Es ist kein Trost, dass die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen als historisch bezeichnet werden. Die im Vorfeld ahnbaren Gewinne für die gesichert rechtsextreme Partei AfD und das nicht selten populistisch agierende BSW, dessen Mitglieder sich vorwiegend aus dem linken Spektrum zusammensetzen, zeigen einmal mehr, dass beide Parteien die politischen Konfliktlagen in Ostdeutschland erfolgreich erkannt haben und als »Kümmerinnen« aus dem Stand zweistellige Ergebnisse erreichten. A priori stehen rechte und populistisch auftretende Parteien nicht im Verdacht, sich für eine offene Kultur und Kunstfreiheit starkzumachen. So steht die Frage im Raum, welche Parteien vor der Wahl kulturelle Teilhabe, also gesellschaftliche Mitgestaltung von kulturellen Aktivitäten, verkünden und ob sie diese auch nach der der Wahl noch realisieren können.

Orientierung suchten der Kulturrat Thüringen mit »Wahlprüfsteinen«, ebenso die Interessengemeinschaft der Landeskulturverbände in Sachsen. Schwerpunkte waren hier »Kulturentwicklungsstrategie«, »Kulturelle Bildung«, »Kultur im ländlichen und urbanen Raum«, »Wertschöpfung« und »Faire Vergütung der Künstlerinnen und Künstler«. Ein Blick in sechs Wahlprogramme beider Bundesländer zeigte: Oft ähnelten sich die Versprechen der einzelnen Parteien.

Der sächsische Wahlgewinner CDU – ihr Vorsprung ist hauchdünn – listete »Ziele und Wege« im Regierungsprogramm. Die Kultur- und Kreativwirtschaft solle weiterhin »zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor« entwickelt werden. »Kooperationen zwischen Stadt und Land, zwischen institutioneller und freier Szene« wurden genannt, wie auch die Bibliotheksförderung, dabei das Ehrenamt als unverzichtbare Stütze der Kultur.

Das Wahlprogramm der AfD thematisierte den kulturellen Reichtum des Landes Sachsen, »auch im Kleinen, in den vielen lokalen Traditionen und Bräuchen«. Dem Bekenntnis zur Förderung von Kunst und Kultur folgte die Einschränkung: »Wir verwahren uns jedoch gegen die zunehmende Ideologisierung des Kulturbetriebs – besonders dann, wenn Steuermittel für politisch einseitige Projekte verwendet werden.« Auch im Thüringer Wahlprogramm betont die AfD, dass durch öffentliche Förderung eine »zunehmende politische Instrumentalisierung, gerade der Theater« zu verzeichnen sei, gegen die man sich wende.

Das BSW fokussierte sich in Thüringen auf Musik, Kunst und Sport, schlug vor, die Kultur- und Sportinstitutionen mit den Schulen zu vernetzen, Jugendkunst- und Musikschulen zu stärken. Kirchen sollten beim Erhalt ihrer oft ortsbildprägenden Denkmäler unterstützt werden. Gedenkstätten als »Orte einer lebendigen Debattenkultur und Demokratiebildung« sollten künftig intensiver gefördert werden. Ähnliche Gesichtspunkte enthielt auch die vom BSW geforderte Reformierung des Sächsischen Kulturraumgesetzes, um Theater und Orchester »wirksam, nachhaltig und dynamisiert« finanzieren und erhalten zu können.

Dass die SPD »Kultur als Pflichtaufgabe« in der Thüringer Kommunalordnung verankern will, ist löblich, aber längst überfällig. Das schließt das kulturelle Erbe der Thüringer Residenzlandschaft ebenso ein wie Angebote der Soziokultur und Brauchpflege. Der sächsischen SPD sind Jugendkunstschulen ebenso wichtig wie Streetdance-Akademien oder Medienwerkstätten.

Bündnis 90/Die Grünen versprach, »eine faire Bezahlung sowohl in den Theatern und Orchestern als auch für Beschäftigte und soloselbstständige Kulturakteur*innen in anderen Kultursparten« zu sichern, »verbindliche Honoraruntergrenzen in der Kulturförderung« zu verankern und »Nachteilsausgleiche« einzuführen.

Die Linke verwies darauf, dass Kultur die soziale Kompetenz der Bürger stärke und damit »den Zusammenhalt in der Gesellschaft«. Haustarife in Theatern und Orchestern abzuschaffen ist eine der Forderungen der Linken sowohl in Sachsen als auch in Thüringen und »verbindliche Honoraruntergrenzen für freie Kulturschaffende einführen«.

Mit Blick auf den gewachsenen Zuspruch für die AfD nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen sorgen sich Künstlerinnen und Künstler in ihren Verbänden nicht nur um den Erhalt der Kunstfreiheit, sondern auch um die Möglichkeit eines schmaler werdenden Haushaltsrahmens für Kultur. So steht in Sachsen dringend eine Novelle des sächsischen Kulturraumgesetzes an, trotzdem wird noch nicht Alarm geschlagen, wohl weil »mit einer gewissen Kontinuität« gerechnet wird.

Kulturmacher wie der Leiter der Dresdner Musikfestspiele Jan Vogler blicken allerdings mit Sorge auf die hohe Zahl junger Menschen, die AfD gewählt haben. In Diskussionen über die Ursachen wird immer wieder der Einfluss der Sozialen Medien genannt. Auch Vogler fordert in diesem Zusammenhang mehr Aufklärung und Diskussionen über Politik.

Wird die AfD tatsächlich zum Standortrisiko für die Kultur? Sind beispielsweise die Achava-Festspiele Thüringen mit ihrem interreligiösen und interkulturellen Dialog künftig in Gefahr? Martin Kranz, Intendant dieser Festspiele, verweist bewusst auf die 70 Prozent, die andere Parteien gewählt haben.

Sowohl in Sachsen wie auch in Thüringen sind die Bedenken erheblich, dass internationale Investoren einen Bogen um Mitteldeutschland machen könnten oder Kunstproduktionen abspringen. Peter Benz, Präsident der Bauhaus-Uni Weimar, sorgt sich um sinkende Bewerbungen interessierter Studenten an seiner Universität. Steffen Mensching, Intendant am Theater Rudolstadt, stellt angesichts des Wahlergebnisses seine Arbeit der letzten 15 Jahre in Frage und verdeutlicht gleichzeitig, dass Theater zwar Grundlagen des gesellschaftlichen Miteinanders schaffen könne, aber allein nicht in der Lage sei, die politische Meinung zu ändern.

Es bleiben also nach den Landtagswahlen reichlich offene Fragen, die Antworten herausfordern.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2024.