Oper und Schauspielhaus, Kunstpalast und Kunsthalle, Fachmuseen wie das Filmmuseum, Hetjens Museum, Stadtmuseum, Schifffahrtsmuseum oder Heinrich-Heine-Institut – und bald auch das Schumann-Haus und das Bundesinstitut für Fotografie. Düsseldorf hat auf kleiner Fläche so einiges an Kultur zu bieten. Doch welche Rolle spielt dabei die Integration? Miriam Koch gibt im Gespräch mit Theresa Brüheim Einblicke in die Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens.
Theresa Brüheim: Frau Koch, welche kulturpolitischen Themen stehen in Düsseldorf hoch oben auf der Agenda für die zweite Jahreshälfte?
Miriam Koch: Vor der Sommerpause hat der Rat der Landeshauptstadt den Standort für den Neubau der Oper festgelegt. In der zweiten Jahreshälfte bereiten wir zwei wichtige nächste Schritte dafür vor. Im ersten Quartal 2024 soll die Beschlussfassung über den Auslobungstext für den Architekturwettbewerb stehen. Das ist für den neuen Standort immens wichtig und insbesondere in Hinblick auf das Gartendenkmal Hofgarten sorgfältig abzuwägen. Zudem benötigen wir eine Interimsspielstätte für ca. fünf bis sechs Jahre für Oper und Ballett. Auch das wollen wir im ersten Quartal 2024 auf den Weg bringen. Wir haben eine Machbarkeitsstudie für verschiedene Varianten einer Interimsspielstätte in einem Bestandsgebäude, einem konventionellen Neubau oder einem temporären Neubau in Leichtbauweise in Auftrag gegeben. Die Diskussion um den Inhalt läuft parallel: Welche inhaltlichen Weiterentwicklungen werden gebraucht, wenn eine neue Oper in Düsseldorf Anfang der 2030er Jahre eröffnet?
Im Museum »Kunstpalast« können wir bald die Sanierungsarbeiten abschließen. Die Wiedereröffnung ist am 16. November 2023. Dann werden wir wieder 5.000 Quadratmeter für die Dauerausstellung zur Verfügung haben. Es wird dort sowohl einen neuen museumspädagogischen Bereich als auch eine neue Gastronomie geben. Auch unser Restaurierungszentrum wird nach der Sommerpause im selben Gebäudekomplex offiziell wiedereröffnen.
Außerdem eröffnet Ende November das Schumann-Haus. In diesem Wohnhaus haben Clara und Robert Schumann mit ihren sieben Kindern gelebt. Clara Schumann hat dort wieder angefangen zu komponieren. Es wird ein Museum werden, in dem man auch auf eine sehr sinnliche Art viel über das Leben der Schumanns in Düsseldorf erfahren kann.
Lassen Sie uns auf die inhaltliche Neuausrichtung der Oper zurückkommen. Was planen Sie genau? Welche Rolle spielt dabei der Ansatz »Oper für alle«?
Von dem Begriff »Oper für alle« haben wir uns verabschiedet, denn die Oper ist schon jetzt für alle da. Die Preisgestaltung der Tickets erlaubt es jedem Geldbeutel, in die Oper zu gehen. Wir hatten gerade eine sensationelle Neuaufführung eines Balletts, die ein anderes Publikum ins Haus geholt hat. Es bestehen Kooperationen mit der Freien Szene. Zudem gibt es Vermittlungsarbeit auch für die junge Oper: Ein Ufo – so nennen wir es – geht aus dem Operngebäude raus und zieht durch die Stadtbezirke. Wir wollen eine Oper der Zukunft bauen. Das heißt, mit neuen Formaten, mit technischen Anforderungen an Nachhaltigkeit für ein energieeffizientes Haus, mit Räumlichkeiten, die nicht nur für den Opern- und Ballettbetrieb genutzt werden, sondern die es möglich machen, vermehrt Kooperationen im Haus einzugehen. Das wird sich räumlich und programmatisch abbilden. Die spannende Aufgabe ist es, nachzudenken, wie sich der Betrieb darstellt, wenn wir in den 2030er Jahren eröffnen werden. Im letzten Jahr haben wir schon begonnen, die Stadtgesellschaft in diese Fragestellung einzubeziehen. Das werden wir weiterführen.
