Nach der Defintion im Medienstaatsvertrag (§ 2 Abs. 2 Nr. 27 MStV) versteht man unter Kultur insbesondere: Bühnenstücke, Musik, Fernsehspiele, Fernsehfilme und Hörfilme, bildende Kunst, Architektur, Philosophie und Religion, Literatur und Kino.
Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF veranstalten wie bisher die Vollprogramme »Erstes Deutsches Fernsehen (Das Erste)« bzw. »Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)« nach Maßgabe des insofern unveränderten MStV einschließlich des öffentlich-rechtlichen Kulturauftrags. Die gemeinsamen bundesweiten Angebote der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten sollen künftig auch im Bereich der Kulturberichterstattung stärker dem regionalen Profil der ARD entsprechen und die regionale Vielfalt Deutschlands wahrnehmbar machen, indem sie
- über das regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen einen Überblick geben,
- die Lebenswirklichkeit der Menschen in den Ländern und Regionen abbilden, und
- die Auswirkungen überregionaler Ereignisse auf die Länder und Regionen Deutschlands einordnen.
Darüber hinaus veranstalten ARD und ZDF künftig Fernsehprogramme unter dem neuen Oberbegriff »Schwerpunktangebote« (§ 28 a MStV). Der Staatsvertragsentwurf verknüpft damit vier Reformziele:
- Reduktion der Anzahl digitaler Spartenkanäle,
- Abbau von Mehrfachstrukturen,
- Nutzung der Möglichkeiten der Flexibilisierung und
- Stärkung der Angebote für junge Menschen.
Mit kulturellem Schwerpunkt realisieren ARD und ZDF weiterhin gemeinsam die Vollprogramme »3sat« unter Beteiligung von SRG und ORF sowie »arte – Der europäische Kulturkanal«, das auf einem völkerrechtlichen Vertrag der Gesamtheit der Länder mit Frankreich beruht. Die Inhalte von »3sat« sollen dabei in Abstimmung mit den beteiligten öffentlich-rechtlichen europäischen Partnern in das Vollprogramm »arte« und dessen Mediathek sowie (!) in die beiden Hauptprogramme von ARD und ZDF überführt werden. Für den öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag wichtige Inhalte, die heute nur in Spartenkanälen stattfinden, sollen also zukünftig vom Ersten und Zweiten übernommen werden. Diese Maßgabe ist nicht als Rechtsverpflichtung ausgestaltet, allerdings erwarten die Länder eine konstruktive und konsequente Herangehensweise der Anstalten an diesen Auftrag. Wegen der unterschiedlichen Vertragsgrundlagen werden sich Anstalten mit ihren Vertragspartnern in Verbindung setzen, die in die Fortentwicklung der Kooperationen sicherlich auch eigene Vorstellungen einbringen werden. Erst dann wird sich klären, ob und wie Inhalte und bewährte Formate in die neuen Umfelder integriert werden können. Berücksichtigt man, dass die kulturellen Spartenkanäle von vergleichsweise wenigen Zuschauern gesehen werden – die Sehbeteiligung bei »3sat« liegt im Schnitt nur bei 1,4 Prozent –, fragt man sich, ob alle Streiterinnen und Streiter dafür tatsächlich auch regelmäßig einschalten. In Anlehnung an Lessings Epigramm auf Klopstock: arte und 3sat wollen weniger erhoben und fleißiger gesehen sein.
Die Verpflichtung der Anstalten, auch in ihren Hauptprogrammen kulturelle Formate zu stärken, ist nicht neu. Sie ist bereits durch den am 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Dritten Medienänderungsstaatsvertrag inhaltlich und konzeptionell vorbereitet worden. Bis dahin rangierte »Kultur« im Rundfunkauftrag eher unter »ferner liefen«. Mit der damaligen Auftragsreform ist die Verpflichtung zu kulturellen Angeboten in der Aufzählung für öffentlich-rechtliche Angebote bewusst an erste Stelle gesetzt worden, noch vor Bildung, Information und Beratung. Unterhaltung mit einem öffentlich-rechtlichen Profil ist seitdem nicht mehr an erster Stelle, sondern nur »Teil des Auftrags«. Manche haben dies als unerheblich abgetan; es war aber ein erster Schritt zur Stärkung des öffentlich-rechtlichen Kernprofils, dem nun konsequent der zweite Schritt folgt. Statt weiter für den Status quo zu streiten, sollte das kulturelle Deutschland den Reformstaatsvertrag produktiv aufladen und die Stärkung des kulturellen Profils in den bundesweiten Hauptprogrammen einfordern: mehr kulturellen Content im Ersten und Zweiten – und das in den Kernzeiten, nicht mehr am Rande des Programms.
Darüber hinaus verantworten ARD und ZDF künftig gemeinsam zwei Angebote mit den Schwerpunkten Information, Bildung und Dokumentation. Das betrifft die bisherigen vier linearen Spartenkanäle Tagesschau 24, Phoenix, ARD-Alpha und ZDF Info. Auch diese Angebote ergänzen die beiden Hauptprogramme und absorbieren die Themenfelder nicht. Im Bereich der bundesweiten »jüngeren Angebote« werden die bisher vier Programme, nämlich KiKa, funk, ZDF neo und ARD One künftig in einem Angebot für Kinder, einem für junge Menschen und einem für jüngere Erwachsene zusammengefasst. Es steht den Anstalten vorerst frei, sie – wie bei funk – in entsprechende Telemedienangebote zu überführen, um ihre Zielgruppen besser zu erreichen.
Bedenkt man, dass die »Spartenkanäle« ursprünglich überwiegend als digitale Zusatzprogramme ausgestaltet waren, um den inzwischen vollzogenen Umstieg von linearen zu digitalen Angeboten zu beschleunigen, war es überfällig, sie nach einer Revision in einer Weise auszurichten, die nicht mehr von technologischen, sondern von inhaltlichen Aspekten bestimmt ist.
In der Frage der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde bisher keine Entscheidung getroffen. Die Regierungchefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich jedoch einig, dass ein verändertes Finanzierungsmodell geprüft werden soll. Ferner unterstreichen sie die Notwendigkeit zur Stärkung der gesellschaftlichen Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dass die Rundfunkanstalten die heute schon möglichen Einspar- und Strukturoptimierungsmöglichkeiten nutzen und bei ihrer nächsten Bedarfsanmeldung den Reformen Rechnung tragen.
In Verbindung mit weiteren wichtigen Reformschritten mag der Reformstaatsvertrag zwar kein »großer Wurf« sein, aber es handelt sich um einen weitreichenden Schritt zur Veränderung des Status quo, dem sicher weitere folgen werden. Insofern ist es wie im Sport: Nach der Reform ist vor der Reform.
Wenn sich alle Erwartungen erfüllen, werden kulturelle Angebote mit der Übernahme in die Hauptprogramme zu vernünftigen Sendezeiten wesentlich größere Reichweiten haben, als dies bisher in den Spartenkanälen der Fall gewesen ist. Es besteht daher kein Anlass zur Resignation.