Das Jüdische Museum in Worms wurde Ende 1982 durch die Stadt in dem den Formen eines Vorgängerbaues entsprechenden, auf älteren Fundamenten neu errichteten Raschi-Haus eingerichtet und zählt somit zu den ältesten Jüdischen Museen in Westdeutschland. Der Namensgeber Raschi (gestorben 1105) war ein für das Judentum bis heute überaus bedeutender Talmudkommentator, der in Worms prägende Studienjahre verbracht hat und an den sich bis heute lebendige Traditionen jüdischer Geschichte knüpfen. Das Haus befindet sich im vormaligen, bis heute baulich erlebbaren Judenviertel direkt neben der Synagoge (erster Bau durch erhaltene Inschrift 1034 belegt, Neubau im 12. Jahrhundert; zerstört 1938/1941, Wiederaufbau 1956 bis 1961) und der romanischen Mikwe (Ritualbad um 1185/86). Das Vorgängergebäude des Neubaus beherbergte seit dem Mittelalter das Tanz- und Hochzeitshaus der Gemeinde, Rabbinerwohnung, Israelitisches Krankenhaus (seit ca. 1855) und zuletzt (bis 1938/42) ein Jüdisches Altersheim, letzte Station der 1942 deportierten Jüdinnen und Juden. Nach dem Ankauf durch die Stadt um 1958 erfolgte 1971 der ohne angemessene Dokumentation durchgeführte Abriss wegen Baufälligkeit. Schon 1968 hatte sich allerdings aufgrund der Bedeutung des Gebäudes ein Verein zur Einrichtung eines »Raschi-Lehrhauses« gebildet; in den 1970er Jahren wurde dann im Kontext der Altstadtsanierung ein Wiederaufbau geplant und mit Hilfe verschiedener öffentlicher Mittelgeber auch umgesetzt.

Das bis heute städtisch getragene Museum dokumentiert zentrale Aspekte der reichen, von der Jahrtausendwende bis 1938/42 so gut wie ununterbrochenen Geschichte der höchst bedeutsamen, angesehenen Wormser jüdischen Gemeinde und steht in enger Verbindung zu dem im Haus untergebrachten Stadtarchiv mit seinen überaus reichen Fotobeständen sowie zur Unteren Denkmalschutzbehörde (»Institut für Stadtgeschichte«). Gerade die Verbindung des Museums mit dem kommunalen Archiv mit seinen für die jüdische Geschichte der Stadt wichtigen, bis in das Jahr 1074 zurückreichenden Beständen – unter ihnen eine Judaica-Sammlung mit z. Zt. 370 Einheiten – hat sich bei der Betreuung von Forschungsarbeiten etwa zur Baugeschichte des jüdischen Worms oder zur Entwicklung der Gemeinde in der Neuzeit bis zum gewaltsamen Ende 1942 als erfolgreiches Konzept erwiesen.

Ein kleiner Teil der Objekte stammt noch aus dem Bestand der von der traditionsreichen Jüdischen Gemeinde seit dem 19. Jahrhundert aufgebauten Judaica-Sammlung (1924 wurde ein jüdisches Museum im Synagogenumfeld gegründet), die zum großen Teil beim Pogrom im November 1938 zerstört wurde. Seit Ende der 1970er Jahre wurde auf Betreiben des Gründers und Stadtarchivars Fritz Reuter (1929-2021) eine neue Sammlung aufgebaut, die auch durch Kontakte zu Emigranten bzw. Überlebenden der Shoah und deren Nachfahren stetig gewachsen ist. Zurzeit enthält sie ca. 300 inventarisierte Objekte, unter anderem Inschriften, Gemälde und rituelle Gegenstände. Der Bau des Museums und seine ersten Jahre stehen in einem engen Kontext zur Befassung mit dem intensiv erforschten und bereits früh gründlich dokumentierten Schicksal der in der NS-Zeit ermordeten Jüdinnen und Juden in Worms.

Im Jahre 2020 wurde mit Hilfe des Landes Rheinland-Pfalz eine neue Dauerausstellung unter dem Titel »SchUM am Rhein. Vom Mittelalter in die Moderne« eröffnet, die im Zusammenhang mit dem im Sommer 2021 erlangten Welterbetitel der UNESCO für die jüdischen Stätten in Worms, Speyer und Mainz steht. Schwerpunktthemen sind dabei die wechselvolle Geschichte der Wormser Synagoge, die Shoah, die Themenfelder Frauen, Wasser/Reinheit, Gelehrsamkeit, jüdische Friedhöfe, Neues aus SchUM und Jüdische Orte/Judenviertel. Eine Golem-Skulptur des Künstlers Joshua Abarbanel erinnert an die in Worms liegenden Anfänge dieser bis heute nachwirkenden Figur der jüdischen Literatur und Mystik. Seit 2020 ist auch der älteste, bis in das späte 12. Jahrhundert zurückreichende Teil der Grundmauern des Hauses im Kellergeschoß zugänglich. In einer Medienstation im westlichen Erdgeschoss-Raum (er dient für Wechselausstellungen und Veranstaltungen) werden seit 2013 einführende Filme sowie Interview-Ausschnitte mit Wormser Überlebenden des NS-Völkermordes gezeigt.

Das Haus versteht sich als Ort der Wissenschaft, Forschung und Begegnung und veranstaltet in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern regelmäßig Vorträge, Lesungen und Wechselausstellungen. Es dient als zentrale Anlaufstelle für am jüdischen Worms interessierte Kulturtouristen aus dem In- und Ausland ebenso wie für die Erforschung und Vermittlung des reichen jüdischen Kulturerbes, eingebettet in die Wormser Stadtgeschichte.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2024.