Seit 2009 kann man in Erfurt in der Alten Synagoge eine Ausstellung zur mittelalterlichen jüdischen Gemeinde der Stadt besuchen. Das Gebäude selbst ist das wichtigste Exponat. Seine Bauphasen spiegeln die Entwicklung der bedeutenden Gemeinde wider, zeigen aber auch die Nachnutzung nach dem Pogrom von 1349. Die Ausstellung zeigt den im Pogrom vergrabenen und 1998 bei Grabungen entdeckten Schatzfund aus dem jüdischen Viertel. Weitere Objekte ergänzen die Präsentation, darunter Faksimiles hebräischer Handschriften. Aus Erfurt stammt die größte mittelalterliche jüdische Gemeindebibliothek in Mitteleuropa. Gezeigt werden von den 15 Handschriften unter anderem eine Thorarolle und zwei riesige und prächtige Bibeln. Zum Museum gehört die unweit der Synagoge am Fluss gelegene mittelalterliche Mikwe, die im Rahmen von Führungen besichtigt werden kann. Ein Einblick in das rituelle Bad ist durch ein Sichtfenster im Schutzbau immer möglich. Die dritte Komponente des Jüdisch-Mittelalterlichen Welterbes stellt ein jüdisches Wohnhaus aus dem 13. Jahrhundert dar, das Steinerne Haus, das momentan jedoch noch nicht öffentlich zugänglich ist.
Die drei Gebäude, Alte Synagoge, Mikwe und Steinernes Haus, wurden 2023 auf die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Das Wissen zum mittelalterlichen Judentum in Erfurt ist jung, es geriet erst in den späten 1980er Jahren in den Fokus der Forschung. Am Anfang steht die Entdeckung der Alten Synagoge durch Rosita Peterseim, Mitarbeiterin der unteren Denkmalschutzbehörde. Sie erkannte, dass am damals bereits bekannten Standort der Synagoge mittelalterliche Baureste bis zum Dach hinauf erhalten waren. Die Stadt erwarb und sanierte das Gebäude, die Bauforschung durch den Bauforscher Elmar Altwasser erfolgte parallel dazu. Er erkannte vier Bauphasen zwischen 1094 und um 1300. Das Haus erzählt damit die Geschichte der Jüdischen Gemeinde bis zum verheerenden Pogrom von 1349. Das Baudatum der ältesten Synagoge liefert außerdem den ersten Beleg für die Anwesenheit einer jüdischen Gemeinde in Erfurt. Die schriftliche Überlieferung setzt erst im späten 12. Jahrhundert ein. Die Umnutzung als Lagerhaus und später Gasstätte rettete die Synagoge vor Zerstörung in der Nazizeit.
Mit der Mikwe wurde ab 2007 ein Monument ausgegraben, das eine hohe rituelle Bedeutung für die Gemeinde besaß. Ehefrauen wurden durch die Menstruation und Blutungen nach Geburten und Fehlgeburten unrein und durften erst wieder nach der rituellen Reinigung in der Mikwe Kontakt mit ihren Ehemännern haben. Vor der Hochzeit erfolgte das Untertauchen in der Mikwe zum ersten Mal. Bei Männern spielten die Unreinheit im Zusammenhang mit Kontakt mit Toten oder eine besondere Reinigung im Vorfeld von religiösen Feiertagen die wichtigste Rolle. Die Erfurter Mikwe stellt einen bisher unbekannten Bautyp dar, sie befindet sich auch nicht auf dem Synagogenhof, sondern unweit entfernt am Fluss. Die Hauptbauphase datiert in die Mitte des 13. Jahrhunderts, eine Mauer bezeugt einen Vorgängerbau. Genutzt wurde die Mikwe auch nach dem Pogrom von 1349 durch die zweite jüdische Gemeinde zwischen 1354 und 1454. Nach dem Wegzug der letzten Juden füllte man das Wasserbecken auf und erhielt so einen Keller mit einheitlichem Fußbodenniveau. Das Gebäude blieb in Nutzung bis 1942. Dann wurde es abgebrochen, wobei auch ein Teil des Kellergewölbes zerstört wurde.
Das Steinerne Haus ist ein jüdisches Wohnhaus mit einem Keller aus der Zeit um 1200, das Gebäude darüber kann über Deckenbalken im ersten Obergeschoss auf 1247 datiert werden. Unter allen romanischen Steinbauten, die sich in Erfurt nachweisen lassen, ist das Steinerne Haus am besten erhalten. Seine Ostwand steht noch bis zum Giebel, in der Westwand kann man von der Rathausgasse aus Spuren mehrerer Umbauten und Nutzungsänderungen ablesen. Hier wurde der Giebel teilweise abgebrochen, als das ursprünglich giebelständige Haus traufständig ausgerichtet wurde. Grund dafür war der Wiederaufbau der Stadt nach dem Stadtbrand von 1472. Der wichtigste Befund im Steinernen Haus ist die bemalte Holzbalkendecke im ersten Obergeschoss. Sie ist der erste Beleg für eine solche Decke in einem Bürgerhaus nördlich der Alpen. Auf den Balken sind florale Ranken aufgemalt, auf den Deckenbrettern dazwischen einfache Blüten. Als Erbauerin des Hauses lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Jüdin Riche bestimmen. Auch danach sind fast durchweg jüdische Familien als Besitzer belegt. Bisher ist das Steinerne Haus noch nicht für Besucher geöffnet, an einem Erschließungskonzept wird derzeit gearbeitet.
Die Synagoge zeigt in erster Linie die Geschichte der ersten jüdischen Gemeinde. Dabei spielt ihr gewaltsames Ende im Pogrom von 1349 eine wichtige Rolle: Die Erhaltung des Gebäudes und des Schatzes wurde paradoxerweise durch den Pogrom und die Vernichtung der Gemeinde erst möglich. Aber die Ausstellung macht auch deutlich, dass über Jahrhunderte Juden und Christen eng und gut miteinander lebten und zeugt von deren gemeinsamer Kultur.