Zahlreiche Stiftungen prägen die Kultur Sachsen-Anhalts, etwa die Stiftung Bauhaus Dessau, die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz oder die Franckeschen Stiftungen. In dieser Reihe ist die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt die jüngste und zugleich älteste. Zwar wurde sie erst 1997 gegründet, doch ihre Häuser haben eine jahrhundertelange Geschichte: Bereits kurz nach dem Tod Martin Luthers 1546 pilgern Gläubige zu seinem Sterbehaus in Eisleben und die museale Erinnerungskultur rund um den Reformator beginnt. In Wittenberg zieht insbesondere die fast unveränderte Lutherstube im Schwarzen Kloster, seinem Wohnhaus, schon früh zahlreiche Besucherinnen und Besucher an. Mit ihren Graffiti haben sie sich an den Wänden und Decken verewigt.

In der deutschen Erinnerungskultur nimmt der Reformator einen herausragenden Platz ein: Die Eisleber Lutherhäuser sind die ersten Personengedenkstätten, das Wittenberger Lutherdenkmal ist das erste öffentliche Denkmal für eine Zivilperson und der Reformationstag ist der einzige Feiertag, der das Wirken einer historischen Persönlichkeit würdigt. Fünf Museen umfasst die Stiftung Luthergedenkstätten: das Lutherhaus und das Melanchthonhaus in Wittenberg, Luthers Geburtshaus und sein Sterbehaus in Eisleben sowie das Elternhaus in Mansfeld. Die Häuser in Wittenberg und Eisleben sind seit 1996 UNESCO-Weltkulturerbe. Und mit dem Brief Luthers an Kaiser Karl V. vom 28. April 1521 gehört auch ein Weltdokumentenerbe zu den Schätzen der Stiftung.

Die Arbeit der Stiftung ist vielfältig und reicht von der Pflege und Erhaltung der Gedenkstätten über die Bewahrung, Präsentation und Vermittlung des reformatorischen Erbes bis hin zur Förderung von Forschung und Lehre. Neben der denkmalpflegerischen Instandsetzung der Gebäude hat die Stiftung mit ihren großen Bauvorhaben zwischen 2001 und 2018 vielfach ausgezeichnete Beiträge zur zeitgenössischen Baukultur geleistet. Mit Tagungen, Publikationen und vor allem mit großen Sonderausstellungen wie 2015 zum Cranach-Jahr mit »Lucas Cranach der Jüngere. Entdeckung eines Meisters« oder 2017 zum Reformationsjubiläum mit »Luther! 95 Schätze – 95 Menschen« vermittelt die Stiftung die Themen der Reformation in die wissenschaftliche und kulturelle Öffentlichkeit. In Zahlen bedeutet das in den letzten 25 Jahren: rund 60 Tagungen, 50 Ausstellungen, 120 Publikationen und mehr als 800 Veranstaltungen.

Das waren Ausstellungen, in denen die Gäste neben den Reformatoren beispielsweise auch Katharina von Bora, Luthers Beziehung zum Bergbau oder die Geschichte der Pest entdecken konnten. Es sind Bücher, die bis heute maßgeblich die Diskussion über den Thesenanschlag bestimmen, die die Umstände von Luthers Tod untersuchen oder – erstmals – die populäre Rezeption Melanchthons aufarbeiten. Es gab Konzerte, Lesungen, Performances und vieles mehr.

Die Reformation versteht sich seit jeher als Bildungsbewegung. Ganz im Sinne dieses historischen Auftrags hat die Stiftung in den vergangenen Jahren an ihren drei Standorten das Angebot für Kinder und Jugendliche stark erweitert und ist so zu einem außerschulischen Lernort mit überregionaler Resonanz geworden. In vielen museumspädagogischen Angeboten können Kinder und Jugendliche in die Reformationsepoche eintauchen, indem sie wie Katharina Luther im Kräutergarten arbeiten, die Lutherrose modellieren oder sogar ihren Geburtstag mit Spiel, Spaß und entspanntem Lernen in unseren Museen feiern.

2017 war sicherlich der bisherige Höhepunkt in der noch jungen Geschichte der Stiftung Luthergedenkstätten. Mit der Geschäftsstelle »Luther 2017« organisierte sie den staatlichen Part des bundesweit und international gefeierten Reformationsjubiläums. Die Stiftung konzipierte eine der drei Nationalen Sonderausstellungen, durfte gekrönte und ungekrönte Staatsoberhäupter begrüßen und war mit wertvollen Exponaten sogar in wichtigen Museen in den USA präsent.

All das kann die Stiftung Luthergedenkstätten nur dank der institutionellen Förderung des Landes Sachsen-Anhalt, des Bundes, der drei Lutherstädte Eisleben, Mansfeld und Wittenberg sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland leisten.

Ihren Blick richtet die Stiftung jetzt tatkräftig nach vorn und stellt sich neuen Herausforderungen: Wie kann man einen klimaneutralen Museumsbetrieb etablieren? Welche neuen Ansätze bieten sich an, um die Frühe Neuzeit noch umfassender kultur-, kirchen- und sozialgeschichtlich zu erforschen und zu vermitteln? Wie Geschichte und Geschichten so präsentieren, dass sie sich noch stärker für den gesellschafts- und kulturpolitischen Diskurs öffnen? So wird das Lutherhaus in Wittenberg bis 2025 energetisch saniert und anlässlich des Bauernkriegsjubiläums 2024 im Mansfelder Land eine Ausstellung eröffnet, in dem sich die Besucherinnen und Besucher mit dem Thema »Gerechtigkeit« auseinandersetzen können.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2022.