Das Credo von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lautet: Sparen, sparen, sparen. Schon seit einigen Wochen wird – unterstützt durch Medien – die Dichotomie aufgebaut, auf der einen Seite die hoffnungslosen Verschwender, namens SPD und Grüne, die offenbar nur eines können, Geld auszugeben, und auf der anderen die verantwortungsvollen Haushaltssanierer, namens FDP, die jede Ausgabe auf den Prüfstand stellen und sich zugleich entschieden gegen Verbesserungen der Einnahmesituation mittels Steuern stellen.

Nun lässt sich nicht von der Hand weisen, dass sich die haushalts- und finanzpolitische Situation grundlegend geändert hat. Nach der US-amerikanischen und europäischen Finanzkrise von 2008 ging es vor allem darum, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und Investitionen zu ermöglichen. Die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank senkten ihre Zinsen. Diese Zinspolitik sollte auch während der Coronapandemie dazu dienen, dass Unternehmen trotz ungewisser wirtschaftlicher Entwicklung investieren. Kredite waren leicht zu bekommen, die Zinsen niedrig, und so manche lange aufgeschobene Investition wurde getätigt. Und auch für den Staat lohnten sich die geringen Zinsen. Die Zinslast für die Staatsschulden sank, was sich im Bundeshaushalt deutlich bemerkbar machte.

Die Situation hat sich in den letzten Monaten grundlegend geändert. Die Notenbanken haben ihre Zinspolitik verändert. Um die Inflation zu bekämpfen, wurden die Zinsen deutlich erhöht. Dies wirkt sich auf die öffentlichen Haushalte aus, deren Schuldendienst steigt. Einsparungen scheinen das Gebot der Stunde zu sein. Dies betrifft auch den Kultursektor.

Goldene Zeiten?

Eines fehlt im Kulturbereich immer: Geld. Es gibt stets mehr künstlerische Ideen und Vorhaben als Mittel, um diese realisieren zu können. Prekäre Arbeit und Selbstausbeutung kennzeichnen daher zu weiten Teilen die Arbeit im Kultursektor. Befristete Projekte, der Wechsel zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung oder auch die selbstständige künstlerische Arbeit neben zusätzlicher abhängiger Beschäftigung kennzeichnen vielfach die Erwerbstätigkeit im Arbeitsmarkt Kultur.

Trotz dieser schwierigen sozialen Lage, die insbesondere die Soloselbstständigen betrifft, fand in den letzten zehn Jahren ein beispielloser Anstieg der öffentlichen Kulturfinanzierung statt, wie der jüngste im Dezember 2022 erschienene Kulturfinanzbericht des Statistischen Bundesamts belegt.

Im Kulturfinanzbericht werden die öffentlichen Kulturausgaben des Jahres 2020 (vorläufiges Ist) denen der Jahre 2005, 2010, 2015, 2017, 2018 und 2019 gegenübergestellt. Festzustellen ist, dass es in diesem Zeitraum nur eine Tendenz gab: nach oben. Die öffentlichen Kulturausgaben, und zwar von Bund, Ländern und Kommunen, sind deutlich gestiegen. Für das Jahr 2020 werden auch die coronabedingten Mehrausgaben miterfasst. Es ist anzunehmen, dass für die Jahre 2021 und 2022 ebenfalls ein Anstieg ermittelt werden wird. Denn auch in diesen Jahren stellten zumindest der Bund sowie auch einige Länder zusätzliche Mittel zur Stützung des öffentlichen und privaten Kultursektors bereit. So trat beispielsweise der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen, der zur Unterstützung von Kulturveranstaltungen diente, erst Mitte 2021 in Kraft. Er lief Ende 2022 aus. Ebenfalls wurde ab 2021 eine weitere Milliarde Euro für das Programm Neustart Kultur des Bundes zur Verfügung gestellt. Dieses Programm läuft Mitte dieses Jahres aus. Dafür bekommt der Kultursektor wie einige wenige andere Wirtschaftsbereiche, wie z. B. Krankenhäuser, eine Unterstützung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Mit einer Milliarde Euro ist der Kulturfonds Energie des Bundes ausgestattet. Mit dem Fonds sollen öffentliche und private Kultureinrichtungen, Musikschulen und Jugendkunstschulen sowie Kulturveranstalter bei der Bewältigung der Energiekrise unterstützt werden. Angesichts dieser Zusatzmittel ist zu vermuten, dass die Bedeutung des Bundes in der öffentlichen Kulturfinanzierung weiter steigen wird.

Insgesamt stieg die öffentliche Kulturförderung von 9,3 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 14,5 Milliarden Euro im Jahr 2020. Das ist ein Anstieg um 55,1 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem letzten Vor-Corona-Jahr, stiegen die Kulturausgaben ausweislich des Kulturfinanzberichts um 15,6 Prozent.