Was unterscheidet die Düsseldorfer Kulturszene von anderen in Deutschland?
In Düsseldorf kann man auf einem kleinen Raum fußläufig die verschiedensten Einrichtungen erreichen: von Oper und Schauspielhaus bis zur bildenden Kunst mit Kunstpalast und Kunsthalle sowie unseren städtischen Instituten mit Fachmuseen wie dem Filmmuseum, Hetjens Museum, Stadtmuseum, Schifffahrtsmuseum, Heinrich-Heine-Institut und bald genau gegenüber Schumann-Haus, Goethe-Museum und Theatermuseum. Alles ist über einen Kulturpfad zu Fuß zu erreichen. Mit der Zentralbibliothek am Hauptbahnhof haben wir einen neuen Schwerpunkt im Innenstadtquartier. Hier wurde eine Bibliothek der Zukunft umgesetzt. In dem Haus gibt es außerdem das FFT, ein Theater der Freien Szene. In 2025 wird in unmittelbarer Nachbarschaft das Junge Schauspiel einziehen, das sich im Moment noch in einem Stadtbezirk außerhalb des Zentrums befindet. Selten findet man in einer Großstadt in so einem kompakten Bereich all diese verschiedenen Kultureinrichtungen.
Wie ist die Kulturszene in Düsseldorf nach der Pandemie und in der Energiekrise aufgestellt? Wie ist es dabei insbesondere um die Freie Szene bestellt?
Im Rahmen von Krisenstäben, in denen auch die Belange der Kulturhäuser und der Kulturszene immer im Blick waren, haben wir ganz gut durch diese Krisen gefunden. Es war wichtig, dass sich der städtische Krisenstab auch mit den Herausforderungen für den Kulturbetrieb beschäftigt hat. Bzgl. der Energiekrise haben wir mittels vieler Maßnahmen wie dem Abschalten von Warmwasser bis zur Regulierung von Heizkörpern die Einsparvorgaben erfüllt. Man muss sagen, dass die Einsparziele kaum ein Einsparen waren. Wir haben einen Überkonsum grundsätzlich runtergefahren. Wir werden sehen, wie die Energiekrise nachhallen wird. Der schwierige Winter steht uns erst bevor. Die zuständigen Abteilungen aus dem Gebäudemanagement und dem Kulturamt stehen im engen Informationsaustausch mit den Einrichtungen in der Kulturszene. Gemeinsam werden wir den nächsten Winter meistern, aber wie es sich auf lange Sicht entwickeln wird und wie wir die Kosten insgesamt auffangen werden, wird sich zeigen.
Im Hinblick auf die Nachwirkungen der Pandemie hat man gemerkt, dass die Menschen sehr vorsichtig in die Häuser und Veranstaltungen zurückgefunden haben. Das hat nicht nur die Kultur betroffen, aber es ist für mich im Kulturbereich eindeutig ablesbar. Aber spätestens seit Weihnachten 2022 hat es sich verändert. Heute haben wir gute Zahlen in den Häusern. Im Düsseldorfer Schauspielhaus haben wir eine sensationelle Spielzeit mit 215.000 Besucherinnen und Besuchern abgeschlossen. Auch in Oper und Ballett haben wir bessere Quoten und Auslastungen, als wir in den Wirtschaftsplänen angenommen hatten. Auch die neue Zentralbibliothek steht dem in nichts nach. An Sonntagen kommen durchschnittlich 2.000 bis 3.000 Menschen und an Spitzensonntagen bis zu 5.000. Da platzt selbst unsere neue räumlich sehr gut ausgestattete Zentralbibliothek aus allen Nähten, gleiches Bild in unserem Aquazoo. Im April haben wir die Nacht der Museen mit einer Rekordbeteiligung abgeschlossen, sodass wir für das nächste Mal über ein verbessertes Schlangenmanagement nachdenken müssen. Der Mut der Menschen ist zurückgekehrt, und die Lust auf Kultur war nie weg.
Neben Kultur sind Sie für Integration in Düsseldorf zuständig. Wie gehören die beiden Themen für Sie zusammen?
