Der Deutsche Kulturrat verleiht heute Monika Grütters den Deutschen Kulturpolitikpreis. Das ist eine verdiente und angemessene Würdigung des jahrzehntelangen kulturpolitischen Wirkens von Monika Grütters, ihrer öffentlichen Arbeit im Dienste der Kultur, im Dienste unserer Demokratie!

»Es war mir eine Ehre und die schönste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann« – so lautete die Überschrift über dem Text, mit dem Monika Grütters in der FAZ Abschied genommen hat von der aktiven Politik, von der Politik als Beruf.

Er ist ihr schwergefallen, der Abschied – sowohl der vom Amt der Staatsministerin für Kultur wie von dem als Parlamentarierin. Ich verstehe das sehr gut. Sie war ja beides mit Leidenschaft, mit Fleiß und Klugheit, mit Kampfgeist und Verantwortungsgefühl! Parlamentarische Arbeit und Kulturpolitik – das waren die hauptsächlichen Felder ihrer wahrlich vielfältigen politischen Aktivitäten in den vergangenen drei Jahrzehnten.

Sie zeugen von erstaunlicher Beharrlichkeit, von Stehvermögen und auch vom Geschick einer Frau in ihrer doch eher männerdominierten Partei. Monika Grütters hat rückblickend und noch immer ein wenig betroffen von den Ränken der Berliner CDU-Männer-Riegen gesprochen. Die drei Jahrzehnte zeugen besonders aber von großer Verantwortungsfreude und beeindruckender Überzeugungstreue!

Ich rufe nur ein paar Daten in Erinnerung. Von 1995 bis 2005, also zehn Jahre, war sie Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, war da – was sonst – wissenschafts- und kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Von 2005 bis 2025, also 20 Jahre, war sie Bundestagsabgeordnete, davon vier Jahre Kulturausschuss-Vorsitzende. Sie hat, daran erinnert sie mit Stolz, neunmal bei Parlamentswahlen kandidiert, achtmal als Spitzenkandidatin. Vor allem aber war sie von Dezember 2013 bis Dezember 2021, also acht Jahre, Staatsministerin für Kultur und Medien. Daran erinnern wir uns natürlich besonders. Und auch Monika Grütters sagt, das sei das Beste gewesen, was ihr habe passieren können, denn: »Ich fand es wunderbar, meine persönliche Leidenschaft zum Beruf machen zu können.«

Für eine solche Karriere hat sie die richtigen Voraussetzungen mitgebracht, sie war gewissermaßen »vom Fach«. Sie hat nämlich Germanistik, Kunstgeschichte und Politikwissenschaft studiert, zunächst in ihrer Heimatstadt Münster, dann in Bonn. Sie hat Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit für verschiedene Kulturinstitutionen gesammelt, hat einen entsprechenden Lehrauftrag im Studiengang Kulturmanagement an der Berliner Hanns-Eisler-Hochschule übernommen und leitete jahrelang die Aktivitäten der Stiftung Brandenburger Tor. Und als Kulturausschuss-Vorsitzende war sie prädestiniert für die Nachfolge von Bernd Neumann als »Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien« – wie die korrekte Amtsbezeichnung lautet.

Ich kann die Fülle ihrer Aktivitäten, die Liste ihrer Leistungen und Erfolge und auch der Konflikte in diesem Amt nicht vollständig wiedergeben. Nur eine kleine Auswahl: Ich beginne mit dem schnöden und notwendigen Geld für die Kultur. In der Amtszeit von Monika Grütters stieg der Kulturhaushalt des Bundes um zwei Drittel. Das war Glück und Leistung zugleich, weil eben ganz und gar nicht selbstverständlich. Kaum weniger nicht selbstverständlich war, was ihr im Corona-Jahr gelungen ist: den Etat um ein zusätzliches Hilfspaket von einer Milliarde für die Kultur- und Kreativbranche zu erweitern, die unter der Krise, unter den Einschränkungen besonders zu leiden hatte. Mit der Initiative »NEUSTART KULTUR« hat sie ein einzigartiges Förderprogramm für den Kulturbetrieb und die Sicherung der kulturellen Infrastruktur auf den Weg gebracht. Das bleibt, hoffentlich, in dankbarer Erinnerung, das bleibt, gewiss, mit dem Namen Grütters verbunden.