Wird betrachtet, wer die Hauptlast in der Kulturfinanzierung trägt, ist ebenfalls eine Verschiebung festzustellen. Im Jahr 2010 trugen die Gemeinden 44,1 Prozent der Kulturausgaben, die Länder 42,6 Prozent und der Bund 13,3 Prozent. Im Jahr 2020 entfielen auf die Gemeinden 39,1 Prozent, auf die Länder, einschließlich der Stadtstaaten, 38,6 Prozent und auf den Bund 22,4 Prozent. D. h. die Bedeutung des Bundes für die Kulturfinanzierung ist deutlich gewachsen, er hat ein gutes Fünftel der Kulturausgaben übernommen.

Auch wenn der Anteil des Bundes an der Kulturfinanzierung gestiegen ist, leisten die Gemeinden mit Blick auf den Anteil der Kulturausgaben an den Gesamtausgaben der jeweiligen Körperschaft den größeren Anteil. Die Gemeinden wenden 2,37 Prozent ihres Gesamthaushaltes für Kultur auf, die Länder 1,79 Prozent und der Bund 1,5 Prozent. Pro Kopf haben sich die Kulturausgaben von 116,65 Euro im Jahr 2010 auf 174,51 Euro im Jahr 2020 erhöht.

Werden die verschiedenen künstlerischen Sparten betrachtet, zeigt sich, dass die Verantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden sehr unterschiedlich ist. Während der Bund insbesondere in der Auswärtigen Kulturpolitik und der sonstigen Kulturpflege Verantwortung übernimmt, zeichnen die Gemeinden besonders für die Finanzierung von Theatern und Musik verantwortlich. Im Jahr 2010 betrugen die öffentlichen Ausgaben für Theater und Musik bei den Gemeinden 1.711,2 Millionen Euro, bei den Ländern 1.538,6 Millionen Euro und beim Bund 29,0 Millionen Euro. Im Jahr 2020 stellen sich die Ausgaben wie folgt dar: Gemeinden 2.342,5 Millionen Euro, Länder 2.010,7 Millionen Euro und Bund 204,3 Millionen Euro. Für Bibliotheken ist folgendes Bild zu zeichnen: Im Jahr 2010 wandten die Gemeinden 671,0 Millionen Euro auf, die Länder 392,0 Millionen Euro und der Bund 314,1 Millionen Euro, im Jahr 2020 waren es 930,7 Millionen Euro bei den Gemeinden, 483,0 Millionen Euro für die Länder und 348,1 Millionen Euro für den Bund. Bei den Museen, Sammlungen und Ausstellungen ist folgendes festzustellen: Im Jahr 2010 stellten die Gemeinden 863,5 Millionen Euro zur Verfügung, die Länder 637,4 Millionen Euro und der Bund 265,4 Millionen Euro, im Jahr 2020 waren es für die Gemeinden 1.280,7 Millionen Euro, 776,5 Millionen Euro für die Länder und 658,6 Millionen Euro für den Bund. Beim Denkmalschutz haben sich die Ausgaben der Länder verringert und die des Bundes und der Gemeinden erhöht. Im Jahr 2010 wendeten die Gemeinden 141,3 Millionen Euro für Denkmalschutz und -pflege auf, die Länder 299,3 Millionen Euro und der Bund 67,0 Millionen Euro; im Jahr 2020 stellten die Gemeinden 237,5 Millionen Euro, die Länder 290,7 Millionen Euro und der Bund 237,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderung kultureller Angelegenheiten im Ausland ist in erster Linie Aufgabe des Bundes. Er stellte im Jahr 2010 368,2 Millionen Euro dafür zur Verfügung und die Länder 1,6 Millionen Euro; im Jahr 2020 entfielen auf den Bund 688,1 Millionen Euro und auf die Länder 4,3 Millionen Euro. Am stärksten zeigt sich die Veränderung in der Kulturförderung bei der Sonstigen Kulturpflege. Hier soll zusätzlich das Jahr 2019 herangezogen werden. Im Jahr 2010 entfielen bei den Gemeinden 616,0 Millionen Euro auf die Sonstige Kulturpflege, im Jahr 2019 waren es 820,6 Millionen Euro und im Jahr 2020 809,7 Millionen Euro. Die Länder stellten im Jahr 2010 475,3 Millionen Euro für die Sonstige Kulturpflege zur Verfügung, im Jahr 2019 waren 773,9 Millionen Euro und im Jahr 2020 1.089,8 Millionen Euro. Der Bund hat im Jahr 2010 199,9 Millionen Euro für die Sonstige Kulturpflege zur Verfügung gestellt, im Jahr 2019 314,8 Millionen Euro und im Jahr 2020 1.227,9 Millionen Euro. Dieser sehr deutliche Anstieg ist vor allem auf die Corona-Hilfsprogramme zurückzuführen, die beim Bund unter der Sonstigen Kulturpflege verbucht wurden.

