Egal ob Architektur und Rekonstruktion, Kolonialismus und Restitution, Konzeption und Governance – das Humboldt Forum ist seit über zwei Jahrzehnten immer wieder Gegenstand und Anlass vieler Debatten und Kontroversen. Gut so. Sie haben politische und strukturelle Entscheidungen für dieses ambitionierte Projekt beeinflusst. Gut so. 2024 haben über 3,3 Millionen Menschen das Humboldt Forum besucht. Gut so, denn sie stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit, für sie ist dieses Kulturzentrum neuen Typus da.

Der Erfolg des Humboldt Forums basiert auf einem strukturell verankerten Anspruch auf Zusammenarbeit: Vier Akteure – die Stiftung Humboldt Forum (SHF), die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst, die Stiftung Stadtmuseum Berlin sowie die Humboldt-Universität zu Berlin – gestalten das Haus gemeinsam – und mit vielen Partnern aus aller Welt. Klingt kompliziert, ist auch manchmal kompliziert. Aber es funktioniert im gemeinsamen Arbeiten, Verstehen und Lernen schon jetzt gut. Und es wird immer noch besser, wie in dem von allen Akteuren gemeinsam entwickelten Programmcluster »Beziehungsweise Familie« auf allen Etagen ab Herbst 2025 zu erleben sein wird.

Die SHF übernimmt hier neben der Verantwortung für das Gebäude und seinen Betrieb eine koordinierende, programmatisch federführende Rolle. Unser Selbstverständnis: Kooperation auf Augenhöhe, jenseits hierarchischer Ansprüche, um optimale Rahmenbedingungen für die unverzichtbaren Expertisen der einzelnen Akteure zu schaffen. So entsteht im Zusammenwirken ein ganzjähriges Programmangebot in vielen Sparten und Formaten, das sich an den Fragen und Herausforderungen der Gegenwart orientiert – ganz im Sinne der Humboldts. Und so setzen wir unsere gemeinsam erarbeitete Programmstrategie um, die auf der Geschichte des Ortes und den Sammlungen der Akteure basiert.

Hermann Parzinger hat in der letzten Ausgabe seines Reform-Tagebuchs die »Zusammenlegung« der SHF mit der SPK gefordert, also die Auflösung der SHF. Seine Kritik: organisatorische Reibungsverluste, unklare Zuständigkeiten und eine »Addition der Angebote«, Probleme in der Ausschilderung, zu wenig Zusammenarbeit mit der Museumsinsel und keine Integration des Museums der Europäischen Kulturen der SPK. Das liest sich beinahe wie eine Zusammenstellung von – nicht nur vom Wissenschaftsrat attestierten – Problemlagen der SPK, denen mit der aktuellen Reform zu Leibe gerückt werden soll. In diesem Zusammenhang haben übrigens weder der Wissenschaftsrat (2020) noch der Deutsche Kulturrat (2022) eine Zusammenlegung der SHF mit der SPK empfohlen. Auch in den Gremien der SHF stand das nicht auf der Tagesordnung. Apropos Reform der SPK, der allen Erfolg zu wünschen ist: In deren Ergebnis sollen die einzelnen »Häuser« autonomer und agiler arbeiten, sich stärker international vernetzen und für das Publikum attraktiver werden. Schon aus diesem Grund erschließt sich nicht, warum eine selbstständige Stiftung wie die SHF, die genau dieses und nicht erst seit heute praktiziert, Teil des »Großtankers« SPK werden soll.

Natürlich zeigen sich im Praxistest seit der finalen Eröffnung 2022 in einer so komplexen und für alle neuen und unerprobten Institution wie dem Humboldt Forum Defizite und Handlungsbedarfe. Diese müssen erkannt, analysiert und behoben werden. Daran haben wir selbstkritisch zu arbeiten. Das gilt für alle Beteiligten, insbesondere für die SPK und ihre Repräsentanten, die spätestens seit 2002 maßgeblich an allen baulichen und konzeptionellen Entscheidungen des Humboldt Forums mitgewirkt haben.

Das Potenzial und die Bedeutung des Humboldt Forums lassen sich aber nicht nach Kategorien des Zuständigkeitsproporzes oder nach hierarchischen Strukturen beurteilen. Die Zusammenarbeit zwischen SHF und SPK basiert rechtlich auf einem noch vor der Eröffnung abgeschlossenen Kooperationsvertrag. Wir werden weiterhin darauf drängen, diesen so schnell als möglich gemeinsam zu evaluieren und im Ergebnis Verbesserungen und Vereinfachungen in der Zusammenarbeit für beide Stiftungen zu vereinbaren. Übrigens besuchen schon heute zehnmal mehr Menschen die Ausstellungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst als früher in Dahlem.

Seit den grundlegenden Beschlüssen des Deutschen Bundestags zum Humboldt Forum vor 23 Jahren hat sich die Welt gravierend verändert, auch die Welt der Kultureinrichtungen. Heute definieren sich zahlreiche Institutionen, wie das M+ in Hongkong, das Brooklyn Museum, der Louvre Abu Dhabi oder die SECS-Zentren in Brasilien als Orte, die weit über Ausstellungspraxis hinausgehen, wahlweise als öffentliche Räume, Stadtquartiere, Co-Working-Spaces, als Festival-Standorte oder Community Zentren. Hier spielt Berlin mit dem Humboldt Forum vorne mit. Da zahlt sich aus, dass sich die SHF diesbezüglich gut aufgestellt hat, mit einem kleinen, aber hocheffizient arbeitenden kulturellen Betrieb nebst Veranstaltungsproduktion und Kommunikation. So ist sie in der Lage, für ein Millionenpublikum die verschiedenen Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen, vom Schlüterhof bis zur Dachterrasse, zu bespielen. Auch in anderen heute immer relevanteren Arbeitsfeldern wie Community Arbeit und Outreach, Vermittlung und Digitalisierung oder interkulturelle Kompetenz verfügt die SHF über gute Expertisen, die durch die konsequente Weiterentwicklung unserer Netzwerke und Partnerschaften gestärkt werden – vom Kiez bis zum Kilimandscharo.

Das Humboldt Forum hat sich schon heute als Plattform für kulturelle Teilhabe und internationale Zusammenarbeit etabliert und steht exemplarisch als Modell für eine dezidiert »post-museale« Institution des 21. Jahrhunderts – offen, innovativ und publikumsorientiert. Die eigenständige SHF steht für diesen Anspruch an diesem Ort ein. Das Humboldt Forum ist kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein Prozess. Das ist kein Manko, sondern eine Chance. Davon können viele profitieren, auch die SPK.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2025.