Aktuell sind 54 Welterbestätten auf der UNESCO-Welterbeliste verzeichnet. Darunter sind drei Weltnaturerbestätten, die Grube Messel, das Wattenmeer, Alte Buchenwälder und Buchenurwälder, und 51 Weltkulturerbestätten. Von diesen 51 Weltkulturerbe sind elf Kirchen bzw. Klosteranlagen. Die ersten beiden von der UNESCO anerkannten deutschen Weltkulturerbestätten sind Dombauten, und zwar der Aachener Dom, anerkannt 1978, und der Speyerer Dom, anerkannt 1981. Es folgten 1983 die Wallfahrtskirche »Die Wiesn«, 1985 Dom und Michaeliskloster Hildesheim, 1991 Kloster Lorsch und Altenmünster, 1993 Klosteranlage Maulbronn, 1996 Kölner Dom, 2014 Karolingisches Westwerk und Civitas Corvey, 2018 der Naumburger Dom, 2020 die Klosterinsel Reichenau und schließlich 2024 die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine.

Neben den zehn kirchlichen Bauten die als UNESCO-Weltkulturerbe geführt werden, spielen kirchliche Bauten auch in anderen deutschen UNESCO-Weltkulturerbestätten eine bedeutende Rolle. Werden diese zu den elf Kirchen und Klöstern addiert, haben immerhin 18 der 51 deutschen UNESCO-Weltkulturerbestätten einen kirchlichen Bezug. Das ist ein beträchtlicher Wert und belegt, welche Bedeutung mit Blick auf die internationale Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe Kirchenbauten haben.

Mehr als Hüllen

Diese UNESCO-Welterbestätten zeugen von der Frömmigkeit, der Baukunst, dem Mut und dem Einfallsreichtum kirchlicher Bauherren. Die Gebäude waren und sind mehr als Hüllen, um Gottesdienste zu halten. Sie sind sakrale Orte, sie sind Meisterwerke der Handwerkskunst, und vor allem waren sie Orte, an denen die Grenzen von Statik, von Materialien und von Technik ausgelotet wurden. Sie faszinieren noch heute die Menschen. Viele der Kirchengebäude werden weniger als Orte für den Gottesdienst und das Gebet, sondern vielmehr als kulturelle Orte wahrgenommen. Neben dem herausragenden Gebäude tragen hierzu die Bilder, Skulpturen, die Gestaltung des Altars, von Fenstern sowie die Kirchenmusik bei.

Die genannten UNESCO-Weltkulturerbestätten legen ein beredtes Zeugnis von der Bedeutung von Kirchenbauten für das kulturelle Leben in Deutschland ab. Sie prägen Städte und Landschaften. Die Kirche war und ist ein wichtiger Auftraggeber für Baumeister, Architekten, Statiker, Restauratoren, Glasmaler, Bildende Künstler usw. Die Gestaltung eines Kirchenfensters ist nach wie vor eine wichtige und herausfordernde Aufgabe für Künstlerinnen und Künstler – ganz unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht. Ein solches Fenster schafft Ruhm für die Ewigkeit.

Die Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe ist eine Auszeichnung im weltweiten Maßstab. Die Mehrzahl der Kirchenbauten, also Kirchen, Klöster aber auch Gemeindehäuser, sind aber nicht im Weltmaßstab relevant, sondern haben vor allem eine regionale oder lokale Bedeutung. Nicht wenige stehen unter Denkmalschutz, woraus eigenständige Anforderungen an den Erhalt und die Pflege entstehen.

Aber auch diese Kirchenbauten wurden bzw. werden von Architekten geplant oder von Restauratorinnen restauriert, die Wände und Fenster wurden von Künstlerinnen und Künstlern gestaltet, der Altar und die liturgischen Geräte, Abendmahlskelch, Kreuz usw. wurden von Gold- und Silberschmieden geschaffen.

Darüber hinaus sind Kirchenbauten Wegmarken. Immer wieder eindrücklich ist für mich die Kirche, in der ich konfirmiert wurde. Die zwischen 1816 und 1819 erbaute Rundkirche in Oberneisen ist die einzige Rundkirche nördlich der Alpen mit einem Altar, der in der Mitte des Kirchraums steht. Die auf einer Anhöhe stehende Kirche ist bereits von weitem sichtbar und ein besonderes Baudenkmal in Rheinland-Pfalz.

