Sebastian Krumbiegel, bekannter Sänger und Frontmann der Band »Die Prinzen«, engagiert sich für Integration und Menschenrechte – auch im Rahmen des Aktionstags der Initiative kulturelle Integration »Zusammenhalt in Vielfalt«. Dieser findet am 21. Mai 2026 statt. Bundesweit sind Organisationen, Bündnisse und Einzelpersonen aufgefordert, Aktionen im Sinne einer freien und vielfältigen Gesellschaft durchzuführen. Im Interview spricht Sebastian Krumbiegel über sein Engagement.
Barbara Haack: Du engagierst Dich seit vielen Jahren gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus, für Demokratie, für Menschenrechte, und zwar in vielen unterschiedlichen Organisationen und auch in Deiner Musik. Was treibt Dich an?
Sebastian Krumbiegel: Ich glaube, dass wir selbst viel mehr machen können, als wir oft denken. Ich denke, dass wir es sind, die sich darum kümmern müssen, in was für einer Welt wir leben. Ich habe von meinen Eltern und von meinen Großeltern einen Kompass mitbekommen, mich selbst um Sachen zu kümmern und für Sachen gerade zu stehen. Ich würde das auch machen, wenn ich einen anderen Beruf hätte. Da würden es nur nicht so viele Leute merken. Das ist der Vorteil und manchmal natürlich auch der Nachteil davon, dass man eine öffentliche Person ist, dass man einerseits gehört wird, andererseits aber dafür nicht nur Applaus kriegt, sondern auch Ablehnung.
Hat zu dieser Haltung Deine Jugend und Sozialisation in der DDR etwas beigetragen?
Ich glaube, dass es damit nichts zu tun hat. Es gibt ein prägendes Erlebnis, das meine Großmutter mir, als ich 15 Jahre alt war, vom 9. November 1938 in Leipzig erzählt hat. Sie stand in der Straßenbahn und hat dort gesehen, was passiert ist, dass Leute drangsaliert, bespuckt, beleidigt, geschlagen und deportiert worden sind. Sie war damals 19. Sie sagte: »Ich habe wie alle anderen Leute weggeguckt, und heute schäme ich mich so dafür.« So etwas sitzt bei einem 15-jährigen Bengel!
Wie nimmst Du die Integration zurzeit wahr? Geht die Akzeptanz von Diversität gerade wieder zurück?
Auf jeden Fall. Vieles, von dem wir gedacht hatten, es wäre ein für alle Mal geklärt, wird jetzt wieder zurückgedreht. Das besorgt mich einerseits. Aber andererseits, und das ist es, was ich zurzeit bei all meinen Konzerten sage: Wir dürfen nicht die Zuversicht verlieren. Wir müssen wissen, dass wir eine Kraft haben und dass wir etwas beeinflussen können. Sich zu engagieren ist keine Heldentat, am Ende ist das eine Sache, die Dich selbst total erfüllt, wenn Du merkst, dass Du damit an Deiner kleinen Front vor Deiner Haustür Dinge verändern kannst.
Du thematisierst die Dinge, für die Du Dich engagierst, auch in der Musik, in Deinen Texten. Welche Wirkung kann Kunst auf der politischen, auf der gesellschaftlichen Ebene haben?
Man darf sich da nicht überschätzen. Man darf sich aber auch nicht unterschätzen. Die Hippies in den 1960er Jahren haben gedacht, sie können den Vietnamkrieg beenden, und sie können die Welt retten. Haben sie nicht so richtig geschafft. Aber sie haben trotzdem eine Menge geschafft. Sie haben ein Bewusstsein geschaffen.
Heißt das, man darf die Rolle von Kunst nicht überschätzen?
Nein. Ich hatte gerade ein Treffen mit Michel Friedman, der mir gesagt hat, Du hast einen unschätzbaren Vorteil. Du kannst mit deiner Musik ganz anders Leute erreichen als ich mit meinen Worten. Musik kann sofort eine Brücke bauen und Leute emotional berühren. Und wenn man die Leute emotional berührt, sind sie viel offener für das, was man ihnen eigentlich sagen will. Ich möchte niemanden belehren, niemandem sagen, wo es lang geht, weil ich selbst auch suche. Das artikuliere ich auch bei meinen Veranstaltungen. Da merken die Leute: Hey, mir geht es genauso. Hier sitzt nicht jemand, der mir populistisch etwas vom Pferd erzählt und der mir sagt, ich habe eine Lösung. Die Leute, die sagen, dass Lösungen eindimensional sind, die nennen wir Populisten, und von denen halte ich gar nichts.
Du hast im Zusammenhang mit der Präsentation Deines Buches einmal gesagt, im Wort Unterhaltung steckt auch der Begriff Haltung. Würdest Du sagen, dass es zu wenige Unterhaltungskünstler gibt, die auch so eine deutliche Haltung zeigen?
Das muss jeder für sich selbst wissen. Ich will da keinem vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat. Aber natürlich würde ich mir wünschen, dass Leute, die extrem mainstreamig unterwegs sind, sich ab und zu äußern, gerade zu dem Rechtsruck, den wir gerade erleben, oder zum Rassismus oder zu dem unfassbaren Antisemitismus. Natürlich wäre es cool, wenn ein Florian Silbereisen oder eine Helene Fischer sich manchmal positionieren würden. Aber ich weiß, dass es schwer ist, sich zu positionieren.
