlichen Leid zeigt der russische Angriff gegen die Ukraine auch, dass die Kultur ein strategisches Ziel des Aggressors ist. Kulturbauten werden offensichtlich bewusst zerstört, Museen werden zielgerichtet geplündert.
Zeitgleich nehmen die Naturkatastrophen in einem beängstigenden Ausmaß zu. Die Überflutung im Ahrtal jährt sich am 15. Juli. Die Trauer um die 134 Opfer der Flutkatastrophe ist groß, die immensen materiellen Schäden an der Infrastruktur und den Gebäuden sind auch ein Jahr nach dem Hochwasser immer noch nicht ansatzweise beseitigt. Bibliotheken, Archive und Museen wurden beschädigt oder zerstört.
Wir müssen leider damit rechnen, dass materielles und immaterielles Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, Natur- und Umweltkatastrophen in der Zukunft immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wird.
Wir brauchen Notfallpläne, um Kulturgut im Katastrophenfall sichern zu können. Wir brauchen Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kultureinrichtungen für den Fall der Fälle schulen zu können. Wir brauchen Einsatzpläne zur Bergung, Sicherung und Erstversorgung von beweglichem Kulturgut und zum Schutz des unbeweglichen Kulturgutes vor Ort. Wir müssen jetzt Sicherungsräume bauen, in denen das Kulturgut aus Archiven, Bibliotheken und Museen für eine Zeit in Sicherheit gebracht werden kann. Wir brauchen eine Notfallallianz Kultur!
Die Kulturstiftung der Länder, Blue Shield Deutschland, der Deutsche Bibliotheksverband, ICOMOS, ICOM, die UNESCO-Kommission, der staatliche Katastrophenschutz und andere arbeiten daran. Aber es bedarf einer konzentrierten Anstrengung, um diese Herkulesaufgabe zu bewältigen. In einem Land, in dem man sogar fast flächendeckend die Sirenen zur Warnung der Bevölkerung aus Kostengründen demontiert hat, wird es nicht einfach werden, die erforderlichen Vorbereitungen für den Katastrophenfall zu ergreifen und die dafür notwendigen beträchtlichen Finanzmittel einzuwerben. Aber wir müssen auch im Kulturbereich endlich anfangen, an das Undenkbare zu denken, um vorbereitet zu sein.