Reisen verändert den Blick, sagt man. Und weit Reisen verändert die eigene Position dementsprechend hoffentlich auch etwas weiter. Eine meiner Schwestern ist schon vor einigen Jahrzehnten nach Australien ausgewandert. Jetzt konnte ich sie, nach zwei quälend langen Coronajahren, wieder einmal besuchen.
Australien ist weit weg vom Krieg in der Ukraine. Weit weg von Europa, mit seinen kleinen, großen und jetzt sogar wieder kriegerischen Konflikten, und ist doch weltpolitisch so nahe. Und Australien hat, wie wir in Europa, auch Angst. Angst, nicht vor Russland, sondern vor dem großen Nachbarn China. Australien rüstet deshalb massiv auf.
Die USA haben mit Großbritannien und Australien ein neues Sicherheitsbündnis für den Südpazifik unter dem Namen AUKUS gegründet. Australien hat gerade bei seinen Sicherheitspartnern nuklearbetriebene U-Boote bestellt und plant, an seiner Ostküste zur militärischen Abschreckung im Indopazifik einen neuen Militärstützpunkt für Atom-U-Boote aufzubauen.
Die EU ist bei der sich anbahnenden Eskalation im Indopazifik bisher nicht eingebunden. Nur Frankreich leckt noch seine Wunden, weil die Australier nicht französische U-Boote kaufen wollen, sondern den USA und England den Vorzug gaben.
Weltpolitik ist seit vielen Jahrzehnten fast ausschließlich Wirtschaftspolitik und nur selten Sicherheitspolitik und schon gar keine Kulturpolitik. Mit wem ich gute Geschäfte mache, mit dem kann ich friedlich zusammenleben, so die Devise. Kulturelle und soziale Fragen rückten bei diesen Betrachtungen regelmäßig in den Hintergrund.
Seinen deutlichsten Ausdruck für diese Ideologie findet man in den vielen in den letzten Jahren abgeschlossenen sogenannten Freihandelsabkommen. Deutlich mehr als 200 solcher internationaler Handelsvereinbarungen hat die Welthandelsorganisation verhandelt und abgeschlossen. Aber haben sie die Welt sicherer gemacht? Haben sie die Welt gerechter gemacht?
Der Krieg mitten in Europa, die entstehenden Konflikte im Pazifik, das Rumoren in Afrika und anderswo zeigen, dass Handelspolitik allein zu kurz greift. Wir brauchen endlich eine ganzheitlichere Sicht auf die Dinge, die nicht nur die Ökonomie in den Mittelpunkt stellt.
Kulturelles Wissen über unsere Freunde und über unsere Feinde in der Welt sind für unser Zusammenleben oftmals wichtiger als die meist auf den eigenen Vorteil aufgebauten Handelsabkommen. Das heißt, wir brauchen in der Zukunft wieder mehr Spezialisten für die Kulturen der anderen und weniger Geschäftemacher.