Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollte sich die Mehrheit der Deutschen nicht mit dem zerstörten jüdischen Leben in ihrer Nachbarschaft auseinandersetzen. So wurden nicht wenige Synagogenbauten, die die Zeit des Nationalsozialismus überdauert hatten, nach 1945 noch zerstört. Als Anfang der 1980er Jahre die Verbrechen der NS-Zeit langsam in der deutschen Öffentlichkeit zum Thema wurden, erkannte in Augsburg ein Mann seine Chance: Julius Spokojny, Präsident der jüdischen Gemeinde, der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben Augsburg. Seine Idee, in der erhalten gebliebenen Synagoge in der Augsburger Innenstadt ein Museum zu errichten, war zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 20 Jahre alt. Nun war der Moment gekommen, sie umzusetzen: Es gelang ihm, in der Augsburger Stadtgesellschaft einflussreiche Unterstützer zu gewinnen, darunter auch den damaligen Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, Gernot Römer.

Gernot Römer hatte bereits Ende der 1970er Jahre begonnen, sich für die jüdische Geschichte in Augsburg und im Bezirk Schwaben, zu interessieren. Er war einer der ersten in der Region, der Zeugnisse von Überlebenden sammelte und den Spuren ermordeter Jüdinnen und Juden nachging. In der Augsburger Zeitung informierte er regelmäßig über die einst große jüdische Gemeinde in Augsburg und in vielen Orten in Schwaben, in denen sich jüdische Familien niedergelassen hatten. Damit war eine wichtige Grundlage geschaffen, um Spokojnys Idee auf fruchtbaren Boden fallen zu lassen.

Spokojnys Gedanke war ebenso einfach wie klug: Wenn es gelingen würde, in den Räumen der Synagoge ein der Öffentlichkeit zugängliches Museum einzurichten, dann würde er zwei Probleme auf einmal lösen können: Sicherstellen, dass die wunderschöne Synagoge aus den 1910er Jahren erhalten werden konnte – und zugleich eine breite Öffentlichkeit über die Grundlagen jüdischer Kultur und Religion zu informieren. Mit den rund 250 Mitgliedern, die die Gemeinde in den 1980er Jahren zählte, konnte er kaum damit rechnen, die notwendigen Millionen für den Erhalt der einmaligen Synagoge zu bekommen. Mit einem Museum aber, das sich dezidiert an die nichtjüdische Stadtgesellschaft wandte, konnte man die Notwendigkeit, das Baudenkmal zu erhalten, begründen – und auf diese Weise die Synagoge auch für die Gemeinde retten. Spokojnys Idee ging auf – und bis heute wird das Museum von einer Stiftung getragen, in deren Stiftungsrat Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, der öffentlichen Zuschussgeber, aber auch der jüdischen Gemeinde sitzen.

 

Die aktuelle Dauerausstellung

Nach Jahren des häufigen Personalwechsels und von Ausstellungen, die vor allem Ritualobjekte zeigten, schuf Benigna Schönhagen 2006 eine neue Dauerausstellung, die die Geschichte des Hauses und der jüdischen Gemeinden in der Region seit dem Hochmittelalter erzählt. Das schwäbische Landjudentum, das über viele Jahrhunderte eine wichtige Rolle spielte, wird mit Objekten und einer Überblickskarte vorgestellt. Untergebracht in der ehemaligen Damengarderobe bietet die Ausstellung einen Zugang auf die Frauenempore der Synagoge. Damit ist die Synagoge bis heute Gebetsraum, Ausstellungsobjekt und Veranstaltungsort in einem. Der Festsaal der Gemeinde ist zugleich Veranstaltungsraum für das Museum. So kann man dort in Vorträgen über das jüdische Mittelalter sitzen und riechen, dass der Schabbat naht, da sich die Gemeindeküche im Nebenraum befindet.

 

Die aktuelle Wechselausstellung: Jiddisch am ehemals jiddischen Ort

Seit 2014 hat das Jüdische Museum Augsburg Schwaben (JMAS) einen zweiten Standort: die ehemalige Synagoge Kriegshaber im gleichnamigen Augsburger Stadtteil, vormals ein eigenständiger Ort, zeitweise, im 18. Jahrhundert, sogar mit über 50 Prozent jüdischem Bevölkerungsanteil. Die älteste erhaltene Synagoge im Bezirk Schwaben war einst Sitz des Distriktrabbiners, der für die umliegenden Gemeinden zuständig war. Heute dient sie dem Museum als Ausstellungsort. Die aktuelle Wechselausstellung »Jiddisch. Jüdisch. Taitsch.« thematisiert einen Aspekt jüdischen Lebens, der über viele Jahrhunderte Teil des jüdischen Alltags und Selbstverständnisses war, auch in der Synagoge in Kriegshaber: die jiddische Sprache. Obwohl die deutsche Sprache mit Wörtern von »angeschickert« bis »Zoff« Spuren des Kulturkontakts mit dem Jiddischen bewahrt hat, ist vielerorts vergessen, dass hier Jiddisch einst auf den Straßen zu hören war. Die Ausstellung versucht, die Geschichte des Jiddischen nicht anhand von kulturellen Meilensteinen erschöpfend nachzuerzählen – sondern Jiddisch als Sprache ernst zu nehmen und als solche auszustellen: als gesprochene, geschriebene und gedruckte Sprache, mit Hörbeispielen, Medien- und Mitmachstationen sowie einem Sprachspiel zu jiddischen Wörtern aus dem Deutschen.

 

Erneuerung: Generalsanierung und neues Gebäude

40 Jahre nach der Eröffnung des Museums in der Innenstadt ist der ganze Gebäudekomplex erneut renovierungsbedürftig. Die Gemeinde und das Museum platzen inzwischen aus allen Nähten: Die Gemeinde zählt wieder rund 1.500 Mitglieder. Und auch das Museum ist gewachsen – die drei kleinen Büroräume reichen nicht mehr für das Personal, das Ausstellungen, Führungen und Veranstaltungen für nun bis zu 25.000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr plant. Voraussichtlich 2030 sollen die Renovierungsarbeiten abgeschlossen sein. Das Museum bekommt ein eigenes Verwaltungsgebäude, eine neue Dauerausstellung und einen neuen Wechselausstellungsraum.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2025.