Für jeden Kulturstaatsminister ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz – dieser wuchtige (ich sage nicht: schwerfällige) Tanker – ein wichtiges Thema. Monika Grütters hat deren Strukturreform energisch vorangetrieben. Wir warten nach den Entscheidungen der vergangenen Jahre nun auf deren förderliche Wirkung.

Auch die konzeptionellen Auseinandersetzungen um das Humboldt Forum gehören in ihre Amtszeit. Monika Grütters hat wichtige und gute Personalentscheidungen getroffen – zur Gründungsintendanz und zur Generalintendanz. Seit 2021 ist das Humboldt-Forum nun eröffnet, und die Debatte über seine künftige Wirksamkeit ist natürlich nicht zu Ende. Das ist Berlin. Ich wünsche mir jedenfalls für das Forum als eigenständiger, originärer Einrichtung mehr politisch-kommunikativen Drive und mehr Wahrnehmbarkeit in der Berliner Stadtgesellschaft. Schließlich das künftige Berliner Museum der Moderne (»Berlin modern«, den Namen finde ich peinlich): auch so eine Berliner Streitgeschichte, die mit Monika Grütters Namen verbunden ist und der Hoffnung, dass sie am Ende gut ausgehen möge. Wir werden es sehen.

Das Kulturgutschutz-Gesetz im Jahr 2015: Wie sehr wurde Monika Grütters dafür kritisiert und angefeindet! Inzwischen hat es sich als richtig und vernünftig erwiesen. Des Weiteren will ich erinnern an den Deutschen Buchhandelspreis, den Monika Grütters ins Leben gerufen hat. Und an ihre wichtige »Initiative Kulturelle Integration«, die viele Aktivitäten angestiftet hat. Und auch an ihren Einsatz für die Überwindung des Gender-Pay-Gaps in der Kultur: Ein Runder Tisch wurde etabliert und ein Mentoring-Programm des Deutschen Kulturrates gefördert.

Qua Amt war Monika Grütters in einer Vielzahl von kulturpolitischen Institutionen, Verbänden, Stiftungen tätig, für die der Bund eine Mit-Zuständigkeit hat oder für die sie Verantwortung zu übernehmen bereit war. Sie tat das mit Streitbereitschaft und Sachorientierung zugleich. Monika Grütters vertritt – ich habe es erlebt – energisch ihre Auffassung und ist zugleich lernbereit, lässt sich umstimmen. Sie weiß und personifiziert es auch: Kulturpolitik ist ganz wesentlich Gespräch, ist Kommunikation – sonst gelingt sie nicht. Kulturpolitik darf nicht paternalistisch sein, sondern sie hat eine dienende Rolle gegenüber den Künsten, der Kultur und auch der Wissenschaft zu spielen.

Monika Grütters weiß: Die Freiheit der Künste ist eines der Kriterien dafür, ob es in einer Demokratie »stimmt«, ob sie gelingt – sofern wir die Demokratie als politische Lebensform der Freiheit verstehen und praktizieren. Und nicht nur als eine gewiss mühselige Herrschaftstechnik, die dann ja auch »autoritär« oder »illiberal« sein kann, wie beunruhigende Entwicklungen auch in westlichen Demokratien zeigen.

Subventionen für die Kultur sind Investitionen in die Freiheit. Das ist die handlungsleitende Grundüberzeugung von Monika Grütters. Die Bundesrepublik Deutschland lässt sich die Kultur, die Künste jährlich ca. 13 Milliarden kosten. Ist das zu viel? Ist das zu wenig? Das sind direkte Ausgaben für die Freiräume, in denen Kunst sich entfalten kann, in denen Neues erprobt, Zeitgenössisches ermöglicht, in denen unser kulturelles Erbe gesichert wird, in denen Kommunikation, das Gespräch über uns, das Gespräch der Gesellschaft über sich selbst stattfinden kann.

