Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung in der Kultur- und Medienbranche ist ein Thema, das nicht nur den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages immer wieder beschäftigt. Auch im Plenum des Deutschen Bundestages wurde darüber diskutiert.

Von einer Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung in dieser Branche sind wir allerdings leider noch weit entfernt. Die Daten, die der Deutsche Kulturrat in einer Studie veröffentlicht hat, belegen, dass die Situation inder Kulturbranche teilweise noch erschreckender ist als z. B. in der Wirtschaft.

Obwohl rund 75 Prozent der Studierenden im Bereich der darstellenden Künste Frauen sind, werden nur 22 Prozent der Theater von Frauen geleitet, sind nur 25 Prozent der inszenierten Stücke von Frauen geschrieben. Und je älter Frauen werden, umso weniger sind sie auf dem Bildschirm zu sehen. Gleiches gilt für den Medienbereich: Expertinnen, Moderatorinnen, Journalistinnen sind mit 30 Prozent und weniger in allen Formaten stark unterrepräsentiert.

Frauen verdienen sehr viel weniger als ihre männlichen Kollegen. Der Gender Pay Gap liegt zwischen 20 und 60 Prozent und Frauen sind häufig in prekären Arbeitsverhältnissen. Das wurde durch die Corona-Pandemie noch einmal sehr deutlich.

Auch wenn es für Gremien in bundesgeförderten Kultureinrichtungen eine Quotenregelung gibt, so reicht das bei Weitem nicht aus. Privat geführte Kultureinrichtungen und auch die Einrichtungen der Bundesländer sind hier gefordert. Sie müssen sich selbst verpflichten, für mehr Geschlechtergerechtigkeit und Chancengerechtigkeit in ihren Häusern zu sorgen. Dabei geht es vor allem darum, dass Frauen verstärkt auch in Führungspositionen kommen.

Ich halte es für richtig und wichtig, dass die Fördermittelvergabe des Bundes und auch der Länder an Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung bei den Projekten gekoppelt wird. Damit können wir positiven Einfluss nehmen. Zudem sollten Frauen mehr bei Förderentscheidungen beteiligt werden, denn das führt mittelfristig auch zu einer stärkeren Präsenz von Frauen im Kulturbereich.

Wir brauchen aber auch eine Studie, die kontinuierlich und systematisch die Bedingungen, differenziert nach Geschlechtern, im Kultur- und Medienbereich und Gleichstellungsaspekte untersucht. Denn nur so werden wir den Gender Pay Gap und auch den Gender Show Gap reduzieren und hoffentlich bald ganz überwinden können.

Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien ist kein Selbstzweck, sie entspricht dem verfassungsrechtlichen Ziel nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 unseres Grundgesetzes. Der Staat, alle staatlichen Ebenen müssen für Gleichstellung sorgen. Dies ist kein Widerspruch zur Freiheit der Kunst, sondern es sind zwei Seiten einer Medaille. Öffentlich finanzierte Einrichtungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk müssen hier eine deutlich stärkere Vorbildrolle einnehmen.

Um weiter voranzukommen, muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Kulturschaffende verbessert und Bewerbungs- und Auswahlverfahren möglichst anonymisiert werden. Wir brauchen Honorarempfehlungen in Förderrichtlinien und die finanzielle Unterstützung einer Expertinnen-Datenbank durch den Bund. Dafür hat sich auch immer wieder meine Kollegin Elisabeth Motschmann ausgesprochen. Auch die anderen Kulturpolitiker*innen und -politiker der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stehen hinter diesen Forderungen.

Die Geschlechtergerechtigkeit zwischen Mann und Frau ist das eine. Das andere ist, wie es bei weiteren Themen der Gleichstellung aussieht. Und da ist es noch dramatischer.

Diversität ist in Deutschland längst gesellschaftlich gelebte Realität. Doch im Kultur- und Medienbereich sieht es anders aus, wie uns die Initiative »Act­Out« vor Kurzem deutlich gemacht hat. Schauspieler*innen, die lesbisch, schwul, bi, trans*, queer, inter oder non-binär sind, wurde immer wieder gesagt, dass die Geschlechtsidentität nicht vereinbar sei mit der Fähigkeit, Rollen überzeugend zu spielen. Deshalb sollten sie sich nicht outen. Das ist absolut falsch, denn es ist ja gerade der Beruf von Schauspieler*innen jede Rolle zu spielen.

Ähnliches gilt auch für Menschen mit Migrationshintergrund oder mit einer Behinderung. Sie werden nur dann besetzt, wenn sie sich selbst spielen sollen. In vielen Fällen dürfen sie noch nicht einmal vorsprechen.

Das ist in meinen Augen wirklich ein Skandal, an dessen Überwindung wir als Politik und Gesellschaft gemeinsam arbeiten müssen. Denn auch hier lohnt wieder ein Blick in das Grundgesetz, in Artikel 3, Abs. 3: »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.« – Und ich ergänze: auch nicht wegen seiner sexuellen Orientierung.

Die Debatten sowohl im Kulturausschuss als auch im Deutschen Bundestag haben gezeigt, dass sich die demokratischen Parteien einig sind, dass wir bei diesen Themen mit Nachdruck Verbesserungen erreichen müssen. Unsere Gesellschaft ist viel weiter als das, was wir in Kultur und Medien zu sehen bekommen. Versuchen wir gemeinsam, diese Lücke zu schließen.

Gleichstellung und Gleichberechtigung sind unerlässlich für unser demokratisches System. Dazu möchte ich meine Kollegin Ulla Schmidt zitieren, die in der Debatte am 25. Februar 2021 zum Antrag »Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien verwirklichen« den Koalitionsfraktionen Folgendes gesagt hat:

»Deshalb ist der Kampf für Gleichstellung ein Kampf für die Freiheit von Kultur und Medien und für Demokratie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.« Dem ist nichts hinzuzufügen!

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2021.