Serhij Zhadan spielt, trotz oder gerade wegen des Krieges, mit seiner Band in der Metro, lädt Tausende zum Poesieabend in den Kiewer Sportpalast ein und engagiert sich für die Verbreitung von Büchern in ukrainischer Sprache. Denn er weiß, Putins Krieg richtet sich auch gegen die ukrainische Kultur. Und die will er verteidigen. In »Der Himmel über Charkiw« schreibt er, warum: »Selbstverständlich ist das Menschenleben das Wertvollste. Aber was ist der Sinn des Lebens ohne Museen, Theater, Bibliotheken und Buchhandlungen?«
Weit weg von existenziellen und finanziellen Sorgen dieser Art wird bei uns in Zeiten knapper Kassen die Frage aufgeworfen, wo gespart werden soll. Gerne wird angesichts von Sparzwängen die Relevanz von Kunst und Kultur hinterfragt, nach dem Motto: »Ist das Kunst, kann man das wegsparen?« Die Antwort lautet – ganz im Sinne von Serhij Zhadan: Nein! Gerade in Krisenzeiten und angesichts knapper Kassen sind Kunst und Kultur der unverzichtbare Resonanzraum einer freiheitlichen Gesellschaft und auch der persönlichen, emotionalen Begegnung mit Kunst. Kunst und Kultur zu fördern in ihrer Vielfalt und in der Breite der Gesellschaft als Angebote an jede und jeden – das muss das Ziel sein, auch und gerade in Zeiten knapper Kassen.
Kulturförderung, so steht es im Koalitionsvertrag der Ampel, meint Kultur »von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen«. Diese Kulturförderung will keinen Luxus für einige wenige, sondern will Barrieren abbauen und Diskriminierungen überwinden, für Kulturmacher und -macherinnen wie für ihr Publikum. Anfänge sind gemacht, etwa bei der Geschlechtergerechtigkeit in Bezug auf Gremienbesetzungen und Leitungspositionen. In Sachen Gender Pay Gap bleibt eine Baustelle, wie der letzte Bericht des Kulturrats vom August 2023 zeigt.
Kulturpass – Teilhabe für junge Menschen
Umso wichtiger war die Einführung des Kulturpasses für 18-Jährige durch Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Seit Juni 2023 haben Millionen junge Menschen ihr Budget genutzt, um Bücher zu kaufen und Festivals, Konzerte, Theater oder Kinos zu besuchen. Das ist gelebte kulturelle Teilhabe, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Jetzt geht es darum, die Weiterführung des Kulturpasses zu sichern, den Bezug junger Menschen zur Kultur und gleichzeitig die kulturelle Infrastruktur zu stärken – vom Club über die Buchhandlung bis zum Opernhaus.
Beitrag gegen Klimawandel – Green Culture Anlaufstelle
Eine sichere Zukunft braucht auch die Green Culture Anlaufstelle, die, im Koalitionsvertrag vorgesehen, im Herbst 2023 gestartet ist. Als Ansprechpartnerin für Kultureinrichtungen und Veranstalter berät sie diese dabei, ihre Betriebs- und Produktionsabläufe klimaschonend weiterzuentwickeln. Denn nicht erst seit der letzten Hochwasserkatastrophe in Passau setzen sich Künstlerinnen, Künstler und Kultureinrichtungen vermehrt mit ihrem ökologischen Fußabdruck auseinander und wollen ihren Beitrag leisten gegen den Klimawandel.
Die Green Culture Anlaufstelle sorgt dabei für Wissenstransfer durch Best Practice-Beispiele und berät über Handlungsoptionen. Etwa Museen bei der Umstellung auf eine energieeffiziente Beleuchtung und Klimatisierung, Konzertveranstaltende dabei, Festivals durch nachhaltige Materialien und lokale Produkte ökologischer zu machen. Im Ergebnis entsteht so eine Win-Win-Situation, die Umweltschutz und Kosteneinsparungen verbindet und bestenfalls neue Besucherinnen und Besucher anzieht, die Wert auf Nachhaltigkeit legen.
Erstmals ein Festivalförderfonds
»Kultur für alle« meint ebenso Bayreuth wie Popkultur. Erstmals hat daher Claudia Roth ein Bundes-Förderprogramm für Pop-Festivals eingeführt. Der Festivalförderfonds unterstützt in erster Linie kleine und mittlere Musikfestivals. Auch große Festivals können bei der Initiative Musik einen Antrag stellen, vorausgesetzt sie leisten gute Nachwuchsförderung und eine anspruchsvolle und nachhaltige Programmplanung. Einmalig stehen für das Programm fünf Millionen Euro zur Verfügung. Bedenkt man auch die wirtschaftliche Bedeutung der Festivals für die jeweilige Region, sollte dieses erfolgreiche Förderprogramm ebenfalls fortgeführt werden.
Doch damit Kulturförderung zielgenauer gesellschaftlich-strukturelle Barrieren und soziale Ungleichheit überwinden kann, müssen wir mehr darüber wissen, wer welches Kulturangebot nutzt. Noch wird das bundesweite System KulMon zur Besucherforschung nicht einheitlich verwandt. Was fehlt, ist eine repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema »Kultur für alle? – Kulturelle Teilhabe in der Bundesrepublik Deutschland«, um endlich auch die Nicht-Besucher zu erreichen.
Der Kulturpass, die Green Culture Anlaufstelle oder der Festival-Förderfonds stehen für ein Förderprinzip, das Teilhabe und kulturelle Infrastruktur stärken will. Wer jetzt spart an Kunst und Kultur, setzt viel aufs Spiel. Vor allem den Zusammenhalt, den sie schaffen, so wie der Punk-Rock in der Kiewer Metro oder die Lesungen seiner Gedichte von Sherji Zhadan.