»Es ist eine der bedeutendsten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, Kulturdenkmäler für künftige Generationen zu erhalten.«

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) anlässlich der offiziellen Auftaktveranstaltung am 9. September 2012 zum Tag des offenen Denkmals 2012 auf dem Marktplatz der Hansestadt Bremen.

Denkmalpflege ist wahrlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und dies sollte uns auch als weltweit geachtete und viel gerühmte Kulturnation etwas wert und teuer sein. In Nordrhein-Westfalen steht nun viel auf dem Spiel, denn die Denkmalpflegemittel drohen unter der Regierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auszubluten. Es steht gar zu befürchten, dass die Mittel für die Archäologische Denkmalpflege bis zum Jahr 2015 gegen Null tendieren. Der im März 2013 verabschiedete Haushalt sieht zunächst eine 18-prozentige Kürzung der Denkmalpflegemittel für 2013 von 11,4 auf 9,4 Millionen Euro vor; und für 2014 sind nur noch 3,3 Millionen Euro eingeplant. 1992 betrugen die Mittel noch 35,4 Millionen Euro. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bezeichnete diese Kürzungen in 3sat als eine »kulturpolitische Bankrotterklärung«. Macht doch gerade dieser Haushaltsposten verschwindende 0,02 Prozent des gesamten Etats von NRW aus. Das Land schlägt nun vor, die Förderung der Denkmalpflege auf die Bereitstellung zinsloser Darlehen umzustellen. Dabei lässt sie allerdings die Bodendenkmalpflege (Archäologie) völlig außen vor. Doch dieses Instrument greift nicht. Denn welcher Bauherr nimmt ein Darlehen auf, um fachwissenschaftliche Begleituntersuchungen und Ausgrabungen auf seinem Grund und Boden zu finanzieren?

Die Kürzungspläne verursachen also fatale Folgen für die Bodendenkmalpflege. Bereits unter Schutz stehende Denkmäler können nicht mehr ausreichend gepflegt werden. Ferner steht zu befürchten, dass die Unterschutzstellung denkmalwürdiger Bauten und archäologischer Denkmäler immer schwieriger wird. Und einmal verloren gegangene Bodendenkmäler können nie wieder zurückgeholt werden, auch wenn vielleicht in einigen Jahren wieder ein bedeutend größeres Finanzvolumen zur Verfügung stehen sollte. Einmal zerstörte Strukturen in der Organisation der Bodendenkmalpflege lassen sich dann nicht auf Knopfdruck wiederherstellen. Dringend erforderliche Rettungsgrabungen, die oft an Dritte vergeben werden, können nicht mehr fachgerecht durchgeführt werden. Und entdeckte Bodenfunde müssen zunächst inSchubladen und Kisten verschwinden, da sie nicht restauratorisch bearbeitet, gezeichnet und anschließend wissenschaftlich beschrieben werden können, bevor dann einige von ihnen in den Schausammlungen unserer Museen und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden . Und all dies in Zeiten, in denen sich Geschichte und Archäologie einer wachsenden Beliebtheit in der Öffentlichkeit (Medien, Museenund Ausstellungen) erfreuen.

Nun gerät also die Archäologie in NRW an den Rand ihrer Existenz und Arbeitsfähigkeit. Marcus Trier, Leiter der Archäologischen Bodendenkmalpflege der Stadt Köln, spricht von der »Zerschlagung bewährter Strukturen in Nordrhein-Westfalen« und dass sein Amt seine Aufgaben »nicht mehr gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfüllen kann«. Der Chefarchäologe des LWL, Michael Rind, spricht gar von einem »Schlag ins Gesicht der Archäologie«. Die vorhandenen finanziellen Mittel bei den Fachämtern, also der Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen (LWL) sowie der Stadt Köln, reichen absolut nicht aus. Aufgrund von Personalmangel können schon jetzt Baubeobachtungen und wissenschaftliche Dokumentation nicht ausreichend vorgenommen werden. Vergaben dieser Fachämter an Dritte, etwa Grabungsfirmen und vor allem Fachstudenten, die ihr Studium auf diesem Wege finanzieren, sind heute schon nur begrenzt möglich. Ebenso Aufträge für naturwissenschaftliche Untersuchungen wie Dendrochronologie (Baumjahrringmethode), Radiokohlenstoffdatierung, Pollenanalyse u.a., die in großem Maße dazu beitragen, unsere Umweltbedingungen anschaulich zu rekonstruieren und damit nicht unwesentliche Beiträge liefern können zu hochaktuellen Themen wie die durch Menschen verursachten Klimaveränderungen, Umweltverschmutzung, Ausbeutung der Umwelt, die Ausrottung von Tieren und Pflanzen oder die Ausbeutung unserer Böden.