Mit meinem Antritt vor gut einem Jahr ist das Dezernat neu zugeschnitten worden. Ich habe vorher als Amtsleiterin den Bereich Integration und Migration verantwortet. In Düsseldorf leben rund 160.000 Menschen, die keinen deutschen Pass haben. Wir bringen auch 1.400 wohnungslose Menschen unter und sind verantwortlich für die Unterbringung von Geflüchteten. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden organisieren wir die Notschlafstellen in dieser Stadt. Zusätzlich leben hier geschätzt 300 bis 500 Menschen dauerhaft auf der Straße. Unter Integration verstehe ich nicht nur die Einbeziehung von Zugewanderten in unsere Gesellschaft, sondern immer auch die der Menschen, die außerhalb der Stadtgesellschaft leben.
Für mich passen kaum zwei Themengebiete so gut zusammen wie Kultur und Integration. Für die Kultur ist die Internationalität einer Stadt zwingend notwendig. Wenn ich unser Ballettensemble sehe, dann sehe ich Internationalität. Wenige Tage nach Kriegsbeginn im Februar 2022 waren es die Kultureinrichtungen, die sofort ihre Häuser aufgemacht haben, um aus der Ukraine Geflüchtete kostenlos in die Häuser zu holen. Sie haben auch direkt erste Kooperationen mit geflüchteten Künstlerinnen und Künstlern angeboten.
Kunst und Kultur sind Mittel, um miteinander die Stadtgesellschaft zu gestalten. Sie helfen nicht nur bei der Integration, sondern auch beim Aushandeln, wie Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Identitäten und Erfahrungen in einer Stadtgesellschaft zusammenleben können. Kultur bringt Menschen so miteinander in Kontakt – egal aus welchem Herkunftsland sie kommen und welche Sprache sie sprechen. Internationalität und Zuwanderung sind nicht nur für eine Stadt wie Düsseldorf zwingend notwendig, sie sind es für ganz Deutschland. Und das gilt es zu gestalten. Diese Mischung von Kultur und Integration, wie wir sie in diesem Dezernat haben, ist sehr wertvoll für beide Bereiche.
Düsseldorf ist auch Kunststadt – nicht zuletzt aufgrund der Kunstakademie Düsseldorf. Wie fördern Sie gezielt Kunst in der Stadt?
Wir fördern z. B. Kunst im öffentlichen Raum stark. Wir haben eine sehr aktive Kunstkommission, besetzt durch Personen aus Politik und Kunst, die im öffentlichen Raum gestaltet. Kunst am Bau wird sehr ernsthaft bei allen größeren Bauprojekten in dieser Stadt verfolgt. Wir haben eine Förderpreisstruktur, die Kunst und Kultur fördert – von darstellender über bildende Kunst bis zu Literatur und Musik. Wir haben einen Kulturetat, der immer noch sehr auskömmlich funktioniert, aber der in den auch für Düsseldorf schwieriger werdenden Haushaltsjahren jetzt neu aufgestellt werden muss.
Lassen Sie uns noch über das Bundesinstitut für Fotografie sprechen, das nach Düsseldorf kommt. Wieso ist Düsseldorf der richtige Standort?
Wir haben eine sehr lebendige Fotoszene. Hier wurde an der Kunstakademie durch Bernd und Hilla Becher die erste Fotoklasse gegründet. Wir haben im Mai den Bernd-und-Hilla-Becher-Preis an zwei unglaublich gute Künstlerinnen verliehen: Carrie Mae Weems hat den Hauptpreis bekommen und Hannah Darabi den Förderpreis. Wir haben natürlich eine Vielzahl von Museen, Sammlungen, Galerien samt diskursprägenden Ausstellungsprogramm und auf die Fotografie spezialisierte Gewerbebetriebe. Das alles spricht für Düsseldorf als Standort des Deutschen Fotoinstituts. Ich bin sehr froh über die Entscheidung, die im Bund und Land gefallen ist. Nach der Sommerpause wird die Gründungskommission, die auf drei Ebenen – Stadt, Land, Bund – angesiedelt ist und dann ihre Arbeit aufnimmt, bekanntgegeben.