Wie geht es weiter?

Festzuhalten bleibt, dass die öffentlichen Kulturausgaben in allen drei Körperschaftsgruppen, Gemeinden, Länder und Bund, im Vergleich zum Jahr 2010, aber auch zum letzten Vor-Corona-Jahr 2019 deutlich angestiegen sind. Insbesondere der Bund hat seinen Anteil an der Kulturfinanzierung deutlich gesteigert. Aber auch einige Länder, allen voran Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, haben ihre öffentlichen Kulturausgaben im Jahr 2020 sehr spürbar ausgeweitet. Es ging darum, Einnahmeausfälle bei öffentlichen Kultureinrichtungen auszugleichen, Investitionen zu ermöglichen, damit auch unter pandemischen Bedingungen eine Öffnung möglich wurde, mittels Stipendien das Weiterarbeiten von Soloselbstständigen und durch die Digitalisierung neue Formate zu ermöglichen. Insbesondere die Länder haben Digitalisierungsoffensiven für den Kulturbereich gestartet.

Viele Maßnahmen erstrecken sich ebenso auf die Jahre 2021, 2022 und in Teilbereichen auch 2023. Es steht zu vermuten, dass die nächsten Kulturfinanzberichte, die immer eine Ex-post-Betrachtung sind, ebenfalls von einem Aufwuchs der Kulturförderung berichten werden. Sie geben damit darüber Auskunft, wie seitens Bund, Länder und Gemeinden insbesondere während der Coronapandemie der »Kulturkollaps« vermieden wurde. Diese Daten sind aber keine Planungsgrundlage für »normale« Zeiten, sofern davon angesichts der Vielzahl und Komplexität von Krisen überhaupt gesprochen werden kann.

Folgende Aspekte sind aus unserer Sicht für die aktuelle und künftige Kulturförderung besonders hervorzuheben:

  • Trotz einer Steigerung der Kulturetats ist es bislang nicht gelungen, dass Künstlerinnen und Künstler bei öffentlich geförderten Projekten oder bei Aufträgen der öffentlichen Hand eine angemessene Vergütung erhalten. D. h. obwohl die Kulturausgaben deutlich gestiegen sind, verdienen Künstlerinnen und Künstler immer noch zu wenig, wenn eine öffentliche Förderung erfolgt; dabei ist die Steigerung der Einkommen der wesentliche Schlüssel, um die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. Vordringlich ist aus unserer Sicht daher, dass die Verhandlungen über Basishonorare mit den Ländern jetzt zügig erfolgen und Bund und Gemeinden nachziehen. Dies kann unter Umständen in einer Übergangszeit dazu führen, dass weniger Projekte gefördert werden. Es ist aber auf der anderen Seite nicht hinnehmbar, dass Probleme in der Kulturförderung ausschließlich zulasten der Künstlerinnen und Künstler gehen.
  • Trotz steigender Kulturetats in den letzten Jahren wurde zu wenig in die Bausubstanz von öffentlichen Kultureinrichtungen investiert. Es besteht ein erheblicher Investitionsstau, der auch dazu führt, dass viele Kulturorte nicht energieeffizient arbeiten können und darum von der Energiekrise besonders betroffen sind. In den kommenden Jahren sind hier Investitionen unausweichlich, um den Anforderungen an eine betriebsökologische Nachhaltigkeit gerecht werden zu können.
  • Trotz vieler Soloselbstständiger, die sich teilweise mehr schlecht als recht durchschlagen, besteht im Kultursektor ein Mangel an Fachkräften. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, teils liegt es an mangelnder Bezahlung oder langfristigen Perspektiven, teils liegt es daran, dass vor allem im ländlichen Raum ein Fachkräftebedarf besteht und viele potenzielle Erwerbstätige eher in den Metropolen zu Hause sind und teils sind es mangelnde Kenntnisse über Chancen und Risiken einer Beschäftigung im Arbeitsmarkt Kultur.

Einige der Themen werden im Deutschen Kulturrat in Ausschüssen und Arbeitsgruppen behandelt und Lösungsvorschläge erarbeitet. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Gestaltung der Rahmenbedingungen eine der wesentlichen Aufgaben der Kulturpolitik der nächsten Zeit sein wird. »Sparen, sparen, sparen« wird jedenfalls nicht die Lösung sein.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2023.