Vielfältige Kultur: Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs berichtet im Gespräch mit Ludwig Greven über seine Vorhaben und eine politische Gestaltung der Künstlichen Intelligenz (KI).
Ludwig Greven: Waren oder sind Sie selbst künstlerisch oder musikalisch aktiv?
Falko Mohrs: Als Waldorf-Schüler habe ich Theater und Querflöte gespielt. Politisch hat Kultur angefangen mich zu beschäftigen, als ich mich im Deutschen Bundestag in der Coronazeit für Hilfen auch an die Kreativwirtschaft eingesetzt habe. Kommunalpolitisch war ich längere Zeit im Aufsichtsrat des »Hallenbad –Kultur im Schachtweg« in Wolfsburg.
Was haben Sie sich in der Kulturpolitik vorgenommen?
Ein Schwerpunkt sind Hilfen an die Kulturschaffenden für die Folgen, die durch Corona und die Energiekrise verursacht worden sind. Wir ergänzen, wie andere Länder auch, das Bundesprogramm mit Landesmitteln. Aus unserem Soforthilfeprogramm sind 27 Millionen Euro zur Bewältigung der Auswirkungen des russischen Angriffskrieges für Kultureinrichtungen und die Erwachsenenbildung vorgesehen. Die Veranstaltungswirtschaft unterstützen wir mit 50 Millionen Euro, um das wirtschaftliche Risiko aufgrund des schwankenden Publikumsverhaltens abzufedern. Außerdem ist mir wichtig, dass wir den Lebensunterhalt von Künstlerinnen und Künstlern dauerhaft sichern und die auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage von Kulturschaffenden konsequent weiterführen.
Die Einnahmen von Kultureinrichtungen und Künstlern brechen auch wegen der durch die Pandemie verstärkten Verlagerung ins Internet weg. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Der digitale Wandel bietet für die Kultur- und Kreativbranche unzählige Chancen, neue und spannende Formate zu entwickeln. Ich möchte diesen Wandel positiv begleiten und Kulturschaffende und -institutionen bei Veränderungsprozessen unterstützen.
Wie stark ist die kreative Szene in Niedersachsen?
Wir haben eine große kulturelle Vielfalt, die gerade im ländlichen Raum prägend für die unterschiedlichen regionalen Identitäten ist. Auch der vermeintlich kleine Bereich, die lokalen Initiativen, Theater und Museen, ist wichtig, deshalb fördern wir auch die Beratung solcher Gruppen, sich zu professionalisieren, und unterstützen bei kleinen Investitionen. Da geht es manchmal nur um ein paar Tausend Euro für neue Bühnen- oder Tontechnik, aber allein können diese Gruppen es oft nicht stemmen. Dann haben wir natürlich auch noch unsere großen Einrichtungen wie z. B. die Staatstheater und Landesmuseen. Wir haben also ein vielfältige und überall im Land vertretene Kreativszene.
Im Deutschen Bundestag haben sie sich auch mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Durch ChatGPT wird sie gerade populär. KI produziert nicht nur Texte, sondern auch Musik, Grafiken und Kunstwerke. Sehen Sie die Gefahr, dass sie Kreative verdrängt?
Diese Sorge habe ich nur sehr begrenzt. Wir sollten uns mit KI differenziert, aber auch gelassen auseinandersetzen. Sie ersetzt nicht menschliche Intelligenz und Kreativität, sondern ergänzt und erweitert sie. Das ist auch mein Ansatz: Sie muss menschenzentriert sein, die Verantwortung muss am Ende bei Menschen liegen. Ein Beispiel, wie man KI kreativ einsetzen kann: Rembrandts berühmte »Nachtwache« wurde, als man es 1715 ins damalige Amsterdamer Rathaus brachte, aus Platzgründen beschnitten. Man hat KI mit diesem Bild, anderen Werken von Rembrandt und einer kleinen Kopie eines anderen Künstlers gefüttert und sie ausrechnen lassen, wie die fehlenden Teile aussehen könnten. Man weiß natürlich nicht, wie Rembrandt sie gemalt hat. Aber es zeigt, wie man mithilfe von KI Blicke verändern und erweitern kann.
Doch es gibt durchaus Ängste von Kreativen, dass sie durch KI überflüssig werden.
Grundsätzlich würde ich, wie bei allen technischen Neuerungen, sagen: nichts per se verteufeln und verhindern, sondern konstruktiv und aktiv gestalten. Auch die mechanischen Webstühle wurde nicht aufgehalten, indem man sie verbrannt hat.
Aber sie haben viele Weber arbeitslos gemacht. Auch jetzt fürchten beispielsweise Grafiker, dass Auftraggeber Grafiken künftig billiger von KI gestalten lassen.
KI wird, wie die gesamte Digitalisierung, auch die Arbeit von Kreativen verändern, sie aber nicht überflüssig machen. Unsere politische Aufgabe ist es, Menschen zu befähigen, damit verantwortungsbewusst und gewinnbringend umzugehen.
Kann KI überhaupt kreativ sein, also etwas Neues schaffen?
Sie kann auf der Basis von Gelerntem etwas schaffen, was es vorher nicht gab. Aber nach jetzigem Stand ist sie weit davon entfernt, eigene kreative Leistungen zu erbringen.
Die Firmen wittern ein Milliardengeschäft. Für die KI-Programme nutzen sie jedoch auch Texte von Autoren, Musik von Sängern und Bands sowie Werke von Künstlern und Grafikern. Muss der Staat hier eingreifen, um die Rechte der Kreativen zu schützen und ihnen einen Anteil an den Erlösen zu sichern, wie bei den Streamingdiensten und sozialen Medien?
Die Politik muss im Sinne der Datennutzung und des Urheberschutzes einen Rahmen schaffen. Da wartet noch eine Menge Arbeit auf uns.
Braucht es eine weitere Reform des Urheberrechts? Wer ist bei einem Produkt von KI Urheber?
Auch diese Frage muss noch geklärt werden. Wir stehen da erst ganz am Anfang.
Vielen Dank.