Aktuelle Herausforderungen

So bedeutsam Kirchenbauten sind, so sehr sie bewundert werden und so stolz eine Gemeinde auf ihre Kirche ist, so wird die Freude, ein besonderes Baudenkmal sein eigen nennen zu können, oft von der Last, das Eigentum zu pflegen und permanent instand zu halten, überschattet. Viele Kirchengemeinden sind schlicht finanziell überfordert, um die Kirchengebäude adäquat aufrechtzuerhalten. Das gilt nicht nur für Ostdeutschland, wo die Situation aufgrund sehr weniger Kirchenmitglieder besonders verschärft auftritt. Aber auch andernorts stehen Gemeinden vor der Frage und Herausforderung, wie mit einem Gebäude umgegangen werden soll, das selten genutzt wird und dennoch gepflegt, beheizt, geputzt usw. werden muss. Gerade im ländlichen Raum finden Gottesdienste oftmals in den Dorfkirchen nur noch alle paar Wochen statt, die restliche Zeit steht die Kirche leer und muss gleichwohl, um Feuchtigkeit und Schimmelbildung zu vermeiden, im Winter zumindest halbwegs warmgehalten werden. Ganz zu schweigen von den Orgeln, die ebenfalls keinen ständigen Temperaturschwankungen ausgesetzt werden dürfen. Andernorts sind die Kirchen aufgrund sinkender Zahlen an Kirchenmitgliedern schlichtweg zu groß. Allenfalls Heiligabend oder zu Konfirmationen sind sie noch gefüllt,

Viele Gebäude der Nachkriegsmoderne wie zum Beispiel die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin sind dringend renovierungs- bzw. erhaltungsbedürftig. Die filigrane Betonstruktur bröselt und muss dringend erneuert werden. Die denkmalgerechte Sanierung des Bauensembles von Kirche, Kapelle, Glockenturm und Nebengebäude überfordern die Kirchengemeinde. Zum Glück konnten zusätzliche Mittel von Stiftungen, vom Land Berlin und vom Bund eingeworben werden, damit die Kapelle saniert werden konnte. Aktuell steht die Sanierung des Glockenturms an. Auch die St. Hedwigskathedrale, die katholische Bischofskirche in Berlin, konnte nur dank zusätzlicher Mittel umfassend saniert werden. Die beiden Beispiele aus Berlin stehen pars pro toto für viele Kirchen und die Herausforderung für viele Kirchengemeinden in Deutschland.

Viel Wirbel um die Thesen des Kirchenmanifests

Das im Mai 2024 erschienene Kirchenmanifest hat eine öffentliche Diskussion um die Zukunft von Kirchengebäuden entfacht. Was lange Zeit vor allem ein Thema und eine Aufgabe der einzelnen Kirchengebäude oder Landeskirchen bzw. Diözesen war, bekam auf einmal öffentliche Aufmerksamkeit. Mit Aplomb meldete sich eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Denkmalpflegerinnen und Denkmalpflegern zu Wort und formulierte sieben prägnante Thesen, die sie jeweils kurz erläuterten. Die Thesen lauten:

  • Kirchenbauten sind mehrfach codierte Orte
  • Kirchenbauten fordern Teilhabe
  • Kirchenbauten sind radikal öffentliche Orte
  • Kirchenbauten sind nachhaltiges Kulturerbe
  • Kirchenausstattungen gehören zum Erbe Europas
  • Kirchenbauten sind Dritte und Vierte Orte
  • Kirchenbauten brauchen eine neue Trägerschaft

In der Amtskirche und bei den kirchlichen Bauämtern sorgten die Thesen für viel Wirbel. Dabei ging es zunächst weniger um den Inhalt der Thesen als vielmehr um die Veröffentlichung, ohne dass vorher die für Bau zuständigen Verantwortlichen der Kirchen einbezogen worden waren.

In der Mehrzahl der Thesen werden Fragestellungen angesprochen, die für die in den Kirchen Verantwortlichen selbstverständlich sind. Als problematisch wird zumeist nur die letzte These, die Überführung von Kirchenbauten in eine neue Trägerstruktur, angesehen. Die Autorinnen und Autoren schreiben: »Wir fordern eine neue Stiftung oder Stiftungslandschaft. Wird das Eigentum an bedrohten Kirchenbauten und ihren Ausstattungen durch eine Stiftung übernommen, verringert sich der wirtschaftliche Verwertungsdruck. Als Vorbild steht das erfolgreiche Modell der ›Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur‹ bereit, die vom Bund, vom Land Nordrhein-Westfalen, von der RAG-Stiftung, der RAG AG und vom Regionalverband Ruhr finanziell gefördert wird. So können in Nordrhein-Westfalen seit 1995 Bauten gesichert, erforscht, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und neuen Nutzungen zugeführt werden. Eine breit aufgestellte Verantwortungsgemeinschaft mit Staat, Gesellschaft und weiteren Akteurinnen und Akteuren sieht die Kirchen als kooperative Partnerinnen. Mit lokalen bzw. regionalen Partnerschaften kann eine Stiftung Nutzungskonzepte entwickeln, die dem Denkmalwert der Kirchenbauten angemessen sind, das Recht auf Teilhabe verwirklichen und auf Nachhaltigkeit angelegt sind. Kirchenbauten und ihre Ausstattungen gehören nicht allein den kirchlichen Institutionen und Gemeinden. Als ererbte Räume sind sie Gemeingüter, sie gehören allen.«