All dies wird nicht weniger wichtig, im Gegenteil, es wird notwendiger in den gegenwärtigen Zeiten dramatischen Wandels, multipler Krisen und schmerzlicher Reformnotwendigkeiten, die unübersehbar Zeiten von Ängsten und Unsicherheiten, von aggressiver Abwehr und von emotionalen wie sozialen Spaltungen sind. Zeiten, in denen zugleich und ebenso unübersehbar das individuelle wie kollektive Bedürfnis heftiger wird nach neuen und auch alten Vergewisserungen und Verankerungen, nach Identität, nach Sicherheit, nach Beheimatung, nach Zusammenhalt. Eine aktuelle Umfrage aus den letzten Tagen sagt: Drei Viertel der Menschen in unserem Land sorgen sich um den Zusammenhalt der Gesellschaft!

Und damit sind wir im Raum der Kultur. Die nämlich ist mehr als der gewiss wünschenswerte Verfassungspatriotismus, der Zusammenhalt stiften soll. Sie ist mehr und auch anderes als der notwendige normative Konsens. Kultur (zumal die Künste) ist vor allem Raum der Emotionen, der Artikulation und der Berührung unserer Sinne, Raum des Leiblichen, des Sichtbaren wie des Symbolischen – und darin auch und gerade des Religiösen und des Weltanschaulichen. Sie ist der Ort der Differenzen, ihrer Schärfung und Milderung zugleich. In der Kultur, das genau macht sie aus, wird über Herkunft und Zukunft, über das Bedrängende und das Mögliche, über Sinn und Zwecke, über das Eigene und das Fremde nicht nur reflektiert und diskutiert, sondern gespielt und gehandelt. Das eben macht sie kostbar und gerade für eine gelingende Demokratie so unersetzlich. Geben wir zu viel aus für sie? Oder zu wenig?

30 Jahre hat Monika Grütters mit Leidenschaft und Unbeirrbarkeit Politik für die Kultur gemacht, war sie »Fürsprecherin der Kreativen und der Kultur«, so hat sie sich selbst bezeichnet. Sie war das aus demokratischer Grundüberzeugung. Sie war das aus Freude, Vergnügen, breitestem Interesse an Kultur, an den Künsten und an den Künstlern, an Neuem und Altem, an Vertrautem und Gewagtem. Das hält jung.

Sie war das, nicht zuletzt, aus christlicher Grundüberzeugung: Sie ist katholisch und in ihrer Kirche und für sie engagiert. Sie hat öffentlich bekundet, dass ihr christliche Werte im politischen Alltag ein wichtiger Maßstab sind. Solches Bekenntnis ist in der Politik und erst recht in der Kultur, wo Religion bestenfalls als Privatsache gilt, eher befremdlich geworden. Deshalb will ich daran erinnern, dass Kultur immer – es gibt kein geschichtliches Gegenbeispiel – religions- und weltanschauungs-durchwirkt ist. Wie es ja auch Religion und Weltanschauung immer nur in geschichtlich-kultureller Gestalt gibt.

»Kirche und Kultur – das sind die zwei Milieus, die um Antworten auf letzte Fragen ringen. Auch das ist mein Leben. Das bleibt.« So hat Monika Grütters es in ihrem Abschiedstext vor einem Jahr in der FAZ geschrieben. Und hat darin auch einen Ausblick auf ihr weiteres Leben gegeben: »Ich möchte und werde da weitermachen, wo es gilt, Wissenschaft und Kultur zu fördern, zu danken für das Gute, Wahre, Schöne, das die Vordenker und Kreativen unserem Gemeinwesen immer wieder schenken – und auch die Auseinandersetzung anzunehmen, die diese kritischen Geister uns zumuten müssen, damit unsere Demokratie lebendig bleibt. Aber ich freue mich auch darauf, leichter, freier, unabhängiger dabei sein zu können.«

Genau das wünsche ich Dir, liebe Monika! Ich gratuliere Dir herzlich zum so sehr verdienten Kulturpolitikpreis!

Und ich erlaube mir zwei Nachsätze: Es wäre doch schön, wenn wir beide noch erleben könnten, dass zwei einfache Sätze ihren notwendigen Platz in unserem Grundgesetz finden würden: »Die Sprache der Bundesrepublik Deutschland ist deutsch.« – »Der Staat schützt und fördert die Kultur.«

Herzlichen Glückwunsch, liebe Monika!

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2025.