Und nicht alle positionieren sich gleich.
Wenn ich sehe, dass Leute aus meiner Bubble auf einmal auf einer anderen Seite stehen, z. B. beim Thema Israel, wenn sie das Existenzrecht Israels infrage stellen, dann ist das für mich ein Riesenproblem. Antisemitismus ist eine Sache, bei der sich gerade alle die Hände zu reichen scheinen. Das ist für mich sehr schwierig. Aber wir versuchen, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen und nicht zu sagen: Du hast eine andere Meinung als ich, deswegen hasse ich Dich jetzt, sondern: Du hast eine andere Meinung als ich, deswegen rede ich mit Dir. Zurzeit haben wir das scheinbar ein bisschen verlernt. Aber natürlich gibt es Leute, mit denen ich auch nicht rede. Ich sage bei allen Talkshoweinladungen, die ich kriege, ich komme sehr gern vorbei, aber nur, wenn niemand von dieser sogenannten AfD in der Runde sitzt. Ich rede nicht mit den Kadern. Aber ich rede mit allen anderen Leuten.
Du engagierst Dich auch für ein anderes Projekt, das ebenfalls für das Thema Zusammenhalt steht oder stehen kann: das Grüne Band. Wir haben vor 35 Jahren durch die Zerstörung der Mauer eine Spaltung überwunden. Das grüne Band, der ehemalige Todesstreifen zwischen zwei deutschen Staaten, ist ein Symbol für die Spaltung, aber auch für die Wiedervereinigung. Heute ist es ein Biotop, ein Naturort, aber auch ein Kulturort. Kann das Grüne Band tatsächlich ein Symbol sein oder auch ein konkreter Ort, um gegen Rechtsextremismus und für Verständigung und Frieden zu kämpfen?
Alles kann es sein. Alles, was wir daraus machen. Das Bizarre an dieser ehemaligen deutsch-deutschen Grenze ist ja, dass sich in diesem Todesstreifen, den keiner betreten durfte, die Natur ausbreiten konnte und dass dort Dinge entstanden sind, die wirklich ein grünes Band sind, das quer durch das Land geht. Das als Metapher zu sehen, als Chance, diese ehemalige Grenze zu benutzen, um aufeinander zuzugehen, halte ich für eine großartige Idee. Und ich sehe das auch als praktischen Begegnungsraum. Den sollte man nutzen und Menschen ermutigen, miteinander zu reden.
Wir als Band, als »Prinzen«, wir waren ja die ersten, die damals ziemlich schnell nach dem Mauerfall ziemlich erfolgreich die Hallen in Ost und West gefüllt haben. Damals haben wir gemerkt, dass es krude Vorstellungen davon gab, wie wir im Osten gelebt haben. Habt ihr alle Russisch gesprochen, gab es bei euch – ich übertreibe jetzt ein bisschen – elektrisches Licht, Gas, Strom, fließend Wasser? Oder diese Frage, mit der ich oft konfrontiert wurde und werde: Warum bist du damals nicht geflohen? Ich sage den Leuten immer: Was denkt ihr denn, wie wir damals gelebt haben? Natürlich haben wir uns eingerichtet. Wir hatten ein lebenswertes Leben. Ich weiß, dass es schwierig ist, das so eindimensional zu sagen, weil es eben auch Leute gab, die das nicht hatten. Ich möchte das auf gar keinen Fall bagatellisieren. Wir wissen alle, dass die DDR kein demokratischer Rechtsstaat war. Aber dieses Schwarz-Weiß-Denken sollten wir versuchen, hinter uns zu lassen.
Der Aktionstag der Initiative kulturelle Integration »Zusammenhalt in Vielfalt« findet am 21. Mai 2026 statt. Du engagierst Dich dort. Wie genau?
Diese Veranstaltung ist mir sehr wichtig, ich nehme sie sehr ernst. Ich habe dafür ein Lied geschrieben, das wir so, wie ich eben gesagt habe, als emotionale Brücke benutzen wollen, um die Leute dazu zu ermutigen, uns zu hören und einander zuzuhören und miteinander zu reden. Da brauchen wir viel Medienöffentlichkeit.
Mein Lied heißt »Keine Angst«. Eigentlich singe ich mir das selbst vor. Natürlich habe ich Angst. Und natürlich mache ich mir ernsthaft Sorgen über das, was gerade abgeht. Dass wir Kriege gegeneinander führen, obwohl wir uns eigentlich um den Planeten kümmern müssten, der vor die Hunde geht. Und was machen wir? Wir machen das Gegenteil von dem, was wir eigentlich machen müssten. Ich versuche mich einzubringen und ertappe mich immer dabei, auch bei meinen Auftritten, dass ich schon fast wie ein Prediger rede. Ich will das eigentlich nicht sein. Aber der Grat ist schmal, auf dem ich mich bewege, wenn ich Dinge anspreche. Ich möchte niemandem vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat. Ich suche selbst nach Antworten. Das ist am Ende mein Credo: Wenn ich wüsste, wo es langgeht, würde ich es gerne euch allen da draußen sagen. Aber ich weiß es nicht. Und ich kann nur versuchen, euch zu sensibilisieren und mich selbst auch.
Vielen Dank.