Keine einheitliche Lösung

Hier wird vor allem von Nordrhein-Westfalen aus gedacht und an die Erfahrungen mit der Nutzung von Industriebrachen angeknüpft. Es ist positiv, dass so ein radikaler Vorschlag auf dem Tisch liegt. Gleichwohl muss bedacht werden, dass mit den Kirchenbauten in der gesamten Bundesrepublik eine weitaus größere Aufgabe zu stemmen ist als beim Umgang mit ehemaligen Industriebauten und dass überdies, anders als bei Industriebrachen, die Gotteshäuser in Gebrauch sind.

Meines Erachtens kann es keine einheitliche Lösung für alle Kirchen geben. Es ist gut, wenn viele Menschen sagen: Wir wollen unsere Kirche im Dorf, in der Stadt behalten. Deswegen muss man über verschiedene Modelle nachdenken. Es wird Unterschiede geben zwischen der evangelischen Kirche, in der es andere Trägermodelle gibt, und der katholischen Kirche, wo hierarchischer über diese Fragen entschieden wird. Das Neue an diesem Kirchenmanifest ist, dass es eine breite Bewegung gibt, die sagt: Es ist uns nicht egal, was mit diesen Kirchenräumen passiert. Das kann man nur gut finden. Aus kulturpolitischer Sicht problematisch ist vielmehr, dass Kirchen zu Gemeingütern erklärt werden, die allen gehören. Hier ist meines Erachtens mehr Sorgfalt erforderlich, wenn es um Überlegungen zu neuen Rechtsformen geht. Nichtsdestotrotz ist das Kirchenmanifest eine große Chance, um die Diskussion über die Zukunft von Kirchengebäuden in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen.

Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass insgesamt bei öffentlichen Gebäuden ein erheblicher Investitionsstau besteht. Schulen, Bibliotheken, soziokulturelle Zentren, aber auch Museen und Theater befinden sich oft in einem erbarmungswürdigen Zustand. Es regnet durch, Einrichtungen platzen aus allen Nähten, Drehbühnen funktionieren nicht richtig, von Energieeffizienz kann keine Rede sein, und das sind nur einige wenige der zahlreichen Probleme, vor denen die Kommunen bzw. Länder als Träger von Einrichtungen stehen.

Der in den letzten Jahrzehnten aufgebaute Investitionsstau wird nur langsam abgebaut werden können. Die im März von Deutschem Bundestag und Bundesrat gebilligte Schuldenaufnahme hat immerhin grundsätzlich Wege eröffnet, um gezielt Investitionen zu tätigen und dabei auch Nachhaltigkeitsaspekte und Klimaschutz zu berücksichtigen.

Weiter könnte ich mir vorstellen, dass nicht mehr für religiöse Zwecke genutzte Kirchen stärker für kulturelle in den Blick genommen werden. Dafür ist es natürlich notwendig, dass diejenigen, denen diese Kirchen gehören, darüber entscheiden, ob sie sich diese Umnutzung vorstellen können. Ferner wird eine Nutzung als Kulturort auch nicht immer sofort möglich sein, sondern entsprechende Umbaumaßnahmen zunächst vorgenommen werden müssen. Meines Erachtens bieten zumindest in Städten die ohnehin stattfindenden Diskussionen zur Belebung der Innenstädte eine Reihe von Anknüpfungspunkten für Kirchengemeinden, Kulturinteressierte sowie Stadtentwicklerinnen und -entwickler, neue Wege zu gehen. Der Umbau der Innenstädte ist eine wichtige Zukunftsaufgabe und es wäre gut, wenn sich alle, die Kirchen, die Kultureinrichtungen und die Bürgerinnen und Bürger, hier einmischen. Es geht schließlich um die unmittelbare Umgebung und wer möchte schon, dass diese unwirtlich ist und verkommt.

Kirchengebäude haben verschiedene Funktionen und Bedeutungen. Sie sind Erinnerungsorte, Orte des Glaubens und der Begegnung. Sie sind aus deutschen Städten und Dörfern nicht wegzudenken. Es ist daher gut, wenn sich viele am Nachdenken über die Zukunft dieser Kulturorte beteiligen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2025.