Für faire Entlohnung im Kunst- und Kulturbereich hat ver.di ein transparentes Modell zur Berechnung von Basishonoraren entwickelt, mit dem Ziel, es verbindlich in Förderrichtlinien zu verankern. Lisa Mangold gibt Auskunft.

ver.di hat eine Kampagne für Mindesthonorare für selbständige Kreative in Kunst und Kultur gestartet. Was ist der Anlass?

Die Einkommen von selbständigen Kulturschaffenden sind zu niedrig. Dabei wird Kultur zu großen Teilen aus Steuergeldern finanziert. Somit ist Kulturförderung die größte Einkommensquelle von Künstlern und Kulturschaffenden. Der öffentlichen Hand kommt ganz klar eine besondere Verantwortung zu. Doch bislang gibt es nur selten Kriterien, die bei der Vergabe öffentlicher Gelder garantieren, dass Mindesthonorare und soziale Standards gelten. Aktuell wird selbständige Kulturarbeit oft zu viel zu geringen Tages-/Stundensätzen geleistet. Außerdem wird nicht die gesamte Arbeitsleistung bezahlt, oft sind es nur die sichtbaren Zeiten, die entlohnt werden, viel bleibt unsichtbar und unbezahlt.

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist angekündigt, dass Mindesthonorare für selbständige Kreative in die Förderrichtlinien des Bundes aufgenommen werden. Doch bislang hat die Regierung keine transparenten Berechnungsgrundlagen oder konkreten Honorarvorstellungen. Auch einzelne Bundesländer wollen eine Mindesthonorierung als Bedingung in der Kulturförderung festsetzen. Aus Sicht von ver.di kann jetzt die Lösung nicht sein, dass alle Interessenverbände einzelne Honorarempfehlungen veröffentlichen und um einzelne branchenspezifische Faktoren gefeilscht wird. Da fallen auch einfach Berufsgruppen hinten runter, das ist nicht fair. Wir brauchen ein transparentes Berechnungsmodell, das von Politik und Verwaltung nachvollzogen und angewendet werden kann. Und das dynamisch ist, also auf Inflation reagiert und auf Veränderungen der Arbeitsrealitäten in der Kulturbranche reagieren kann. Hier setzen die ver.di-Basishonorare an.

Welche Mindesthonorare für Kreative in Kunst und Kultur empfiehlt ver.di? Worauf basieren diese Empfehlungen?

Die Berechnung der Basishonorare folgt zwei simplen Grundsätzen. Die real anfallende Arbeitszeit wird vergütet. Und der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes dient als Berechnungsgrundlage. Das heißt, wir sind von den Entgelten, die im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes stehen, ausgegangen. Und haben diese für die Arbeitsrealität von Selbständigen angepasst. Also Betriebsausgaben addiert sowie unter anderem die zusätzlichen Beiträge zu Sozialversicherungen für Selbständige. Auch wurde projektübergreifende Arbeitszeit einkalkuliert, also Tätigkeiten, die immer für Selbständige anfallen, wie Buchhaltung, Akquise oder Öffentlichkeitsarbeit. Aber auch Zeit für die künstlerische Weiterentwicklung. So sind wir auf Honorarsätze gekommen, differenziert in verschiedene Stufen, je nach Anforderungen der Tätigkeit.

Der Weg zu den Sätzen war ein komplexer Prozess, das Ergebnis ist jedoch einfach nachzuvollziehen. Nehmen wir das Beispiel der Musikerin, die für ein Konzert zwei Stunden auf der Bühne steht. Das Honorar ergibt sich nicht bloß aus 2 x Stundensatz. Schließlich gehören Proben sowie Absprachen mit Kolleginnen und Veranstaltern dazu. Die Ausgangsfrage lautet, wieviel Arbeitszeit fällt für die Musikerin bei dem Konzert an? Unsere Kollegen aus der Praxis haben klar gemacht, dass die Arbeitszeit variiert, je nachdem ob das zu spielende Repertoire bekannt ist und wie hoch der Probenbedarf ist. Sie sind daher auf 20, 30 und 60 Stunden Arbeitszeit gekommen, Letzteres bei hoher Komplexität, inklusive Konzeptionsphase. In der für Musikerinnen angemessenen Entgeltstufe 11 sind wir auf einen Stundensatz von 51,30 Euro gekommen, wenn sie Mitglied der Künstlersozialkasse sind. Somit liegen die Honorare für ein zweistündiges Konzert bei 866 Euro, 1.300 Euro und 3.078 Euro. Die Grundlagen sind transparent und für alle nachzurechnen. Das macht die Stärke des Modells aus. Wir haben das Modell gemeinsam mit gewerkschaftlich organisierten Kulturschaffenden und Interessenverbänden erstellt. Es wird also von einer breiten Basis getragen.

Welche Ziele verfolgt ver.di mit dem Modell zur Berechnung von Basishonoraren?

Eingangs habe ich gesagt, dass öffentliche Gelder eine wichtige Grundlage der Einkommen für Kreative bilden. Somit ist die staatliche Kulturförderung Teil der Struktur, die niedrige Einkommen zulässt und Armut fördert. Wir müssen fundamental umdenken. Kulturförderung muss immer auch heißen: Kulturarbeit fair finanzieren. Innerhalb von Kulturarbeit, die aus öffentlichen Geldern finanziert wird, müssen Honorare bezahlt werden, die einen Beitrag zu einem existenzsichernden Arbeiten und einer funktionierenden sozialen Absicherung ermöglichen. Das ist bisher einfach nicht der Fall!

Wir wollen, dass Basishonorare für Selbständige zur verpflichtenden Voraussetzung von Kulturförderung werden. Auf kommunaler Ebene sowie auf Bundes- und Landesebene. Dabei erhoffen wir, dass eine faire Bezahlung in der öffentlichen Kulturfinanzierung auch in die freie Wirtschaft ausstrahlt und Honorare für selbständige Kreative nachhaltig steigen. Damit das erreicht werden kann, müssen die Kreativen selber sowie Verbände und Gewerkschaften an einem Strang ziehen. Unser Ziel, faire und transparente Honorare für alle Selbständigen, die über öffentliche Kulturförderung ihr Einkommen generieren.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2023.