Ein weiteres kulturelles Schwerpunktthema in Ihrer Stadt ist die Literatur. Unter anderem vergeben Sie den Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Welche Bedeutung hat dieser? Wie unterstützen Sie darüber hinaus die Literaturszene vor Ort?
Düsseldorf ist Heines Geburtsstadt. Hier hat der Heine-Preis eine sehr lange Tradition. Die letzte Preisverleihung an den ukrainischen Schriftsteller Jurij Andruchowytsch war sehr berührend. In der Tradition von Heinrich Heine wird dieser Preis immer als politischer Preis gesehen. Dazu haben wir das Heinrich-Heine-Institut, das nicht nur mit seiner Vermittlung über Heine die Literaturszene an sich fördert, sondern auch mit Veranstaltungen, Workshops und Austausch zum Thema Literatur im Allgemeinen. Hier ist ebenfalls das Literaturbüro NRW angesiedelt. Das sind unsere Literatur-Highlights.
Sie sind seit einem guten Jahr im Amt. Wir haben bereits über vieles gesprochen, das Sie erfolgreich umsetzen und anstoßen konnten. Wo gilt es, aktuell noch dicke Bretter zu bohren? Welche Baustellen haben Sie gerade?
»Baustelle« ist ein gutes Stichwort, denn ich habe tatsächlich zahlreiche Baustellen. Die Kulturgebäude in der Stadt sind in einem teilweise sanierungsbedürftigen Zustand. Das sind oft energetische Sanierungsmaßnahmen, manchmal aber auch Gesamtsanierungen. Wir stehen kurz vor der Gesamtsanierung des Goethe-Museums und der Kunsthalle. Wir müssen auch das Gebäude des tanzhaus nrw und des Kulturzentrums zakk sanieren, ebenso wie die Tonhalle, unser Konzerthaus. Also da ist einiges an Baustellen in den nächsten Jahren umzusetzen.
Die Haushaltslage ist auch in Düsseldorf schwieriger geworden, durch die Auswirkungen der Pandemie und nach den Aufwendungen, die wir für die Bewältigung der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine hatten.
Dazu kommt der Neubau der Oper, der sich über die nächsten Jahre abbilden wird. Hier muss es gelingen, die Stadtgesellschaft davon zu überzeugen, dass diese Investition, die eine der größten für ein Einzelprojekt in dieser Stadt je sein wird, richtig ist und einen Mehrwert für die Stadtgesellschaft hat.
Eine der eindrucksvollsten Erfahrungen der vergangenen Monate war für mich die Restitution, die sehr lange sehr strittig diskutiert wurde und wir gemeinsam mit der Stern Foundation ermöglicht haben. Ich habe dafür den Gesprächsfaden, der unterbrochen war, mit den Kollegen in Kanada wieder aufgenommen. So konnten wir das Gemälde »Bildnis der Kinder des Künstlers« von Friedrich Wilhelm von Schadow restituieren. Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf ist diesem Vorschlag gefolgt. Gleichzeitig haben wir das Gemälde, das nicht aus der Stadt abgezogen werden sollte, zurückgekauft. Es wird jetzt dauerhaft in Düsseldorf bleiben. Diese wieder aufgenommene Zusammenarbeit war unserem Oberbürgermeister und mir sehr wichtig. In der Folge haben wir ein Projekt beim Magdeburger Zentrum für Kulturgutverluste eingereicht, das vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in NRW unterstützt wird. In diesem Projekt werden wir gemeinsam die Kundschaft der Galerie des Kunsthändlers Max Stern untersuchen und das Schicksal seiner fast überwiegend jüdischen Kundinnen und Kunden in den Fokus nehmen.
Was ist Ihr liebster Kulturort in Düsseldorf? Welchen Kulturtipp haben Sie für unsere Leserinnen und Leser?
Bei dem breiten Angebot in Düsseldorf schlage ich vor, sich mindestens ein Wochenende ein Hotelzimmer zu nehmen und durch die Stadt zu laufen. In Düsseldorf kann man an jeder Ecke Kunst und Kultur erleben. Ehrlicherweise bin ich selbst immer noch überrascht, was alles in dieser Stadt im Bereich Kunst und Kultur möglich und erlebbar ist.
Vielen Dank.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 9/2023.