Sollte es bei den eklatanten Kürzungen bleiben, werden gerade die Angebote entfallen müssen, die von einer breiten Öffentlichkeit sehr gerne angenommen werden, etwa anschauliche Publikationen, die die oftmals schwer verständlichen Fachpublikationen »übersetzen«, die Präsentation von Bodendenkmälern in Schutzbauten und mit Hinweistafeln, Tagungen, Führungs- und Vortragsprogrammen sowie archäologische Sonderausstellungen.

Als die eklatanten Kürzungen bekannt wurden, machte sich weit über die Fachwelt hinaus großes Entsetzen breit. Die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF) brachte eine Online-Petition auf den Weg, die eine überwältigende Resonanz weit über die Grenzen von NRW hinaus findet und von zahlreichen Koryphäen aus dem In- und Ausland unterstützt wird. Die Landesregierung wird nun gut daran tun, ihre verheerenden Pläne noch einmal zu überdenken und sich mit den Fachgesellschaften auszutauschen.

Aber nicht nur dies: Seit einem Urteil des Oberverwaltunsgerichts in NRW vom September 2011 verschärft sich das Finanzierungsproblem umso mehr, weil das Verursacherprinzip ausgehebelt wurde. Dies bedeutet, dass der Bauherr oder Investor bei Bauvorhaben nunmehr die Kosten für archäologische Untersuchungen nicht mehr zu tragen hat. Die Archäologen bauen nun auf eine Mitte März 2013 vorgelegte neue Gesetzesinitiative derselben rot-grünen Landesregierung, die das Verursacherprinzip nun wieder verankern will. Auf diesem Feld ist also Hoffnung angesagt! Der Gesetzentwurf (Drucksache 16/2279) für ein novelliertes Denkmalschutzgesetz wurde nach der 1. Lesung einstimmig an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr sowie an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen. Die Crux an der Geschichte: Eigentlich müsste gerade die öffentliche Hand in dieser gefährlichen Interimszeit der Denkmalpflege finanziell unter die Arme greifen. Doch dazu wird es nun nicht ausreichend kommen können. Eine fatale Situation. Denkmalpflege ist kein Selbstzweck. Zunächst einmal gehorcht sie gesetzlichen Vorgaben. Vielmehr trägt sie aber in großem Maße dazu bei, dass unsere Städte und Dörfer lebenswert bleiben und lebenswerter werden. Wer kann sich etwa Mainz, Trier, Regensburg, Köln oder Xanten ohne römische Denkmäler vorstellen, die stets gepflegt und erklärt werden wollen?

Aber auch die vielen Kleindenkmäler wie Reste historischer Stadtbefestigungen, Teile von Abwässerkanälen und vieles mehr beleben unsere urbane Umgebung. Und wer möchte auf die zahlreichen historischen Kirchen und historischen Gehöfte in unseren Dörfern verzichten, die oft einen Mittelpunkt bilden im gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben und viel zu unserer eigenen Identität beitragen?

Auf Innenstädte dagegen, die kaum noch voneinander zu unterscheiden sind, bisweilen von Bauinvestoren beherrscht werden, kann durchaus verzichtet werden. Eine lebenswerte Umwelt mit historischer Aussage gibt es aber leider nicht zum Nulltarif. Und als einer Kulturnation und einem Land der Dichter und Denker muss uns das archäologische und historische Erbe etwas wert sein. Deshalb müssen die geplanten Kürzungen dringend zurückgefahren werden, zur Bewahrung unserer eigenen Geschichte. Denn wir leben alle aus unserer eigenen Vergangenheit heraus und führen diese in eine hoffentlich bessere Zukunft. Oder wie es der französische Dramatiker Maurice Maeterlinck (1862- 1949) formulierte: »Die Vergangenheit ist immer gegenwärtig«.

Übrigens: Der Bund geht wieder einmal mit gutem Beispiel voran, fördert er doch die Denkmalpflege 2013 mit rund 96 Millionen Euro. So kann’s gehen!

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2013.